07 Mai 2022

Úbeda - das "Freilichtmuseum der Renaissance"

 Mittwoch den 04. Mai 2022

Auch in Úbeda ist der kostenlose Stellplatz ein schlichter Parkplatz. Aber kuscheliger als in Jaén. Umzäunt, direkt nebenan die Station der "Guardia Civil" (Polizei), relativ viele Mobile, Blick auf`s realtiv nahe Stadtzentrum.


Die Stadtbesichtigung muss aber bis zum Folgetag, dem Mittwoch, warten. Für  heute ist erstens nochmal Regen und zweitens Schlaf  angesagt.


Vor der Stadtbesichtigung ein schneller  Blick nach "draußen". Úbeda  liegt auf einer Anhöhe, um die herum sich endlose Olivenfelder erstrecken. Überhaupt kommt mir Spanien mittlerweile  - zumindest außerhalb der vielen sehr sehenswerten Nationalparks - ein bisschen so vor  wie eine Aneinanderreihung endlos erscheinender Monokulturen.



Sei es Wein, um Valencia die (Valensina)Orangen, bei Almeria die weißen Plastiktunnelwüsten mit Gemüse und Obst, so  sind es hier  über viele  zig-Kilometer hügelige Olivenhaine mit gelegentlich zwischengestreuten  Mühlen und Abfüllbetrieben. Hier befinden sich die  größten Oliven-Anbaugebiete weltweit. Spanien exportiert u. a. auch viel davon nach Italien ;)


Der bei der Tourist-Information ergatterte Übersichtsstadtplan verweist auf sage und schreibe 59 sehenswerte Gebäude und Einrichtungen in Úbeda. Keine Chance, die auch wirklich alle in einem Tag aufzusuchen und darüber mehr zu erfahren. 
Nicht alle sind automatisch auch abgeschlossene Touristenstätten. Dieser Innenhof beispielsweise, der die für Andalusien typischen zierlichen Säulengänge zeigt, kostet weder Eintritt  noch wird darum besonderer Pomp betrieben. Es ist dort irgendeine städtische Einrichtung untergebracht, momentan eine Ausstellung  jugendlicher Künstler zu sehen. Angestellte Büroleute queren den Hof auf dem Weg in ihre Büros.


Die in einem Stadtführer  gefundene Bezeichung "Freilichmuseum der Renaissance" passt wunderbar. Kein Schritt in der Innenstadt ohne historische Gemäuer. Paläste, Herrenhäuser, Kirchen, Aussichtspunkte ... 


Vor einer der bedeutungsträchtigsten Kirchen, der Sacra Capilla del Salvador stehen mehrere Reisegruppen - alles Spanier. In den Vorträgen der Reiseleiter ist viel von Columnas (Säulen), cúpalas (Säulen) und frescos die Rede. Der deutsche Audioguide erklärt ebenfalls nimmernüde jede noch so winzige Einzelheit der Innenausstattung, Geschichte, verwobenen  Persönlichkeiten .... ich ächze ...



Konnte mir schon in Schulzeiten die zu lernenden Säulenformen nicht merken - und hatte auch null komma null Interesse daran.

Bei mir gehen nur die eher allgemeinen Begleitfragen ins Gedächtnis ein: dass  die großen Baumeister früherer Zeiten sich erstaunlich ausführlich austauschten, miteinander und voneinander inspiriert wurden, viel reisten und das nicht nur durch Europa. Sich Zusammenfanden, untereinander austauschten ... und das zu Zeiten, in denen es weder Flugzeuge noch überhaupt Motoren, ja nichtmal Gummibereifung, Fahrräder oder ähnliches gab. Auf unkomfortablen Straßen mit lebenden Pferdestärken tausende Kilometer  bei  nur wenig Infrastruktur überwinden. 

Dabei diese unfassbar künstlerisch reich überladenen Dinge  mit Handarbeit und Körperkraft zu erstellen. Jetzt mal ehrlich: alles, was jetzt so gebaut wird, ist dagegen doch vergleichsweise öde, schmuck- und reizlos. Plump. Wie haben die das geschafft? Sowas finde ich  wundergleich.

Was ich mir auch noch merke: die kleinen menschlichen Anekdötchen. So musste  sich einer der damals führenden Bauherren einem Inquisitionsverfahren stellen. Er war angezeigt worden wegen häufiger Unbeherrschtheit, Neigung zu  Gewalttätigkeit und vor  allem: Trunksucht.

Seine Verteidigung  bestand  darin, den Herren Úbedas zu erklären, dass der Alkohol ihn inspiriert und er  ohne diesen nicht in der Lage wäre, ein derartig grandioses Bauwerk zu erstellen. Ohne Alkohol würde es wesentlich weniger prachtvoll.

Er kam damit durch :-) Und jetzt mal: ist das Ding Weltkulturerbe oder ist  es keins!?


Irgendwann erreichte ich das Viertel  mit den Alfarerias (Töpfereien). Für sie ist Úbeda auch noch berühmt. Es war eine Straße mit vielen davon. Einige geschlossen aber einige auch mit geöffneten Türen. Wenn auch ohne  Besucher ... außer mir dann ...

Ich hatte eigentlich ja wieder auf meinen andalusischen Touristentinnef gehofft. Knoblauchreiben vorzugsweise. Aber nichts davon weit und breit. Die Häuser, die ich betrat, hatten ausschließlich sehr hochwertige Künstlerware im Angebot. So schön die Sachen teilweise sind ... ich wüsste jetzt nicht, wohin mit Kacheln, Vasen und Statuen.


In einem der Häuser saß ein älterer Mann telefonnierend an einem Tisch als ich eintrat. Schaute mich fragend an, ich machte eine Geste, die besagte, dass ich mich gerne umschauen würde. Er antwortete  mit einer einladend-bejaenden Gegengeste und telefonierte weiter.

Schnell sah und las ich - denn ich befand mich in einer  Art Museum - dass ich es hier mit einer besonderen Ausstellung zu  tun hatte. Unglaublich interessante Stücke waren zu sehen. Besonders spannend  fand ich die "Gebärtöpfe". Alte Stücke waren mit neuen Skulpturen gemischt, ich  sah eingerahmte Berichte von gewonnenen Preisen und auch, dass der Künstler für namhafte Institutionen bis hin zum spanischen Königshaus arbeitete.


Er hatte fertig telefoniert, gesellte sich zu  mir, nahm meine anerkennenden Bekundungen verschmitzt entgegen. Ihm war klar, dass die Exponate um einiges über meiner Preisklasse lagen und er in mir keine zahlende Kundschaft finden würde. 

Aber  irgendwas schien ihm an mir zu gefallen. Vielleicht, dass ich bei einer Skulptur, an der vermerkt war,dass sich das Original in Diessen am Ammersee befindet, in kindlicher Freude verkündete, da wäre ich schon gewesen und wenn ich wieder mal dort bin,  dann gucke ich mir das Original an.

Er überlegte eine Weile, musterte mich kritisch ... und öffnete mir weitere Türen des Hauses, in denen sich weitere Exponate und Kunstwerke befanden. Ich bekam eine ganz private Exklusivführung mit vielen Erklärungen. Alles in Spanisch, so dass ich zwar nur die Hälfte davon verstand. Maximal. Aber nichtsdestotrotz  ehrlich ergriffen davon war.

Wir verabschiedeten uns sehr herzlich  voneinander. Diese kleinen unerwartet sich ereignenden menschlichen Zwischenmomente, die sind mir im Ganzen auf solchen Reisen mehr wert  als die größten Ansammlungen alter Häuser, Baudenkmäler und Sehenswürdigkeiten.


Kurz darauf - wie so oft war ich vom Weg abgekommen und in einer Art "Elendsviertel" der Stadt gelandet (das gehört bei  mir schon fast zum Standard, diese  Art des "falsch Abbiegens"  - ereignete sich eine weitere Begegnung der menschlich-tierischen Art, die mir sicher lange in Erinnerung bleiben wird:

Auf der Treppe eines Hauseingangs saßen drei relativ junge Männer aus sichtbar etwas kritischem Milieu. Tranken Bier, rauchten, wirkten junkiemäßig abgewrackt und hatten einen riesigen rabenschwarzen "Höllenhund"  dabei. Irgendwas wie ein Mix aus Pitbull und American Staffordshire. Höllenhund eben mit einem Kopf und Beißwerkzeugen wie aus einem Horrorfilm. 

Das Tier war nicht angeleint und als ich um die Ecke bog, sprintete Höllenhund umgehend auf mich zu. Ein bisschen Erfahrung habe ich mit Hunden  und erkenne ihre Körpersprache. Höllenhund wedelte und wirkte freudig  ausgelassen. Immerhin! Schien zwar ausgewachsen aber noch einigermaßen jung  zu  sein. 

Trotzdem: wenn ein solches Monster, von dem man weiß, dass es in einem Happs  vermutlich das ganze Bein abbeißen könnte, mit der dicken Schnauze  an selbigem rumschubbst  ... dann wird auch mir Hundefreundin  etwas blümerant zumute. Ich blieb wie angewurzelt stehen und hielt  die Luft an. Klar sah ich, dass Monster Höllenhund nur gestreichelt  werden wollte ... aber kraule  mal unbefangen einen Tiger, der sich egal wie freundlich vor dir  aufbaut. Bei aller Hundeliebe: ich brachte es nicht fertig, meine Hände in Richtung Hundemonsterkopf zu bewegen. 




Ich schaute zu den drei Typen rüber. Fragender Blick: will hier vielleicht mal jemand das Monster wegholen?! Sie lachten und einer  rief irgendwas, das vermutlich "Der tut nix, der will nur spielen" hieß. Ja - weiß ich. Wenigstens das! Ich aber  nicht zum  Teufel! Sagte das auch oder versuchte es: "Lo sé, pero ..." ("Ich weiß, aber ...) Die mir fehlende Vokabel für "trotzdem" fehlte mir, so dass ich es mit  dem Blick hinterhermalte. Ich blieb einfach stumpf stehen. Keine Lust, Höllenhund meine Rückfront  zu bieten. Wartete, bis sich einer der Kerle dann doch bequemte, das nette - nee echt, der war wirklich freundlich, der Höllenhund. Hoffentlich bleibt er es, wenn er älter wird - Tier abholen zu kommen.

Ich bedankte mich. Ehrlich gemeint. Und grüßte zum Abschied. Sie grüßten freundlich zurück. Puh!


Auf dem Weiterweg nahm ich im Vorbei-und hier und da auch nochmal reingehen weitere als sehenswert markierte Orte mit. Aber irgendwann nach  zwei Drittel war auch wirklich Ende der Aufnahmefähigkeit. Im Prinzip und der Vollständigkeit halber sollten Besucher von Úbeda noch weiter ins nur wenige Kilometer entfernte Baeza fahren, da das Städtchen mit dazugehört zum Gesamtkulturerbe.  Aber der Gedanke an weitere zwei Dutzend  Kirchen, Herrenhäuser, Steinpaläste, Säulengänge und Torbögen ... er schreckt mich eher als er mich locken kann.


Dieser Hausflur ist sehr typisch für die andalusischen Gebäude. Halbhoch gekachelt, die Türen noch mit Kacheln umrahmt. So sehen fast alle Häuser innen aus. Es war mir schon mehrmals aufgefallen - auch bei der alten Frau mit dem Schirm - aber hier nahm ich auch ein paar Fotos von ganz schlichten Beispielen mit.


Úbeda ist auch  eine der "Hochburgen" des andalusischen Jahreshighlights, der "Semana Santa", der heiligen Woche, was die Karwoche incl. Ostern ist.


Dann  werden aus  allen Kirchen prächtige Altäre und Festzüge durch die Straßen geschleppt, in denen tagelang das Spektakel begangen bzw. gefeiert wird.


Immer dabei natürlich die vielen lebens- und überlebensgroßen Marienfiguren.



Auf dem Rückweg zum Mobil richtet sich meine  Aufmerksamkeit dann aber eher auf nette Nebensachen wie z. B. viele hübsche Straßennamen.

El sol - die Sonne - macht sich leider gerade wieder rar. Ich eile ins schützende Roll-zu-Hause, bevor ein erneuter Regenguss vom Himmel fällt. Jeden Tag verschiebt die Voraussage den angeblich nun wirklich eintrudelnden Sommer wieder um einen weiteren Tag nach hinten. Es ist zwar nicht sehr  kalt und regnet nur gelegentlich. Aber so langsam möchte ich doch Herrn Sonne wieder in seiner Pracht genießen.

Weil es  ab morgen dann aber wirklich soweit sein soll, beschließe ich nach einem kleinen Ruhepäuschen den Tag damit, von Úbeda weiterzurollen in den zwei bis drei Fahrtstunden entfernt liegenden "Parque natural de las Sierras de Cazorla, Segura y Las Villas"


4 Kommentare:

regenfrau hat gesagt…

Liebe Lizzy,
ahhhh... wie schön, am Samstag Vormittag mit dir durch Andalusien zu spazieren, zu rollen, zu schauen und zu staunen!
Mittlerweile habe ich auch immer eine Landkarte offen, um deine Wege besser geographisch einordnen zu können. Ich wünsche dir, dass Herr Sonne sich bald blicken lässt und freue mich auf deine nächsten Eindrücke. :)

lizzy hat gesagt…

Guten Morgen, liebe Doris,

das freut mich, wenn du mich ein wenig begleitest bzw. ab und zu hinterher(sc)rollst.

Denn im Moment liege ich berichtstechnisch ein paar Tage zurück, halte mich jetzt schon den dritten Tag „unter Geiern“ in diesem grandiosen Naturpark hier auf.

Weil meine Tour gestern sehr lang und anstrengend war und nun die Muskeln meutern, lege ich heute einen Schlendriantag ein. Möglicherweise mit Erstellung eines Folgeeintrags.

lizzy hat gesagt…

P.S. Señor Sol hatte ein Einsehen. Nach Úbeda kein Regen mehr. Seit gestern geht er in die Vollen und gibt, was er kann.

Trudy hat gesagt…

und in meinen Garten hat es 40mm geregnet, wie mich das freut! :-)