05 Mai 2022

Jaén

 Dienstag, 03.05.22


Schon wieder eine Kathedrale. Und zwar eine, die als eine der schönsten und bedeutendsten von Andalusien gilt. Und schon wieder eine Stadt (etwas über 300.000 Einwohner), die unter Andalusienreisenden als "Geheimtipp" gehandelt wird. Was ich beides nicht wusste, als ich mir Jaén zum Ziel machte. 

Ich hatte es eher aufgrund der ungefähr geplanten Reiseroute und wegen des interessanten Namens ausgewählt. Die "Großen" wollte ich ja bewusst für diese Tour auslassen weil auch die Zeit nicht dafür reichen würde. Mich quasi den Highlights für den geplanten Herbst durch Anschleichen über die zweite oder dritte Garnitur langsam annähern. Treibe mich - mit Deutschland verglichen - sozusagen in den Münsters, Landshuts, Marburgs oder Triers des Landes herum. 

Um inzwischen daran zu zweifeln, dass es sich dabei um "zweite Garnituren" handelt. Es sind nur eben die bei den üblichen Standardtouristenzielen nicht inbegriffenen Ziele, von denen jeder in der Welt schonmal gehört hat. Trotzdem voller Bedeutung, Reizen und mit dem unschätzbaren Vorteil, nicht wie Freilichtmuseen zu wirken, in denen kein normales Leben dort wohnender Menschen mehr stattfindet.

Ein bisschen schmerzte es auf der Autobahn schon, an Orten wie Valencia, Malaga, Granada schnöde  vorbeizufahren oder die nur etwas entfernten Orte wie Ronda, Cordoba (die Stadt war es, die im Grunde den Ausschlag für meine erwachende  Andalusien-Lust gab) oder Sevilla mit Nichtbeachtung zu bedenken.

Was ich unterwegs ebenfalls erfuhr: es war die perfekte Entscheidung, den für einige Tage geplanten Aufenthalt an der Costa Blanca drastisch zu verkürzen. Denn direkt hinter mir tobte dort ein Unwetter los mit sintflutartigen Regenfällen, Überflutungen, einem Tornado und Extremgewittern. Das, was mir unterwegs und auch noch in Jaén und am Folgetag in Úbeda (kleiner Beitrag dazu folgt später) kleine Regengüsse und deutlich kühlere Temperaturen als an den Vortagen bescherte, war der Ausläufer dieser massiven Unwetter, denen ich durch die Umplanung glücklicherweise entkommen war.

Städte - und die Städte im Süden machen da keine Ausnahme - sind jedoch bei trüber Wetterlage und Kühle nicht im gleichen Maße heiter und angenehm wie bei Wärme und Sonnenschein.


So strolchte ich durch die Gassen, suchte wie immer auch die Erhebungen mit Möglichkeit zum Überblick auf, verfranste mich wie meistens mehrmals in den Seitenwohngegenden ohne jeglichen touristischen Reiz, an die ich mich dann aber oft am besten erinnere. 

Besonders gefallen  mir an Andalusien die vielen Bäume mit dichtem Behang an Zitrusfrüchten, die fast überall Parks und Plätze aber auch Straßenränder zieren und mit dem schweren Blütenduft die Gerüche dominieren. Zitronen und Orangen haben reife Früchte und neue Blüten gleichzeitig, was den Reiz noch erhöht. 


Ich suchte nach Läden, in denen ich hätte Andenken wie z. B. andalusische Töpferwaren erstehen können. Mitbringsel für zu Hause. Aber ich fand nichts dergleichen. Alte Reiseführer behaupteten, ganz Jaén wäre ein Markt für derartige touristischen Andenken. Das war wohl einmal ... momentan ist dort absolut kein touristisches Leben zu spüren. Sehr viele Läden bleiben auch außerhalb der Mittagsstunden und für immer dicht. Ein immenser Leerstand, überall "zu verkaufen" -Schilder in der Innenstadt. Coronafolgen?

Apropos "Corona": Spanien war - so erinnere ich mich zumindest - eins der ersten europäischen Länder, das Corona als endemische Krankheit und nicht anders als andre Krankheiten zu behandeln einstufte. Die Maskenpflicht wurde weitgehend aufgehoben. 

Und was erlebe ich in den Orten? Unglaublich viele Leute tragen weiterhin Masken. Im Supermarkt, in dem sich kaum Kunden befinden, tragen sowohl die Hälfte der Kundschaft als auch die Verkäufer weiterhin FFP2-Masken. Auch viele junge Leute. Und - für mich extrem merkwürdig und schwer zu begreifen: auch im allgemeinen Stadtbild haben noch mindestens 30% aller Leute Masken auf. Im Freien! An Außentischen von Cafés während sie sich unterhalten oder telefonieren. Es spazieren auch erst mittelalte bis junge Leute mit Masken alleine in Parks herum oder sitzen mutterseelenallein auf einer Parkbank ... mit Maske vor dem Gesicht. Auch viele Kinder tragen sie im Freien noch unter dem Kinn und setzen sie dann innen auf.

Wie geschrieben: nicht alle. Es sind in Innenbereichen vielleicht die Hälfte. Außen deutlich weniger. Aber es fällt auf. Keine  Ahnung, woran das liegen mag ... 

Irgendwann am späten Nachmittag öffnete dann auch die Kathedrale wieder ... hier macht über lange Mittagsstunden wirklich alles zu. Kirchen, Touristeninfos, Geschäfte ... alles öffnete in Jaén erst um 16:30 Uhr wieder. Hier gab es auch deutschsprachige Audioguides.




Auch hier lassen sich Größe, Pracht und Reichtum der Kirche nicht in Bildern einfangen. Aber es ist monströs. 17 Seitenkapellen mit unterschiedlichen Motiven, Säulen, Kuppeln, feinste Schnitzerreien, jedes Relief, jede Statue, ja sogar jedes Ornament von tieferer Bedeutung und bewusst genau auf diese Weise arrangiert. 

Hier spielen die kirchlichen Traditionen eine weitaus größere Rolle als in den meisten anderen Parts Europas. Ganze Wochen des Jahres und die Hauptfeste werden bis zu wochenlang mit Pomp und Getöse zelebriert, viele  Andalusier, die es über die Welt verstreut hat, nehmen in diesen Zeiten ihre Jahresurlaube und reisen in diesen kirchenfestlichen Zeiten an.

Hauptfigur, zentrale Gestallt, überall Mittelpunkt und weit und breit am meisten verehrt ist dabei Maria. Ihre Darstellungen und Statuen in pompöse wallende und an überprunkvolle Brautkleidung erinnernde Gewänder  gehüllt. Betende und andächtige Menschen an einigen Seitenaltären. Besonders in einer anderen Kirche  der Stadt fällt mir ein Seitenaltar auf, an  dem viele wechselnde Personen auf ihren alltäglichen Wegen einen Gebetshalt einlegen, sich bekreuzigen, eine Weile in andächtigem Gebet verharren, wenn möglich, eine der LED-Kerzen per Münzeinwurf "anzünden" und dafür streckenweise auf ihre Chance lauern müssen, bis auf der großen LED-Tafel endlich eines der brennenden Lämpchen verlischt, so dass sie ihre Münze einwerfen und es wieder aktivieren können. Dann gehen sie weiter. Neue kommen, beten, verharren, gehen weiter. 

Weil die übrigen Seitenaltäre weitgehend  unbeachtet bleiben und alle  nur  an diesem verharren und beten, suche ich nach einem plausiblen Grund dafür und lese, dass sich an dieser Stelle eine auch vom Vatikan anerkannte Marienerscheinung ereignete. 



Mich hat der Aufenthalt ermüdet. Zurück am Mobil, das auf einem riesengroßen fast leeren Parkplatz an einem Fußballstadion steht, ruhe ich mich etwas aus. Es beginnt  zu regnen. Gefällt mir nicht dort auf diesem Platz und so fahre ich noch am Abend weiter in Richtung der nächsten keine zwei Fahrtstunden entfernten Station Úbeda. 


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