24 Juni 2018

Aller guten Seen sind drei

Es muss nicht immer Laufen sein und nichtmal immer Joggen ;) Spaziergänge tun's auch!


Relativ spontaner Entschluss: Samstag Morgen ging die Fahrt mit dem Wohnmobil zum Plansee. Nicht gescheit vorbereitet, keine günstigen und etwas sparsameren Wohnmobilstellplätze ausgeguckt, keine Tour(en) vorbereitet oder gar ordentlich geplant, steuerten wir - Zeit ist Erholung - den ersten Campingplatz an, hofften auf reine Stellplätze für Wohnmobile, wurden aber auf einen Platz inmitten vieler Dauercamper verwiesen. Nicht wirklich günstig, überdimensioniert für unseren kleinen Pössl-Kastenwagen und letztlich wir minimalausgerütste Reisenden etwas deplatziert inmitten fester Aufbauten, Hütten, aufgebockter Wagen, Vorzelten, Vorgärten ... und als der Nachbar den Rasenmäher anwarf, da wusste ich genau, was in puncto "Camping" ich NICHT brauche.

Aber nun hatten wir den Platz bezahlt, für eine Nacht bezogen, die kurze Distanz zum See samt direktem Seeblick vom Bett aus durchaus ein Zuckerl und so machten wir das Beste aus der Situation: schnellen Kaffee trinken und ab auf die Rundwanderung um den See.


Der erste Teil des "Panoramawegs" mit hartem, spitzem Schotter bedeckt weil frisch und hässlich in den Hang gefräst - aber auch das kann den Ausblick nicht verderben.



Abstecher zu den Stuibenfällen mit eindrucksvollen Gumpen und der Gelegenheit, einer Gruppe beim Canyoning zuzusehen.


Interessante Einstiege und Badestegvarianten


Wie überall, die im Moment hippen Standup-Paddler unterwegs in sehenswerter Formation


Der Rückrundweg über wunderschön-idyllische Singletrails, die Stimmung immer verspielter.


Obwohl das Wasser lockte und recht warm war für die Höhe von fast 1000m ü NN - am Samstag gingen nur Füße und Beine kurz baden - gesprungen bin ich nicht.


und gefallen auch nicht - obwohl das Gegenteil von schwindelfrei


natürliche Ruhestellen und Panoramen reichlich


Genuss funktioniert auch mit Minimal-Outdoor-Campingausrüstung ...


.. und das morgendliche Erfrischungsbad im See ohne Badekleidung: Unterwäsche tut's auch.


Weil am Kopfende des Plansee noch der mit ihm verbundene Heiterwangersee lockt ....


.. führt der Weg nach Frühstück und Abfahrt vom Campingplatz an dessen Seespitze


Der Rundweg um den Heiterwangersee rundherum lauschig und idyllisch


für einen GutwetterSommerSonntag in Ferienanfangszeit erstaunlich wenig frequentiert


Nach zweistündigem Spaziergang geht die Fahrt schon wieder zurück ins heimische München

Und wieso DREI Seen, die alle guter Dinge sind bzw. waren? Schon am Donnerstag den 14. Juni stand für mich nach kurzer Stadtführung durch Murnau im Rahmen eines Betriebsausflugs dorthin  ein Rundlauf um den Staffelsee auf dem Programm (aber es fehlten Zeit und Muße für einen Blogbericht darüber). Gut 20 Kilometer durch Moorlandschaft und auch hier: Idylle, nasse Füße, Idylle, müde Beine  ...


♥   ♥   ♥

15 Juni 2018

Schweinereien beim Wutzseelauf ....

.... oder: Irrungen und Wirrungen


den Wutzseelauf als Abschlusslauf für das Länderspiel, in dem noch ein Lauf in Brandenburg fehlte, habe ich mir aus mehreren Gründen ausgesucht:

  • kleine, von Vereinen organisierte und damit meist sehr familiäre Läufe sind mir in der Regel sympathischer als die großen Massenevents
  • eine Schwäche hege ich insbesondere für Seeumrundungen
  • jeder Teilnehmer bekommt eine Medaille
  • Sollte ich diejenigen zehn Dichter, Denker und Schriftsteller nennen, die mein eigenes Denken in jungen Jahren am stärksten prägten, dann würde Theodor Fontane auf jeden Fall dazugehören. Und mit ihm eng verbunden ist nunmal die Mark Brandenburg.

Dass ich mit Muskelkater (es war nicht das erste Mal in meiner Lauf"karriere" der Fall) am Start stand weil in den drei Tagen zuvor ca. 40 Kilometer mit meinem kleinen neuen Rollerchen (Scooter) durch die heiße Mark Brandenburg gerollert und noch einige weitere Kilometerchen auch zu Fuß spaziert, das schrieb ich mir gelassen selber zu, ließ alle Zeitideen fallen und gedachte, am Wutzsee einen hübschen Landschaftslauf-Halbmarathon mit Sightseeinganteil (Schloss Meseberg)  abzujoggen. Zumal die herrschenden Temperaturen von täglich immer über 30°C wenig Lust auf Raserei machten.

Eine Kanone sollte zum Starte schießen, mehrere Versuche misslangen und so setzte sich die zahlenmäßig eher kleine Schar (deutlich unter 100) von Halbmarathonis auf Wortzuruf in Bewegung. Kaum hatten wir das Gelände verlassen, donnerte ein Kanonenschuss hinter den Läufern her, was deutlich hörbare Heiterkeit auslöste. Im hinteren Feld liefen ein Dutzend LäuferInnen im lockeren Verband teils lachend und schwatzend - auch ich war vor dem Start mit einem Berliner Läufer meines Alters ins Gespräch gekommen - auf den Wutzsee zu, in dem das Standbild der für die Liebe erfolgreich aus dem Kloster entflohenen Nonne einen kühleren Aussichtsplatz genießt als wir Läufer.



Bis Kilometer sieben verlief der Lauf, wie solche Läufe eben verlaufen. Erster Kilometer zu schnell (knapp unter sechs Minuten bei mir), ausbremsen, weiterjoggen und im 6:20er-Schnitt weiter bis Kilometer 7, bis wohin noch jeder Kilometer exakt und wunderbar ausgeschildert war. Die Strecke vom Rollern, Spazieren und Baden bereits bekannt, die Wege von Asphalt zu weichem aber wurzeligem Waldboden wechselnd, eine Steigung, Sicht auf Badeplätze, Wald, Wasser, Idylle.



Aber dann! Ein Schild weist eindeutig! in Richtung eines eher nach "halb zugewachsenem Waldarbeiter-Weg" aussehenden Pfades, der vom regulären Spazierpfad abwich (kein Foto stammt vom Lauftag da ich mein Handy nicht dabeihatte).


Es bildet sich ein kleiner zweifelnder Minipulk, wir sehen, dass die LäuferInnen vor uns in diesen Waldweg reingelaufen sind, diskutieren und überlegen zwar aber es siegt der Herdentrieb und alle laufen hinterher. Der Weg wird unwegsamer, die Zweifel stärker, die Vorläufer vor uns deutlich langsamer ... bis sie stehenbleiben und uns signalisieren: wir sind hier alle falsch. Der scheinbare weg endet in dichtem Unterholz, kein Weiterkommen, kein Pfad, kein Nichts. Feuchter werdender Waldboden, brackige Stellen - grauslicher wäre kaum gegangen ...

Kaum stehen wir, fallen Myriaden an Bremsen über uns her und beginnen, unsere Blutgefäße aufzuritzen und uns auszusaugen. Es ist bei heftigster Hitze ein gleichzeitig schwüler Tag. Dass die Gegend noch reichlich Insekten und damit auch Vögel beherbergt, hatte ich in den Tagen zuvor schon erfahren dürfen und mich glücklicherweise heute mit Essig eingerieben. Lange hält dieser eher schwache Schutz zwar nicht, bei diesem heftigen Verlaufer ins Unterholz bleibe ich zu meinem persönlichen Glück aber noch weitgehend verschont und die Bremsenschwärme verdunkeln hauptsächlich Körper und Kleidung der MitläuferInnen. Einige Stiche stecke auch ich ein, einige hatte ich schon vorher. Aber obwohl ich meistens zu den beliebtesten Mückenmahlzeiten zähle, leiden heute die anderen stärker als ich unter der Plage.

Die Gruppe wird größer, von hinten rücken weitere Verläufer nach. Wir bewegen alle zum Umkehren und kämpfen uns zurück durchs unwegsame Gelände auf den eigentlichen Weg. Drehen das Schild in die korrekte Richtung - schon jetzt ahnen wir: hier war Sabotage am Werk.

Es gibt einen Besenfahrradfahrer, der hinter den letzten Läufern langfährt. Er hat gesehen, wie wir das Schild umsteckten und scheint verwirrt bis empört. Ist sich sicher: es KANN nichts falsch gestanden haben. Kennt aber weder die Strecke, die auch er zum ersten Mal abfährt noch hat er einen Offline-Track dabei. Da es hier im Wald keinerlei Empfang gibt, lässt sich das auch von den Handybesitzern nicht nachträglich ändern. Wir sind komplett orientierungslos.

Eine Weile später taucht eine Weggabelung auf. Es stehen nur die ortsüblichen Wegweiser - KEINE Laufstreckenmarkierungen. Wieder wird diskutiert, überlegt, in beide Richtungen laufen einige Läufer um nachzusehen, ob irgendwo noch Schilder kommen. Ein Wegweiser schildert Meseberg aus, wo wir eindeutig hinlaufen müssen. Aber jetzt schon? Oder doch mit Schlenker? Wir wissen es nicht. Als ein Läufer, der die Gegend um Meseberg kennt, einfach dorthin weiterläuft und ich mich im Grunde anschließen wollte, kommt ein anderer vom anderen Weg zurück und verkündet, dass ein Stück weiter die Laufstrecke ausgeschildert wäre und: "DA geht's lang!"

Der Mesebergkenner zweifelt und läuft weiter. Ich schwanke und überlege ... dann siegt wieder der Herdentrieb und ich laufe der größeren Menge hinterher ... was sich - man ahnt es möglicherweise schon - als Fehler erwies. Der Waldweg führt recht steil bergab und man versinkt im feinen Sandboden des trockenen Waldes. Wie am allerbesten Sandstrand und auch an den Wegesrändern ist es nicht besser. Umso begeisterter sind alle, als uns schnellere Läufer aus entgegengesetzter Richtung weil umgedreht entgegenkommen und verkünden: "Alles Quatsch und alles falsch. Die Schilder standen nicht richtig - wir müssen dem Mesebergkenner folgen. Hier verläuft die ca. 15km-Distanz"

Jetzt wird's richtig bunt! Wie weiter? Inzwischen irren wir schon mehr als eine Viertelstunde orientierungslos im Wald herum. Es ist heiß, Mücken plagen, ich habe Durst aber keine Getränke dabei, die erste (von insgesamt nur drei!) Wasser-Verpflegungsstelle stand bei Kilometer fünf und ist schon Geschichte. Ein Teil der Halbmarathonis beschließt, den ohnehin nicht mehr als Halbmarathon zu beendenden Lauf auf die andere Distanz umzuwechseln (bei der die Schilder übrigens auch nicht stimmten - aber hier wurde abgekürzt ;), andere machen sich an den sandigen Anstieg zurück. Ich schwanke. Ginge ich zurück, würde ich vermutlich letzte werden. Alles, was vorher hinter mir lief, hat meines Wissens nach abgebrochen. Ganz sicher bin ich mir aber nicht und wer weiß, ob nicht noch spätere LäuferInnen auch durch den Wald irren.

Trotzdem: ich will Schloß Meseberg sehen, neige bekanntlich zu Sturheit und Trotzreaktionen und laufe nach sandig-steilem Rückaufstieg dem örtlichen Wegweiser Richtung Meseberg nach.

Es folgen Passagen über freies Feld und Wiesen. Dann taucht ab Kilometer Neun die Kilometerausschilderung wieder auf bleibt exakt und genau bis zum Ende. Keine Zweifel mehr gibt es daran, dass hier mutwillige Sabotage am Werk war und irgendwer mit Grün hinter den Ohren sich vermutlich sehr darüber amüsiert(e), die Läufer in die Wüste geschickt zu haben.

Hitze, Durst, alle Körperteile beginnen zu schmerzen. Dann irgendwann endlich ein weiterer Verpflegungsstand mit Wasser und Cola. Alle Ankommenden pausieren, bei einigen die Stimmung explosiv. Selber bin ich auch nicht wirklich gut gelaunt, stelle aber fest, dass meine Psyche vielleicht nicht mehr ganz so stoisch galgenhumorig ist wie sie es noch vor zehn Jahren in ähnlichen Situationen war, vergleichsweise aber noch halbwegs stabil. Zumindest schnauze ich nicht die armen Jugendlichen am Versorgungsstand an, die ja nun selber in der Hitze stehen und nicht Schuld am Dilemma sind. Ich frage sie, wieviele Morddrohungen sie schon einstecken mussten, was sie wenigstens - die Antwort lautete: "Ja, doch schon so einige!" ein bisschen aufheitert.

Selber denke ich an die unzuverlässige Startkanone und beschließe ab hier: "Wenn diese bescheuerte Kanone nachher im Ziel funktioniert, dann gehören die Verantwortlichen damit erschossen!"
Das wird mein Mantra, das ich - mich hört ja niemand, die Strecke wird zunehmend einsamer und fast immer bin ich alleine unterwegs - mehrfach laut vor mich hinsage und auch laut ausfluche: "Erschießen! Die gehören mit ihrer beschissenen Kanone erschossen!"  Es hält mich am Laufen, das Mantra. Immer wenn ich denke, es geht nicht mehr, grummelt ein deftiges: "Erschießen! Alle erschießen!" aus mir hoch und das mitaufsteigende Wuthormon führt irgendwie dazu, dass ich weiterkomme. Sogar noch einige wieder überhole, die vor mir schwächeln und gehen müssen.

Überlege, ob ich mich ihnen wandernd anschließe - Zeit spielt ja nun wirklich keine Rolle mehr. Merke aber, dass es mir besser bekommt, einfach stumpf im Kartoffelhirnmodus alleine weiterzuschlappen. Vier Kilometer vor dem Ziel eine Versorgungsstelle, auf die ich mit heraushängender Zunge kurz vor dem Verdurstungstod hechelnd zulaufe. Einer der beiden jugnen Männer läuft mir entgegen und bereitet mich auf die schlechte Nachricht vor: Wasser ist "schon lange"  alle. Es gibt nur noch Cola. Pisswarme, klebrige Cola. Kein Wasser zum Nachspülen. Ein kleines bisschen besser als zu verdursten ist das. Aber nur geringfügig.

Obwohl wirklich immer kurz vor dem Aufgeben und maximalkaputt verkneife ich es mir, die beiden sehr zerknirschten Männer klugscheißend zu fragen, warum denn nicht jemand entweder Wasser geordert hat oder mit Rad oder Auto - beides steht neben dem Tisch - losgefahren ist um ein paar Flaschen mit Leitungswasser zu füllen. Es sind nicht mehr viele Läufer, die noch kommen - aber für die wiegt ein Becher Wasser momentan fast wie Gold. Beide haben ein Handy und telefonieren auch ständig mit der Orga um zu melden, dass da gerade wieder eine durchgekommen ist. Zu Fuß noch vier Kilometer, auf der Straße wären es weniger ... keine Viertelstunden hätte es gebraucht, um die Problemlage aufzulösen.

Neben meinem Mantra: "Erschießen, alle erschießen!" fällt mir auch Fontane ein und eins meiner liebsten Gedichte von ihm:

Trost 

Tröste dich, die Stunden eilen,
Und was all dich drücken mag,
Auch die schlimmste kann nicht weilen,
Und es kommt ein andrer Tag.

In dem ew'gen Kommen, Schwinden,
Wie der Schmerz liegt auch das Glück,
Und auch heitre Bilder finden
Ihren Weg zu dir zurück.

Harre, hoffe. Nicht vergebens
zählest du der Stunden Schlag:
Wechsel ist das Los des Lebens,
Und - es kommt ein andrer Tag.

 (Theodor Fontane)

Ich laufe mit klebriger Cola und ohne Klugscheißerei weiter, erschieße auch im Ziel niemanden,  erfahre, dass noch einige LäuferInnen fehlen obwohl der Schlussradfahrer längst wieder im Ziel ist (sie tauchen später zum Glück wieder auf - alle haben überlebt: HappyEnd ;) und schlendere nach literweise Getränken und einer Bratwurst vom Grill irgendwann ermattet die gut zwei Kilometer vom Start zu meiner Pension.



Eingebettet war der Lauf in einen wunderbaren und gelungenen Kurzurlaub, in dem alle Pläne und Unternehmungen so gut gelangen, wie der Lauf misslang. Atmosphärisch-stimmungsvolle Pension mit sehr sympathischen Betreibern, wunderbare Eindrücke aus Rheinsberg (Kurt Tucholsky rangiert in meiner persönlichen TopTen-Liste eher noch vor Fontane ;) , Neuruppin und von den Rollertouren um und entlang diverser Seen und durch typisch Brandenburgische Kiefern- und Mischwälder mit oft extrem beeindruckenden Baumexemplaren.