24 Juni 2007

Druidinnen - Spaziergang

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Ein Spaziergang in der malerischen und sowohl landschaftlich aus auch kulturell interessanten fränkischen Schweiz soll's diesmal sein. Die eigentlich etwas längere Wanderung, die ursprünglich geplant war, fiel dem unsicheren Wetter mit heftigen Schauern zum Opfer.


Obwohl die etwas unkonventionelle Wegbeschriftung es streckenweise zur Suchralley werden ließ ...



... fanden wir nach einer waldigen Wegstrecke mit kleinen Höhlchen und häufiger werdenden Felsformationen ...




... den
Druidenhain




Erst beim Durchschlendern und drin-verlaufen wird richtig klar, dass es eine ziemlich große Fläche ist, auf der verstreut teils beachtlich große, moosüberwucherte, von Erosion streckenweise malerisch angeknabberte und von Baumwurzeln umschlossene Dolomitfelsbrocken wie von höherer Instanz wahllos ausgekippt rumliegen.





Dass diese Stätte auch heute noch für kultige Handlungen einiger Neuzeit-Hexen verwendet wird, darauf deuten Kerzenreste und drapierte Johanniskrautbüschel auf einigen Felsen hin.





Wir begnügen uns aber mit Schlendern und angucken. Geopfert wird niemand und nichts.
Nur ein bisschen Zeit.



Hier und da ein malerisches Dörfchen, ein etwas gerupft wirkender Maibaum, ein Brunnenhäuschen ....



und massenhaft Gelegenheit um festzustellen, dass mit Michaela wirklich gut Kirschen essen ist :o)


Dieses BayernTicket ist eine feine Sache!

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17 Juni 2007

Gratwanderung

Der Mittenwalder Höhenweg


Michael Pause schreibt in seinem Buch "Münchner Hausberge" über den Mittenwalder Höhenweg:"Die schöne, genussreiche und teilweise sehr luftige Tour über den bekanntesten Klettersteig des Karwendels verlangt unbedingt Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sowie komplette Klettersteigausrüstung."
Meine nagelneue Klettersteigausrüstung sollte heute eingeweiht werden - zum Kletterkurs hatte ich eine vom Alpenverein geliehen.
(Randbemerkung: insbesondere bei diesem Blogbeitrag lohnt es sich, die Bilder per Mausklick zu vergrößern. Sie gewinnen dadurch an Wirkung. Wobei sie andererseits auch dann nicht in so sehr hoher Auflösung vorliegen. Aufgrund der Menge wollte ich den Leser durch Wegall von Größe entlasten)



Sollte mich ein Leser darum beneiden, so nah an den Bergen zu wohnen, dem sei gesagt: an diesem heutigen Tag war ich in Sachen Klettersteig 15-16 Stunden unterwegs. Davon entfielen 5 Stunden auf An- und Abfahrt. Der Zug von München nach Mittenwald braucht allein fast 2 Stunden. Von "nah" kann also so richtig keine Rede sein. Aber nah genug, dass schon der Zug morgens um 6:30 Uhr ab München HBF gerammelt voll war mit Wanderern, Kletterern und Bikern, die ihre Räder in zwei mitgeführten Waggons unterbringen konnten.
Die heutige Tour ist etwas hochalpiner und startet gleich Auge in Auge mit ein paar Restschneefeldern, nachdem die Karwendelbahn uns in wenigen Minuten auf eine Höhe von über 2200 m ü. nN transportiert hat.



Der Mittenwalder Höhenweg wechselt zwischen deutschem und österreichischem Gebiet hin und her. Gigantische Aussichten bietet er nach beiden Seiten hin.

Noch frohgemut, frisch verschnürt mit der neuen Ausrüstung kann es wenig später losgehen.

Der "Chef" sprich: Gruppenleiter vom Alpenverein sammelt seine Schäfchen und zählt immer mal wieder durch, ob auch keines zwischendurch verloren gegangen ist. Gegangen wird aber nicht immer in geschlossener Gruppe, sondern für manche Abschnitte entstehen auch größere Lücken zwischen den Teilnehmern. Wie immer bei Klettersteigen muss jeder sein eigenes Tempo-und Sicherheitsgefühl finden und beachten.

Im Grunde gibt es auf der ersten Hälfte des Klettersteigs keine wirklichen Schwierigkeiten. Man muss sich wieder an dieses Gefühl gewöhnen, sehr nah am Abgrund entlangzuhangeln. Schwindelgefühle zu beherrschen oder sogar irgendwie abzustellen. Das dauert eine Weile und verhindert so etwas den Genuss der wunderschönen Ausblicke rundum.
Schon früh erscheinen auf der Strecke die ersten - noch zahmen und harmlos kurzen - Leitern, bei denen es mir meist völlig unnötig erscheint, mich mit der Ausrüstung abzusichern. Hier enwickele ich keinerlei Ängstlichkeiten und vertraue meinem sicheren Stand und nicht den Karabinern.


Auch der Grat ist meist breit genug um das Gefühl zu haben, nicht so schnell runterfallen zu können. Anfangs wieder diese Hemmung, sich angesichts der großen Höhe und beidseitigen Abgründe, aufrecht gehend und womöglich noch flott vorwärtszubewegen. Das Hirn signalisiert ja doch erstmal: "Vorsicht!" Meinen Helm habe ich noch nicht aufgesetzt. Hier oben ist die Steinschlaggefahr eher gering, fand ich ;-)


Aber dann kamen sie natürlich doch noch: die Stellen, bei denen auch mir wieder mulmig wurde. An vielen Stellen waren - hauptsächlich weil's dort keine geeigneten Felsen gab - keinerlei Drahtseilversicherungen angebracht obwohl es auf krisseligen Rutschsteinchen dicht am Abhang liegende steile Wegpassagen zu bewältigen gab. Hier ist hohe Konzentration Pflicht. Die Umgebung wird unwichtig und verschwindet aus der Wahrnehmung. Jede Fußbewegung erfordert bewußtes Denken, die Blicke kleben am Boden.
Viel später kamen auch noch einige sehr kitzlige Stellen am Fels. Aber dort war - wegen Steinschlaggefahr (und es kamen auch mehrere kleine und auch größere Brocken runtergerumpelt) jedes Stehenbleiben verboten. Außerdem konnte ich immer nur an Stellen fotografieren, an denen ich niemanden behindert habe. An den wirklich kritischen Stellen ist jedes Überholen unmöglich, oft entstehen kleine Staus weil einige sehr langsam passieren. Hier kann man - wenn man selber dran ist - nicht einfach stehenbleiben und knippsen. Mal abgesehen davon, dass ich - wenn in so einer Passage mittendrin - selber nicht immer die Nerven hatte, in meiner Hosentasche nach der Diggicam zu friemeln, sie einzustellen ... etc.


Am Fuße dieser Leiter für die "Feuerwehrübung" die erste von drei Gedenktafeln, die ich im Laufe der Strecke gesichtet habe. Leitern - das merke ich an dieser recht langen und luftigen ganz sicher - schocken mich nicht. Ich passiere sie größtenteils ohne eingehakte Sicherung, weil mir das mehr Zeit zu kosten scheint als es an Sicherheit bringt.

Und so ging es denn Stunden um Stunden weiter. Am Fels entlang,





über einige glitschig feuchte Holzstege, die netterweise über extrem ausgesetzten Stellen angebracht waren




oder immer wieder auf direkten Gratpassagen - streckenweise mit Drahtseilversicherung, streckenweise aber auch wieder ohne.

Immer häufiger löst sich auch der Blick von Füßen und Felsen und genießt die Postkartenidylle bei Postkartenwetter.
Diesen Steig sollte man nur gehen, wenn wirklich sicher ist, dass kein Gewitter aufziehen wird. Es gibt keine Möglichkeit, zwischendurch auszusteigen, man wäre quasi Blitzfänger und auf der stundenlangen Route gibt es nur einen einzigen kleinen Bretterverschlag als Schutzmöglichkeit.


Es wird einem kaum bewußt, dass der Grat - einfach so im Vorbeigehen - gleich 4 Gipfel passiert.



Ja - hoch isses scho ...



Und der Scherzkeks, der an dieser einzigen Schutzhütte im Fels dieses Fahrradverbotsschild angebracht hat, hat sich im Laufe der Jahre viele ungläubige oder amüsierte Lacher gesichert.
Es ist sicher eins der meistfotografierten Motive der gesamten Tour.




An manchen Stellen kam es mir so vor, als wäre weniger Eisen auch manchmal mehr gewesen. Gut für den Showeffekt und für Fotos, die ein bisschen was hermachen, sind diese Tritte allerdings ;-). Schwierige Passagen ohne Eisen und nur mit Fels oder Stein lassen sich dagegen fotografisch kaum festhalten weil die Brisanz aus Neigungswinkel, Rutschigkeit etc. auf dem Bild fast nie erkennbar wird.



Der "Chef" bestand darauf, dass auch ich mal auf einem Foto selber drauf bin, wo ich doch ständig alle anderen knippse.



um sich dann von mir beim sinnierenden Blick in die Landschaft wiederum ablichten zu lassen.






Auch die Zwischenrast wurde in luftigen Höhen abgehalten. Alle sind noch guter Dinge.
Danach ging es nochmals ca. 1,5 Stunden auf dem Steig weiter. Diese Passage aber ohne Fotos von mir, weil ich es gelegentlich auch gerne mal genieße, einfach nur zu genießen und nicht ständig zu klicken.
Eine ungeheuer fitte Truppe war das: 4 Frauen, 4 Männer - Alter zwischen ca. Ende 20 und ca. Ende 40 und keinem mangelte es an Ausdauer und Kraft. Meine Lauferei sicherte mir daher nicht nur keinen Vorteil - ich war zum Schluß heilfroh, mit den anderen noch mithalten zu können.



Hier - für unsere Gruppe nach ca. 4 Stunden - endet der offizielle Klettersteig. Körperlich geht es allen noch wunderbar. Aber müde sind die meisten doch. Nicht nur die körperliche Anstrengung frißt Ressourcen - auch die dauernde Konzentration und Aufmerksamkeit erschöpfen auf ihre Weise. Jetzt wird das Klettersteigset ausgezogen, verstaut und es geht nach einer Pause an den 1400 hm tiefen und weit zu laufenden Abstieg nach Mittenwald.



Womit ich nicht mehr gerechnet hätte und was für mich eindeutig brenzliger war als der ganze Steig: auch hier im Abstieg tauchen geröllige steinkrisselig rutschige Felder auf, die - unter ihnen der sichere Rutschabgrund ohne Zwischenhalt - passiert werden müssen. Hier fiel ich deutlich zurück und ließ Nerven. Meine Schuhe - keine sonderlich stabilen Einfach-billig-Treter (die teuren Lowas fristen wegen der von ihnen verursachten Mittel- und Vorfußbeschwerden zu Hause ein ungetragenes Dasein) boten hier keinen Halt. Immer wieder geriet ich ins Schwimmen und Gleiten und eierte im ich-mach-gleich-in-die-Hose-Look hinterher.




Irgendwann allerdings wurde der Untergrund wieder vertrauenswürdiger, die Baumgrenze war passiert, die Gewächse nahmen an Größe schnell zu und ich konnte wieder im Trabschritt zur Truppe aufschließen.





Dann endlich eindeutige Zeichen wiedergewonnener Zivilisation was in Form einer halben Radlermaß gewürdigt wurde.



Noch weitere 1,5 Stunden und 600 Höhenmeter später konnten wir von unten nochmal den Berggrat betrachten, den wir heute entlanggeklettert sind. Sieht von hier eigentlich gar nicht so schlimm aus ;-)
Resümé nach 4 Kletter- und weiteren 4 Wanderstunden (reine Gehzeiten): verkaterte Beine, die keine Treppe mehr runtergehen wollen, höllisch brennende Fußsohlen und ein saftiger Sonnenbrand. Und die Gewißheit: "Sowas machste bald wieder mal"!
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10 Juni 2007

schön ist es am Schönberg

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Um 5:00 Uhr bin ich aufgestanden. ICH! An einem Sonntag!


Strohverwitwet wollte ich an diesem sonnigen Tag testen, wie es sich ganz alleine in den Bergen wandert. Wie sich das anfühlt. Alleine war ich oft unterwegs und habe es geliebt. Aber nicht ganz alleine, sprich: ohne meinen Quax.


Ich hätte mir am schwarzen Brett des Alpenvereins eine/n Mitwanderer/in suchen können. Da steht immer was. Oder selber eine Tour anbieten und Mitwanderer suchen. Wollte ich aber nicht. So war ich frei, aufzustehen oder es zu lassen, fahren wann, wohin und wie weit ich will. Meine Meinung und Pläne womöglich noch kurzfristig zu ändern. Mußte nicht mailen, telefonieren, besprechen ... ich hab' das schon manchmal gemacht und kenne die Tücken einer Fremdverabredung. Sämtliche bekannten potenziellen Mitwanderer waren aber anderweitig unterwegs. Also mal wieder alleine.


Ausgesucht hatte ich mir eine Tour von einer meiner diesbezüglichen Lieblingswebseiten. Irgendwann entdeckt und festgestellt, dass hier viele wunderbare Touren sehr ausführlich beschrieben sind. Mit Kartenausschnitten und allem pipapo. Gut umrissen, um eine Vorstellung zu bekommen. Und vor allem: es sind Touren dabei, die in der gängigen "Münchner-Hausberge"-Literatur nicht vorkommen und die ich auch an anderen Stellen kaum beschrieben gefunden habe.





Die (hauptsächlich positive) Folge davon bekam ich bald zu spüren, als ich gegen 7:00 Uhr in Fleck bei Lenggries zur Wanderung auf den Schönberg startete. Weit und breit keine Menschenseele zu sehen oder zu hören. Nur Vogelgezwitscher, das - gelegentlich unglaublich laute - Plätschern und Rauschen vieler Bergbäche und Wasserfälle.





Später kam noch das Brummen, Surren und Schwirren unzähliger Insekten dazu, die die bunten Bergwiesenwelt abweideten.





Nach einer Waldwegpassage führte der Weg auf wurzelige und oft feuchtmatschige Waldpfade. Es ging stramm bergauf und eigentlich hatte ich mir vorgenommen, heute zügig zu marschieren.


Aber dieser Plan wurde schnell wieder fallengelassen. Angesichts der abwechslungsreichen Szenarien, der immer wieder auftauchenden Ausblicke, der Blumen, Aussichten, Einsichten, der totalen Menschenleere ... angesichts all dieser Dinge verfiel ich in eine Art Genussrausch. Niemand da, auf dessen Gehrhythmus ich Rücksicht nehmen musste. Jedes Foto konnte anvisiert werden, so oft und so lange es mir gefiel. Setzt der Schmetterling sich noch auf die Blüte, erwische ich den noch, laufe ich ihm hinterher? Ich konnte vom Weg abweichen und Nebenansichten betrachten, an Wasserfällen spielen, trödeln und träumen ganz wie es mir beliebte.




Der Weg zog sich. Aber das war nicht schlimm. Auch die Steigung - insgesamt an diesem Tag gute 1000 hm - war nicht halb so anstrengend wie sonst üblich.




Zwischendurch zerrieb ich wilde Kräuter und schnupperte genussvoll an Dost, Holunderblüten, Wiesensalbei und Pfefferminze. Futterte aromatische Walderdbeeren und fühlte mich ganz wie im Garten Eden.


So ließ ich die Höhenmeter wie von alleine hinter mir, kam höher und höher ...

und konnte bei Maria-Eck, einem Grat, den ich nach ca. 3 Stunden erreichte, erstmals "auf die andere Seite" sehen. Frontal gegenüber schaute ich zu den "Zwillings-Felsen" Roß- und Buchstein mit der Alpenvereinshütte in ihrer Mitte. Auch dort hatte ich vor Jahren schon gesessen und die herrliche Aussicht genossen.

Dann ging es noch eine Weile weiter bis zum Gipfel. Die Ausschilderung war schlecht, der Weg recht felsig. Einige Male kam ich vom Weg ab, landete in Sackgassen und mußte durch Matsch zurückwaten. Schuhe und Beine schlammverschmiert, schaffte ich es aber schließlich doch bis zum Gipfel.

Dort erschien das komplette Rundum-Alpen-Panorama, für das es sich immer und immer wieder lohnt, bergauf zu kraxeln, zu keuchen und manches mal heftig zu schwitzen. Hier oben am Gipfel, nach fast vierstündiger Wanderung, begegneten mir - von der anderen Seite hochkommend - die ersten Mitwanderer des heutigen Tages.



Die mitgenommene Brotzeit mümmelnd, bestehend aus Äpfeln, einer Käsesemmel, Fruchtmolke und einem Schokoriegel, genoss ich die Aussicht in das Isartal vom Sylvensteinspeichersee bis nach Bad-Tölz. Schemenhaft ließ sich in der Ebene sogar München ausmachen - zumindest wenn man wußte, wo es liegt ;-)





Auch mein so geliebtes Jachenau-Tal läßt sich vom Gipfel des Schönberg in voller Länge betrachten.

Nach der Gipfelrast war laut Tourenbeschreibung ein Teil des Weges - bis Maria Eck - zurückzugehen. Um dann von dort weiter zur Lenggrieser Hütte zu wandern.





Schon bei Maria-Eck wimmelte es von Warnungen für die Strecke: "nur für Geübte" und dann noch mehrmals das Hinweisschild des Alpenvereins: "Alpine Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich."

Na, wenn hier jemand alpine Erfahrung hat, dann doch wohl ich ... und ohne auch nur einen Hauch von Zweifel wanderte ich die beschriebene Strecke weiter. Wieder war ich völlig alleine auf der Strecke. Weit und breit kein anderer Wanderer zu sehen. Manchmal war ich doch froh über mein Handy im Rucksack. Einfach nur zu wissen, dass es für den Fall des Falles *kalauer* zu orten wäre.





Auf Dullinger-Web, in der Tourenbeschreibung heißt es über diesen Abschnitt:
"Der weitere Weg führt sehr schön zwischen den Felsen hindurch und man muss an einigen Stellen Hand anlegen, um weiterzukommen. Auch wenn man hier noch nicht von Kletterei sprechen kann - mit den Händen in den Hosentaschen kommt man nicht weiter."

Als die angekündigten Felsen auftauchten, juchzte ich innerlich auf. Tatsächlich: einerseits völlig ungefährlich - das schlimmste, was frau sich hier holen könnte, wäre ein verknickster Fuß (und das kann schließlich immer überall passieren) oder ein paar Schrammen und Risse. Aber kaum zu erwarten, dass auch nur annähernd so blau-grün-lila schlillernde Flecken zu holen wären, wie ich sie vom Kletterkurs mitgebracht habe. Also rein ins Vergnügen, Kletterhandschuhe an und endlich auch mal wieder die Arme, Hände und Oberkörper aktiv einsetzen dürfen.




Sogar ein paar Eisen im Fels und eine kleine Leiter, das ist ja wie Weihnachten :o)))





Aber kurz darauf stürzt die gute Laune in Bruchteilen von Sekunden in sich zusammen. Ich stehe an der Stelle, die in der Tourenbeschreibung mit

"Nachdem man die Felsen verlassen hat, erreicht man an einem steilen Hang eine sehr ausgesetzte Stelle, an der Vorsicht nötig ist"


beschrieben ist.

Die vermutlich der Grund dafür ist, dass der Alpenverein so eindringlich warnt. Dass man diese Tour in der gängigen Literatur nicht findet.
"Sehr ausgesetzte Stelle" bedeutet schlicht: Der Weg setzt meterweit aus. Sprich: er ist weg!
Das wäre ja noch nicht so tragisch. Man erkennt unterwegs oft keinen konkreten Weg und hangelt sich irgendwie durch Wald, Wiese und Fels.

Dummerweise ist er hier an einer Stelle weg, an der eine Felswand mehrere hundert Meter in die Tiefe fällt. Es gibt im Verlauf dieser Meter nur einige Trittstellen und Möglichkeiten, sich festzuhalten. Tritte, auf die der Fuß gerade so paßt oder auch mal nur zu 3/4. Waagerecht sind es geschätzte 6 bis 8 Tritte, dann geht es um eine Felsnase. Was dahinter ist, sehe ich zwar nicht genau. Aber es ist zu ahnen, dass man von dort ca. zwei Meter nach oben klettern muss. Auch nicht die Welt. Alles in allem ist es nur ein wenige Meter langes und hohes Stück, das weglos überwunden werden muss. Und es gibt gute Trittmöglichkeiten.


Was also stelle ich mich an? Wäre da nicht diese abfallende Felswand *würg*, dann hätte ich gar keinen Zweifel, auf diesen Tritten und mit diesen Haltemöglichkeiten durchzukommen.


Dummerweise ist da aber die Wand. Steil. WENN man fallen würde, dann gründlich und endgültig. Ich habe schon an harmloseren Stellen in den Alpen Gedenktafeln für Verunglückte gesehen. Hier ist noch keine. Wäre also noch Platz für: "Hier verunglückte am 10. Juni.2007 Elisabeth ... " Hmmmm .... Ich bin so angespannt, dass ich völlig vergesse, die Diggicam auszupacken. Aber vermutlich hätte die die Stelle nicht wirklich "einfangen" können. Jedenfalls nicht, solange kein Mensch zum Vergleich an exponierter Stelle positioniert ist. Selbstauslöser käme hier nun wirklich nicht in Frage *harhar*

Ich überlege ernsthaft, einfach umzudrehen. Eine Stunde Weg etwa wäre es, um wieder auf den Hinweg zu treffen und diesen einfach schnöde zurückzumarschieren. Wäre auch noch kürzer. Hmmm ... Sieht ja keiner, weiß ja keiner ... Hmmmm

Doch! ICH würde es wissen und mich ärgern. Wozu hab' ich denn eigentlich einen Kletterkurs mitgemacht? Dumm nur, dass ich hier keine Ausrüstung dabeihabe. Würde mir allerdings nix nützen. Es sind keine Sicherungsanker in der Wand.

Lächerlich! Die paar Meter! Nicht anstellen - bisschen Mut! An irgendwas muss frau ja sterben.
Sohn ist erwachsen, erfolgreich im Beruf, glücklich verbandelt. Und der Hund ist tot.

Volker könnte mich vielleicht noch vermissen. Will ich mal hoffen, dass er das täte ;-) Aber der paddelt zur Zeit im Kanu durch Kanada. Dort gibt es Bären, Wölfe, kaltes Wasser, Schlangen ... viel gefährlicher als ein ein paar Meter weit wegger Weg.

Augen auf und durch! Ganz nüchtern die Tritte schonmal im Geiste durchgegangen und innerlich vorgestellt. Stück für Stück. Den üblichen Fehler: zuviel Hast! vermeiden. Konzentriert. Langsam. Sicher.

Ich gehe einen ersten Schritt in die ausgesetzte Stelle hinein und wie auch in den Klettersteigen schießt ein Schub Angst durch den Körper, der zunächst dazu führt, dass die Knie wie Butter werden und - genau wie die Hände - unkontrolliert zu zittern beginnen.

Das Gefühl kenne ich nun schon. Es gilt, das zu zügeln. Konzentrieren. Beherrschen. Noch ein Schritt. Das Zittern hört auf. Zwei, drei, vier weitere Tritte. Unter mir der Abgrund. Ich fühle mich bis in die Haarspitzen aufgepuscht aber sicher.

Hinter der kleinen Felsnase kommt ein etwas breiteres Trittstück, so dass ich verschnaufen kann, bevor ich mich auf den letzten Abschnitt - die zwei Meter aufwärts - begeben kann. Es sieht alles gar nicht so kompliziert aus. Steil. Aber nicht weit, gute Tritte in perfekten Abständen.

Haltemöglichkeiten an Steinen und einigen Koniferenwurzeln, die oben wachsen und streckenweise etwas herunterhängen. Oben allerings ein dicker Latschenkieferast. Direkt vor dem Ende des kleinen Aufstiegs, bevor es wieder auf ebenere Fläche und Weg geht (so nehme ich an - wirklich sehen kann ich nicht, was oben kommen wird), dieser dicke Ast. Zu dick, um sich beiseite biegen zu lassen. Starr sieht er aus. Drüber wegkommen geht nicht. Zwischen Ast und Fels scheint mir aber kritisch wenig Platz zu sein. Komme ich mit Rucksack da durch?
Es kamen wohl bisher alle durch - warum also ich nicht auch? Ist sicher breiter als es scheint.
Hochgeklettert: tatsächlich - relativ breit. Eng am Felsen hangele ich mich zwischen dem dicken Ast (oder war es eine Wurzel?) durch. Plötzlich: *rschhhh* ... haben sich diese blöden Trecking-Stöcke, dich ich heute (nachdem sie mir vor 3 Jahren geschenkt wurden) erstmals testen wollte (für relativ unpraktisch befunden und wieder hinten in der Schlaufe am Rucksack befestigt), an der Latschenkiefer verhakt.

Na prima! Was nun? Ich hänge fest. Ich müßte nur einen Schritt rückwärts ... aber rückwärts sehe ich nicht, wo ich hintrete und Halt finde. Und noch immer hänge ich über dem mehrer hundert Meter tiefen Felsabgrund.

Mit Mühe halte ich die aufkeimende Panikattacke in Zaum, setze schlicht den Fuß etwas schief, ducke mich mit dem Oberkörper rückwärts, drehe ihn dann seitwärts. Die Stöcke lösen sich, passen auch mit durch die Lücke und *schwupps* schwinge ich meine Beine über die Felsen und bin tatsächlich wieder in Sicherheit.

Der weitere Weg führt über ziemlich einfaches Terrain und ich kann im gemütlichen Weiterschlendern Adrenalin und Höhenmeter wieder abbauen. Später komme ich zur Lenggrieser Hütte, die ich schon von der letzten Schneewanderung kenne. Ab jetzt gehe ich auf bekannten Wegen. Mache noch eine Rast, hier - wo viele Wege zusammentreffen - sind mit einem Male relativ viele Wanderer unterwegs. Halte einen Schwatz mit einem anderen Alleinwanderer, werde müde und verpasse in meiner Schlendrigkeit den Abzweig zum direkten Rückweg nach Fleck. Als mir das auffällt, liegen schon viele abgebaute Höhenmeter hinter mir, die ich auf keinen Fall nochmals hochwandern will. Also wandere ich nach Lenggries und mit noch einigen zusätzlichen Kilometern von dort wieder nach Fleck.

Aus der bei Dullinger-Web beschriebenen gut 6-stündigen Wanderung ist eine 8-stündige geworden. Allerdings ist darin ca. eine Pausenstunde enthalten. Aber ich bin müde. Verschwitzt. Trotz einiger Erfrischungs-Stops an kalten Bergbächen.


Es war toll - aber ich bin froh, wieder zu Hause zu sein.

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