31 März 2014

ICH KANN MARATHON!

"Sie laufen den Marathon  ganz schön schnell!"  

das ist doch echt mal 'ne nette Ansprache am *Tag danach*  im Hotel am Frühstücksbuffet. Noch dazu, wenn sie völlig überraschend vom geschätzt ca. 10 Jahre jüngeren und durchaus sehr sportlich wirkenden Mann geäußert wird.  Könnt' ich mich dran gewöhnen :o)

Ich strahle den mir Unbekannten an und erwidere prompt: "Ja, gell! Ich find' mich auch toll!" muss dann aber gestehen, dass sein Gesicht mir leider unterwegs nicht aufgefallen ist. "Kein Wunder, ich bin ja auch fast die ganze Zeit hinter Ihnen gelaufen. Sie haben sich an den Verpflegungsstellen immer den nassen Schwamm ins Shirt gestopft!" Stimmt, das hab' ich - Verwechslung also auch unwahrscheinlich. Er meint MICH. Wir tauschen noch ein paar Erinnerungen, Zeiten, Anekdoten an gestern und über die Lauferei als solche aus und bei so vielen charmanten Komplimenten sei ihm auch verziehen, dass er dann doch irgendwann an mir vorbei und einige Minuten früher ins Ziel gelaufen ist.  Und zum wiederholten Mal in den letzten Stunden flutet mich der glückliche Gedanke:

I C H   K A N N    M A R A T H O N!

Klar - gelaufen bin ich schon viele. Einige sogar auch schon durchgelaufen und nicht immer war es schlimm. Oft sogar schön. Will das gar nicht schlechtreden - alles hat seine Berechtigung und Vor- und Nachteile.  Nur war es bisher jeweils so, dass die Strecke mit mir machte, was sie eben wollte und diesmal kam es mir vor als hätte ich das Heft fast durchgängig in der Hand behalten. Auch mal eine nette Erfahrung, wie Training so wirkt. Gerade dann auch beim Marathon. Ist schon schön irgendwie ...

Die Vortage:

So wirklich spannend fand ich es nicht an der Weinstraße: dominant vor allem die Autos, Autobahnen mit Dauertosen und Schwerlastverkehr. Gewerbegebiete, ein gerüttelt Maß an Trost- und Farblosigkeit ... ich schluckte doch ein wenig beim Anblick der fablosen Weinhügel rundum, der Straßen, Gewerbeflächen, -hallen und verbreiteten Eintönigkeit (nö - davon gibt's keine Fotos hier - versaut mir nur den Blog ;).


Mit Fokusblick findet man sie schnell, die Lichtblicke und Besonderheiten, die netten und schönen Dinge dort.

Tatsächlich blühen noch einige der Mandelbäumchen und auch viele andere Frühlingsblumen und - sträucher blühen und duften um die Wette. Es ist warm. Sehr warm. Und soll noch wärmer werden.  Inzwischen bin ich mehrere Marathonläufe in Weinanbaugebieten gelaufen und mehrmals war es eine unglaubliche Hitzeschlacht.

Vielleicht sollte ich als Auswahlkriterium einführen:

Wo die Leute schon im frühen Frühjahr Palmen nach draußen stellen und sogar einige Exemplare frei in Gärten wachsen, da wird sich NICHT angemeldet ...


Der Balla-Doc hat's in einem Blogkommentar schon erraten:

Hast Du ein neues Geheimrezept? Schuniwaschi-Joghurt... äh Yoga? Spirituelles Muskeltraining? 

Doc, woher wusstest du? *pssst*, nicht weitersagen ... gell ;) Das geht so: man suche sich einen geschichtsträchtigen Ort - in diesem Fall z. B. eine Burgruine und absolviere geheime Übungen und Tänze im Bannkreis der Geister und Dämonen *lirum larum Löffelstiel*  und schon fluten die Kräfte der Ritter und Burgfräuleins, die Energie, die sie diesem Ort eingehaucht haben auch die Körpe des dort Übenden. Oder verraten wir das doch und bieten - ist natürlich nicht ganz billig, sowas - neue Trendkurse dazu an?


Tatsächlich dienten die Übungen auf dem Tisch der Burgruine zunächst nur dem Posing - als ich aber feststellte, dass Iliosakralgelenk, Schultergürtel, Hüfte ... knirschen, knacken und ächzen ... da machte ich kurzerhand - oder kurzerbein? - Ernst draus und dehnte alle Sollbruch- und Meckerstellen einmal ordentlich durch.

Was gut tat - genauso wie das Wassertreten im Kneippbecken von Bockenheim.

Ob auch Wein und Saumagen - ja, ich habe ihn am Freitag abend be- und dann festgestellt, dass er zwar einigermaßen essbar ist, ich ihn aber zu meinem persönlichen und kulinarischen Glück genausowenig brauche wie z. B. Bratwürste und Konsorten - ob auch diese Komponenten am Erfolg beteiligt waren oder doch eher Minuten kosteten? Wir alle werden es wohl nie erfahren ... und letztlich isses auch Wurscht ... denn:


im Partnerlook am Start



ICH 

KANN

 MARATHON







Und der ging so, der LAUF:

Dass es schon morgens recht warm war, das sagte ich bereits? Es war sauwarm und wurde später schweineheiß. Im Zelt kurz Martin  mit Hans gefunden,  sich  bekannt gemacht bzw. kennen wir uns ja eigentlich schon ewig ... über die Blogschreiberei ... die üblichen Tätigkeiten: Klamotten abgeben, nervös rumhibbeln etc. abgespult, noch ein bisschen ausgeruht und dann ab in die große Menge der vielen Laufwilligen - die meisten jedoch gemeldet für den Halbmarathon.

Zunächst aber erspähten wir uns gegenseitig in der Startermenge: ein Tübinger Teilnehmer der M70, der ebenfalls das Shirt vom letzten Nikolauslauf trug. Sein Kommentar: "Dann können wir ja einen Paarlauf machen." Nach Austausch der Zeiten und heutigen Pläne stellte sich heraus: das würde sogar wirklich ganz gut passen! Wir starteten gemeinsam und obwohl kein bewusster "Paarlauf" stattfand, behielt ich tatsächlich das Partnerlookshirt kurz vor mir immer im Blick bis sich - irgendwo vor Kilometer 12 - die Halbmarathonläufer auf eine andere und Rückstrecke begaben.  Nee, so früh umentscheiden - DAS ging ja echt nicht. Hätte man mich nochmal 10 Kilometer später gefragt, dann vielleicht ... nee, auch dann wäre ich beim Marathon geblieben :)

Das dichte Läufergedränge am Anfang verhalf mir vermutlich dazu, auf den ersten beiden Kilometern genau das Tempo zu treffen, das ich mir als "Hitzekompromiss" für den Anfang vorgenommen hatte: den Sechserschnitt. Zwar hatte ich das erste Kilometerschild nicht gesehen - die Menschenmassen schoben sich dicht gedrängt durch enge Gassen und ich stand doch ein wenig zu weit hinten für mein Tempo. Aber beim zweiten Schild zeigte die Uhr 12 Minuten an - ich war's zufrieden.


Denn: obwohl ich Hitze bei Marathons nicht sehr mag und nicht immer gut vertrage - es ging mir gut. Die Strecke absolut schattenfrei - bzw. gab es in Grünstadt ein kurzes Stück in der Fußgängerzone, bei dem kleine Schattenpassagen auftauchten und dann in Bad Dürkheim an den Salinen entlang war auch etwas Schatten. Ich schwöre: das war alles! Maximal 500 Meter schmalster Schattenstreifen während des gesamten Marathon, bei dem sich die Hitze in den Weinbergen staute, die Sonne bretzelte und sich das Wetter überhaupt komplett hochsommerlich gebärdete. Erstaunlich für mich: es liefen viele Läufer trotzdem langärmlig - einige sogar mit Jacken. Unfassbar für mich, die mit kurz-kurz noch viel zu warm eingepackt war im Grunde. Aber noch weniger geht ja auch nicht ....

Am Ortsausgang von Bockenheim die erste recht flotte Bergabstrecke, gegenüber nach Asselheim dafür das erste Mal recht knackig bergauf ... beides erschien mir locker und leicht, ich ließ die ersten Versorgungsstände aus denn noch war ich nicht durstig und hatte schon bald Lauffreiheit im aufgelockerten Mittelfeld. Wobei es - solange die Halbmrathonis noch mit auf derselben Strecke liefen - doch auch immer mal wieder engere und gedrängtere Situationen gab. Aber nicht dramatisch oder wirklich behindernd.


Irgendwann kurz nachdem das HM- und M-Feld sich getrennt hatte, tauchte vor mir die erste wirklich knackige Steigung in den Weinbergen auf. Der reichlich genossene Morgenkaffee drängte aus der ziependen Sextanerblase, weit und breit weder Baum noch Busch oder Dixiklo und so hockte ich mich einfach völlig ungeniert in eine Rebstockreihe, entledigte mich mindestens nochmal eines halben Liters Ballast und lief auch diese Steigung locker und flockig hoch als wäre es nichts. Irgendwann sagte neben mir jemand was vom "5:30er-Schnitt", den wir gerade laufen. Ein bisschen erschrak ich mich - aber nicht zu sehr. Es fühlte sich nach wie vor gut an.

Bei Kilometer ca. 18 - am Fuße einer kilometerlangen und wunderbar zu laufenden Bergabpassage wartete zum ersten Mal Volker und fotografierte. Obwohl ich wusste, dass er Ersatzschuhe in einer Tasche hat - ich traue meinen inzwischen über 2 Jahre alten Adidas Adipure Motion nicht mehr so richtig weil sie zu schwächeln anfangen. Sie sind aber nach wie vor meine besten Bestzeitenjäger, die ich regelrecht hätschele und liebe - und ich seit Kilometer 10 merkte, dass sich an der linken Fußsohle eine Scheuerstelle gebildet hatte, hielt ich nicht an zum Wechsel sondern rief ihm nur zu, er solle sie beim nächsten Treffen bereithalten.

Lief schnöde vorbei, nahm kaum Tempo raus und überhaupt hatte ich bisher - ausser beim Pinkelstop - noch kein einziges Mal angehalten. Tauchte zwar inzwischen an jeder Versorgungsstelle meinen pinkfarbenen Schwamm im Form einer Weintraube in die Wannen mit kaltem Wasser und trank auch einige Schlucke Wasser, Schorle oder Isoplörre im Wechsel. Alles aber ohne anzuhalten: kurz die Stelle anpeilen, in der kein Gedränge herrscht und mit nur leicht abgebremster Geschwindigkeit im fliegenden Durchlauf schnappen, was geschnappt werden muss und im Laufen trinken. Auf so ein "Hetz- und Profigebaren" ;) wäre ich ja früher im Traum nicht gekommen bei Marathonläufen. Aber diesmal war mir jede Sekunde zu schade. Es lief - ich war im Flow. Später wechselte ich die Schuhe doch nicht - an meiner Fußsohle prangt zwar eine dicke fette pralle Blase - aber sie hält dicht und störte irgendwann überhaupt nicht mehr. Sie tat, was eine Blase tun muss: schützte die Reibestelle und damit vor Schmerzen.


Als beim Halbmarathonpunkt meine Uhr 2h01min zeigte, fand ich das zwar einerseits toll. Merkte jetzt inzwischen aber doch deutlich, dass ich der Hitze ihren Tribut zollen würde und von "negativen Splitzeiten" etc. heute keine Rede sein konnte. War mir hier und jetzt sicher: wenn ich jetzt nicht überziehe, dann habe ich meine neue Bestzeit im Sack! Aber Geschwindigkeit würde ich eindeutig rausnehmen müssen. Was ich tat.

Wenn's gut läuft und keine Dramen sich ereignen, dann lässt sich über so einen Marathon viel weniger lustiges und spannendes Zwischendurchzeugs berichten als bei Einbrüchen.

Es war irgendwo bei ca. km 30 als ein Sprecher in ein Mikro sagte: "Die jetzt hier durchkommen, befinden sich im unauffälligen Mittelfeld". "WOW", dachte ich: ICH im Mittelfeld eines anspruchsvollen Marathon. Und tatsächlich: auch im Ergebnis bin ich - wenn man Männer und Frauen zusammennimmt - ziemlich mittig gelandet (um das ganz exakt rauszufriemeln, müsste ich mir eine Mühe machen, zu der ich keine Lust habe - kommt aber ziemlich hin). Dass ich dort "unauffällig" war, störte mich (diesmal?) überhaupt nicht. Im Gegenteil: nicht wie sonst meistens um mich herum gähnende Leere und nur hier und da einige meist ähnlich abgekämpfte Mitstreiter und hauptsächlich schon recht ermüdetes Restpublikum, das unbedingt auch noch die Letzten zu Gesicht bekommen möchte. Nein! Diesmal waren immer noch Läufer und Läufergruppen um mich herum, vor mir, hinter mir ... nie alleine, nie abgeschlagen. Und - auch das fiel mir auf - die sahen doch glatt fast alle sportlich aus. So richtige MarathonläuferInnen irgendwie ...  und ich mittendrinnen ... 

Sorry - es gab nicht mehr viel. Auch diesen Event-Firlefanz: Rieslingdusche und Rieslingschwamm habe ich wohlweislich ausgelassen. Bin einfach nur gelaufen. Irgendwann an Steigungen vermutlich auch schneckenlangsam. Aber das war zu Zeiten, in denen ich schon an Scharen von Gehern vorbeilief. Auch bei mir fing irgendwann die Zähigkeit an und es fiel mir schwer. Und ich wusste: das gibt morgen Muskelkater!  Aber nie - auch nicht eine Sekunde lang - bestand für mich die Gefahr, selber gehen zu müssen. Kein Mann mit Hammer weit und breit - tschuldigung Chief-Balla, wenn ich tatsächlich (fast ;) ehrlich schreiben muss: "Ich bin den locker durchgelaufen" ;). Denn:

I C H   K A N N    M A R A T H O N!

Zieleinlauf


Statistik:

meine Zeit:  4:14:31

gesamt: gibt's keine Gesamtliste - irgendwo mittig (Sieger:  Yonas Kinde - M30 -  in 2:23:47)
Frauen gesamt:  Platz 57 von 162  (Siegerin: Prisca Kiprono - W30 - in 2:50:24)
W50: Platz 9 von 42  (Siegerin:  Ingrid Rolfes in 3:42:35)


danach

09 März 2014

mit 51 unter 49 - über's Ziel hinaus geschossen




Zunächst möchte ich  für Späteinsteiger, Nicht-Forenleser und Vergessliche kurz  rückgreifen  auf einen Blogbeitrag, den ich vor inzwischen ca. 2,5 Jahren im Forum von Runners World - als ich dort noch fleißig mitschrieb - veröffentlicht habe:


Beim Alter habe ich mich - inzwischen 51 aber damit immerhin noch in der W50 ;-) ein bisschen verspätet. Dafür zieht die heutige Zielzeit von sage und schreibe:

48 Minuten 43 Sekunden !  *jubel*

deutlich am eigentlichen Ziel von sub 50 nochmal vorbei.

Du bist 10000m in 48:43 gelaufen. Dabei hattest Du ein Gewicht von66.0kg, entsprechend einem BMI von 25.1. Das ergibt eine korrigierteZeit von 41:45 bei einem Wettkampfgewicht von 55.1kg.

Statistik:

Wertung gesamt: Platz 205 von 403 -  Sieger: Sebastian Nadler (M30) in 32:14
Frauen gesamt: Platz 28 von 118  -  Siegerin: Monika Rausch (WU30) in39:14
W50: Platz 1 von 9  -  Zeit: s.o. :-) und damit grandiose neue persönliche Bestzeit!

Der Lauf:

Zum Lauf "angereist" ;) endlich einmal wieder mein persönlicher Lieblingsfotograf, strahlte ich ihm eine Zuversicht ins Bild, die ich so in Wirklichkeit nicht wirklich spürte. Zwar hatte ich mir vorgenommen, die sub50 heute im Westpark zu versuchen. Wirklich sicher bzgl. des Gelingens war ich mir mitnichten. Der Westparklauf alles andere als ein typischer Bestzeitenkurs, mein mp3-Player wollte mit aller Gewalt nur demotivierende Songs in die Zufallsauswahl packen und die Startnummer so langweilig wie aussagelos - dazu mit einer Quersumme 13, wo die Sache mit der 13  im letzten Jahr beim Würzburgmarathon nicht wirklich der Burner war.

Wie gut, dass ich nur dann abergläubisch bin, wenn die Zeichen für mich sprechen ;o) und im gegenteiligen Fall denke: *püh* - dann doch erst Recht!

Leider trieb mich dieser Gedanke auf dem ersten - durchaus ordentlich ansteigenden! - Kilometer wieder in die Geschwindigkeitsfalle und meine Uhr zeigte mir völlig überzogene 4:32min - das Körpergefühl war entsprechend. Wie sagte mein bester Mann der Welt hinterher: "Irgendwie konnte ich keine wirklich guten Fotos von dir machen - du sahst aus, als hättest du die zehn Kilometer durchgeheult.! "JA GENAU! Das HABE ich auch!" Sauanstrengend war's!





Bei Kilometer 5  mit 23:46 ankommend ahnte ich, dass es klappen würde. Fühlte mich aber schon komplett am Ende. Fertig, vernichtet .. aber nützt ja nix, ich musste weiter und möglichst eine Zeit unter 50 Minuten hinlegen.


Urkunde, Pokal, Tombolagewinn-Plüschkäferchen und "Belohnung zu Hause"

Und so sehen die wirklichen Sieger aus: