Oder: die Schweinshaxe
"Wenn der Wochendurchschnitt zum ersten Mal unter 70 kg liegt, dann kannste ja eine Schweinshaxe essen." So sagte mein bester aller Ehemänner angesichts meiner seit einiger Zeit rapide dahinschmelzenden Übergewichtspfunde. Und meinte das Gesagte als Witz weil für ihn eine völlig abstruse Vorstellung. Schweinshaxen essen findet er ekelhaft. Ich finde das nicht! Finde im Gegenteil krustig gegrillte Schweinefetthaut oberlecker. Esse sie extrem selten - vorher geschätzt 3 Haxen in den 14 Münchner Jahren - und habe sie bis vor kurzem auch nicht mehr gut vertragen. Jetzt aber doch wieder (entgleister Fettstoffwechsel kam vorher dazu und hängt vermutlich auch mit Übergewicht, Zuckerwerten etc. irgendwie zusammen und das ist nun im Moment alles offensichtlich im Lot).
Und so übernahm ich seinen gemeinten Gag als ernsthaftes Etappenziel: sollte mein Wochen-Gewichts-Durchschnitt irgendwann unter 70kg liegen (also niedriger als je irgendwann innerhalb der letzten 10 Jahre und niedriger damit als jemals vorher in den Zeiten meiner läuferischen "Karriere", dann würde ich mir eine Schweinshaxe gönnen. Stellte sich zunächst noch die Frage, wo man eine gegrillte Bio-Schweinshaxe herbekommt, denn "bio" sollte sie schon sein ... aber das hatte noch Zeit zum Zeitpunkt der Zielsetzung.
Das ist inzwischen einige Wochen her. Der Start meiner - ich nenne sie: "zweiten größeren Abnehmaktion" war eher ein Zufall. Langjährige Blogmitleser mögen sich erinnern: vor inzwischen gut zwei Jahren im Sommer 2011 startete ich mit einem damals adipös bescheinigten Gewicht von 81 kg, was einem BMI von 31 entsprach (der mich übrigens nicht daran hinderte, den BigSur-Marathon mitzulaufen u. a.) mit einer ersten gezielten Abnehm-Aktion, die auch Erfolge zeigte. Gegen Ende des Jahres hatte sich mein Gewicht auf um 73 kg liegend relativ stabil eingependelt aber der Elan zu weiterer Abnehmerei schlief ein. Ein kleiner nächster Versuch im letzten Herbst verlief sich als Strohfeuer und im Grunde fühlte ich mich mit dem Erreichten auch recht wohl. Zumal auch die vorher entgleisten Blutzuckerwerte wieder in den grünen Bereich gewandert waren.
So richtig bewusst bin ich es also nicht angegangen. Im Hinterkopf allerdings schmurgelte der Wunsch, noch ein bisschen weiter abzuspecken, immer latent vor sich hin, seit dem ersten Tag des Jahres notierte ich im Kilometerspiel täglich mein Morgengewicht um es im Blick zu behalten und als nach dem Würzburg-Marathon die Kilos wieder nach oben auszureißen drohten, hoffte ich auf Abnahme im Wanderurlaub.Ein leichter Trend nach unten zeichnete sich auch ab - jedoch kaum erwähnenswert. Da geschah es, dass ein Unwetter uns zum Verweilen im Hotelzimmer zwang, ich im Internet surfte und von einem Ernährungstagebuch (fddb.de) las. Trotz des spontanen Trotzgedankens "ist doch sicher Unsinn, nützt nix, brauch ich nicht .." gab ich testweise meine Daten ein, ließ meinen Verbrauch bestimmten und notierte *spaßeshalber* und im Urlaub noch ohne Waage-Kontrollinstanz einfach mal mit, was ich so esse und trinke (wobei grundsätzlich nur die kalorienhaltigen Getränke eingegeben werden. Wasser, ungesüßten Tee oder mit Süßstoff oder Stevia gesüßte Getränke notiere ich erst gar nicht).
Und siehe da: sich selber die "WeightWatcherin" zu machen, das wirkt tatsächlich. Mehr unbewusst als gewollt. Obwohl ich durchgängig das Gefühl hatte und habe, massenhaft zu futtern, ging die Gewichtskurve konsequent und stetig bergab: (wenn ich unterwegs bin und meine gewohnte Waage nicht zu Hand habe - nein, mitschleppen ginge wirklich zu weit! - gebe ich rückwirkend für die aushäusigen Tage aus "Vorher" und "Nachher" gemittelte Tageswerte ein. Damit keine Lücken entstehen im Bild).
Für mich selber geradezu ein Mirakel. Hatte ich doch das Gefühl, permanent zu essen und nie irgendwelchen Mangel zu leiden. Fast im Gegenteil.
Sich selber beim Essen zuzugucken - sogar, wenn es kein ausgesprochenes Ziel dabei gibt, bewirkt erstaunliches. Denn: zunächst war der Gedanke nur: "guck mal, ob der errechnete Bedarf überhaupt passt"
Dass das Gewicht inzwischen in Bereichen angekommen ist, die auch bei strengerer Auslegung unter "normal" fallen, ich also tatsächlich nicht mehr zu den "Übergewichtigen" gehöre mit einem BMI von inzwischen knapp unter 26 bei 25,9 angekommen, das gefällt mir aber schon recht gut ;-)
Selbstverständlich MUSS ich irgendwas verändert haben, sonst wäre nicht passiert, was passiert ist. Was aber genau ist das? In der Hauptsache fallen viele Kleinigkeiten zwischendurch weg. Sei es, weil sie mir durch die Notwendigkeit, sie anschließend eingeben zu müssen, überhaupt erst bewusst werden. Oder weil es mir einfach zu lästig ist, für z. B. eine Hand voll Nüsse wieder einen Eintrag zu erstellen ... aber immer sind es Dinge, die im Grunde völlig überflüssig waren, die weggelassen werden. Denn: ich habe nie Hunger bzw. ist eine meiner selbst erstellten "goldenen Regeln":
- wenn ich Hunger habe, wird auch auf jeden Fall schnellstmöglich gegessen! Zwingend! Um Fressattacken zu vermeiden.
Außerdem halte ich mich an weitere Regeln (meistens):
- möglichst keinen Tag unter 80% des vom Tagebuch errechneten Bedarfs bleiben (manchmal passiert es doch - aber dann eher ungeplant und ich war mit Sicherheit satt). Nicht, dass der Körper auf die unsinnige Idee kommt, es wären Notzeiten angebrochen und den Stoffwechsel runerregelt. Das muss ja wirklich gar nicht sein. Das führt dazu, dass ich ab und zu abends feststelle: "Hilfe! sind ja noch keine 80% - ich muss DRINGEND noch ein Eis, Kekse, Schokolade ... whatever .. essen oder ein Bier trinken :o)

- mindestens einmal wöchentlich wird "über 100%" gefuttert - ein Schlemmertag ohne irgendwelche Hemmungen und Beschränkungen muss sein. Wobei ich natürlich nie wirklich weiß, ob die errechneten 100% den tatsächlichen entsprechen. Habe aber das Gefühl, dass es bei mir ganz gut hinkommt. Jedenfalls, wenn ich als "Aktivitäten" nicht wirklich jeden banalen Handgriff sondern nur Dinge eintrage, die auch wirklich mit Sonderbewegung verbunden sind. Ab einem Spaziergang oder dem Radweg zur Arbeit wird eingetragen. Bügeln, Treppen steigen und ähnliche Banalitäten nicht. Die fallen bei mir unter "Grundumsatz"
- möglichst oft gebe ich geplantes Essen, so im Voraus bekannt, auch im Voraus schon ein. Das bewirkt ein besseres "im Griff halte Gefühl" und eine oft riesige Vorfreude auf eingegebenes Essen. Gebe ich mir z. B. mittags für nach dem Feierabend einen geplanten Schokoeisbecher ein (natürlich MIT Sahne, Schokososse, Streuseln oder Krokant ... soviel geht!), dann bin ich voller Vorfreude darauf schon so auf diesen Eisbecher fixiert, dass absolut keine Lust auf Zwischenknabbereien oder sowas auftauchen. Alles an mir fiebert erwartungsfroh auf diesen Tageshöhepunkt "Schokoeisbecher" hin ... und WIE DER DANN SCHMECKT! Grandios ist das in so einem Fall - ein viel größerer Genuss als früher meistens. Und doch liege ich dabei nie oder fast nie über 100%.

- ich esse und trinke NUR und AUSSCHLIEßLICH Dinge, die mir auch wirklich schmecken. Kein einziges Prozent wird an irgendwelche scheußlichen Lebensmittel, Diätdrinks o. ä. verschwendet, nur weil irgendwer meint oder geschrieben hat, die seien gesund oder helfen beim Abnehmen. Es gibt auch keine Light-Produkte, Einschränkungen nach Uhrzeit, Inhaltsstoffen etc. Überhaupt ist alles fern jeder Diät, jeden Essenspapstes, jeden Diktats. Ich esse im Grunde wie immer, tendenziell nur die leckereren Dinge, gerne auch mit Fett, wenn es meiner Meinung nach dazugehört, oft Eis, gerne mal Wein oder Bier - und schreibe alles auf. Kuchen und Kekse allerdings, die knallen so rein in die Bilanz, dass sie selten geworden sind.

Im Grunde stelle ich fest, dass ich - zumindest, wenn ich zu Hause bin - sowieso immer das gleiche esse irgendwie. Die Jahreszeiten lassen Obst und Gemüse ein bisschen wechseln und es gibt so "Phasenliebhabereien" aber im Grunde gleicht sich das doch immer wieder sehr. Und sah auch vorher so aus. Nur vermutlich von vielen Kleinigkeiten ein bisschen mehr ...
Was stelle ich "läuferisch" fest:
- abends laufen bringt mehr bzw. sind die Bilanzen an diesen Tagen niedriger und der Hunger bleibt kleiner
- schwimmen - sogar nur wenig schwimmen - macht hungrig (wusste ich aber vorher schon - kennt vermutlich jeder und nicht wundern über so Einträge wie "13 Minuten schwimmen" - das liegt daran, dass der Schieberegler beim App so blöd zu bedienen ist und wenn ich die geplanten 15 Minuten beim dritten Versuch nicht getroffen habe, dann bleibt's eben bei 13 - so pedantisch muss ja auch nicht sein. Dass ich so kurze Schwimmeinheiten drin habe, liegt am "vor der Arbeit schwimmen", wo ich zwar ca. 3/4 h im Wasser bin, diese Zeit aber drittele: bisschen planschen, bisschen rumgymnastiken, bisschen Beine an Massagedüsen durchwalken lassen und eben auch bisschen richtig schwimmtrainieren. Aber nicht so wirklich viel - ob 15 oder 25 Minuten ... so akribisch sehe ich das nicht)
- viele eher kleinere Sporteinheiten - also viel Gleichmäßigkeit - statt großer harter Dinger mit folgenden Pausentagen fallen leichter und sind der Abnahme zuträglicher.
- noch bin ich nicht schneller geworden. Jedenfalls gab's beim Maare-Mosel-Halbmarathon eher einen gewaltigen Einbruch. Im Alltag fühlt sich das Laufen leichter an, dass der 6-Stunden-Lauf so locker über die Bühne ging mit seinen 46 Kilometern, lag sicher auch mit an der geschmolzenen Masse
- um das niedrigere Gewicht auch in Tempo zumindest auf kürzeren Strecken umzumünzen, sollte ich vermutlich eine Weile stabil halten und gleichzeitig Tempotraining einflechten. Ich versuch's. Beides. Ist aber gar nicht so leicht durchzuhalten ... Die Raserei liegt mir immer noch nicht und das Gewicht sinkt trotz täglicher Mampferei bis zur Halskrause einfach langsam weiter. Musste eben noch eine weitere Schweinshaxe her heute ... ;)
Achja, wie war das eigentlich mit den Zielen und den Schweinshaxen?
Die erste war fällig in der Woche vor dem Halbmarathon und weil meine Schwester vom Ziel wusste, überraschte sie mich mit einer vom Nachbarort-Bauern gekauften und dann selber zubereiteten Bio-Schweinshaxe (suboptimales Vorwettkampfessen, ich weiß - aber da galten klare Prioritäten und Festessen von Super-Braten-Köchin ging vor ;)
Heute vormittag dann beim Gang - eigentlich zur Bücherei - über einen Wochenmarkt (ich hätte vielleicht erst nach dem Mittagessen, das eigentlich in der Kantine geplant war anschließend, losgehen sollen ...), vorbei am Hähnchen- und Schweinshaxnstand (zu meiner Schande muss ich gestehen: so überhaupt gar nicht *bio*) übermannten mich die Düfte, die auf meinen Nachjogg-Vormittagshunger trafen und ich kaufte sie: die zweite Haxe.

Das Teil wog - ohne Knochen gerechnet, nur das ausgelöste Fleisch mit Fett und Kruste - eindeutig über 500 g. Natürlich habe ich nicht alles geschafft zum Mittagessen und den verbleibenden Teil dann zu Hause gewogen. Auch noch ein zweites Mal davon gegessen - bis zur Übelkeitsgrenze fast (der Bubikater erwies sich als echter Bayer und er, der sonst sehr wählerisch beim Futter ist, neuen Futtersorten gegenüber extrem misstrauisch und sich für Menschenmahlzeiten nicht die Bohne interessiert, kam vom Duft gelockt angelaufen, schnupperte begierig und bekam auch ein Teil der Haxe ab. Die er begeistert verputzte. Aber das nur am Rande erwähnt ;). Mindestens 150g sind noch übrig, die gibt's dann morgen zum Frühstück. Für die Miezen und mich *s*
Weil meine verbrauchten Tagesprozente deutlich unter 100% dümpelten, ja sogar deutlich unter 80%, sitze ich hier und gebe mir redliche Mühe - siehe oben: ein Eis, eine Apfelschorle, ein Weizenbier und Kekse - mehr schaffe ich heute wirklich nicht mehr. Und habe erst 72% des Tagesbedarfs aufgenommen.
Konkret: obwohl ich heute fast 1 Pfund gegrillte und fette Schweinshaxe mit einem Vinschgauer-Brot verputzt habe, außerdem eine Flasche Bier getrunken, ein Eis gegessen und zwei Haferkekse - trotzdem liegt mein Essenskonsum deutlich unter dem eigentlichen Mindest-Tageswert von 80%.
Man könnte meinen Gewichtsverlust also vielleicht auch als Folge der "Schweinshaxen-Diät" sehen ;-)