22 Juli 2024

España verde - Sprachwoche in Asturien

 Asturien ist der kühlste und grünste Teil von “la España verde”, dem “grünen Spanien” im Norden des ansonsten doch eher heißen und trockenen Landes. Um grün zu sein, braucht’s Wasser und so las ich in einem Bericht über die Region, dass sie auch deshalb touristisch nicht überlaufen sei, weil der häufige Regen samt Nebel eine natürliche Barriere gegen “Overtourism” bildet. Durchschnittlich regnet es an der Hälfte aller Jahrestage. Wobei ich mir im Juli  etwas höhere Chancen auf auch Gutwetterslots ausrechnete aber doch auch Regen einkalkulierte. Alles, was ich über Asturien las und anschaute, ließ die Neugierde wachsen.

Buchte den Flug - in den Sommermonaten wird der kleine Flughafen an der Küste Asturiens jeweils Samstags einmal von München aus direkt an- und abgeflogen - schon sehr günstig einige Monate vorher und flog am Samstag den 13.Juli los. 

Die erste Unterkunft in der größten Stadt Asturiens, in Gijón - sprich “Chichon” mit zweimal Kehl-CH  (oder auf Asturianisch: Xixón - sprich “Tschitschon”), hatte ich schon vorab in München für drei Nächte gebucht; die Folgetage nur grob vorgedacht und später vor Ort konkret festgezurrt und angesteuert.


Viel! Sehr, sehr viel! Könnte und würde ich am liebsten über diesen unglaublichen Landstrich schreiben weil er mich begeistert, manchmal erstaunt und auch berührt hat. Die vielen gelernten Neuheiten - Stichwörter wären z. B.:  Sidra, Sprachidiome, Brauchtum, regionale Küche … und vieles mehr ..

Weil ich aber weiß, dass langatmige Blogbeiträge es seltenst schaffen, diese innere sehr individuelle Berührtheit und Interessenspunkte auch zu transportieren, begnüge ich mich mit Eindrücken und Zusammenfassungen oder Überblicken. Was sicher schon lang genug bis ultralang werden wird :)



Ja, es gibt in Gijón viele Hochhäuser, die die Küstenansicht stark prägen. Die ca. 350.000 Einwohner wohnen größtenteils dicht und eng. Durch die lange und ausgedehnte Küstenlinie mit den ausgedehnten zwei Sandstränden und die dahinter verlaufende Strandpromenade wirkt es trotzdem sehr frei, offen und weit. Die Altstadt, eine weite Fußgängerzone, viele ansprechende Grün- und Aufenthaltsflächen, Bars, Cafés, Eisdielen … all das macht die auf den ersten Blick fehlende “Urlaubsskyline” locker wieder wett.



Während in München Temperaturen über 30°C herrschen, lustwandele ich am Abend lange bei Temperaturen um die 20°C (auch tagsüber steigen sie dort während meines Aufenthalts nie über 25°C an), einer nur leichten Brise von der Biskaya (die allerdings die Kraft der Sonne soweit “verniedlicht”, dass ich mir dort trotz allen Wissens darum einen deftigen Sonnenbrand einfange ;-( ) bis in die späten Abendstunden durch Straßen und Strände entlang. Möwen kreischen, es riecht nach Meer, Seetang und Fisch, Salzgeschmack bedeckt schnell die Lippen - leider lässt sich dieses unverwechselbare Meergefühl nicht in Bildern transportieren. Die Sonne geht erst gegen 22:00 Uhr unter.



Den Sonntag und auch den Montag verbringe ich bei langen Spaziergängen entlang der atemberaubend schönen Küste. 



Lasse mich auch treiben, verweile an weitgehend einsamen Stränden, brauche ein bisschen, bis ich mich in diesen vor Ort doch sehr mächtig und stark wirkenden Pazifik auch zum ein wenig Schwimmen reintraue. 




An Tag eins - ein Sonntag - stelle ich fest: ich hab’s übertrieben. Nicht nur der Sonnenbrand sondern auch die inzwischen stark schmerzenden Fersen und ein Ziehen in der kürzlich etwas überdehnten Wade sagen mir: besser nicht zu Fuß zurück sondern eine motorisierte Variante suchen. 

Insgesamt bin ich in dieser Woche in Asturien mit Bussen unterwegs. Schon vom Flughafen nach Gijón habe ich den Bus genommen. Die spanische Haupt-Busgruppe Alsa verbindet so ziemlich alle zentralen Orte; ich habe mir die App auf’s Handy geladen und komme auch recht flott damit zurecht (sportlicher ist es für mich am Anfang manchmal, an den sehr großen Busstationen die Unsicherheiten auszuräumen und auch wirklich am korrekten Abfahrtspunkt im richtigen Bus zu landen. Aber es übt sich schnell und die Sicherheit wächst).

Hier draußen im Nichts allerdings fahren Ortslinien … sagt Google Maps … und irgendwann finde ich auch eine Bushaltestelle an einer eher kleinen und staubigen Straße. Während ich versuche, bei schlechtem Mobilempfang rauszufinden, ob und wann evtl. ein Bus kommen könnte, hält ein Auto und der ältere Herr darin fragt mich, ob ich nach Gijón möchte (was an dieser Stelle eigentlich relativ selbstredend ist ..), ich bejahe und *schwupps*, habe ich ein privates “Taxi” zurück zum Hotel. “Hier muss man ja nichtmal trampen um mitgenommen zu werden”, denke ich erfreut :-) und nutze einmal mehr die Gelegenheit, meine rudimentären Spanischkenntnisse an den Mann zu bringen.




Die Sprache ist es im übrigen, die mich in erster Linie hierhergeführt hat. Meine Lerneinheiten im “Institut Cervantes” gehen doch deutlich langsamer voran als ich es mir in der anfänglichen Euphorie vorgestellt hatte und nun, wo der Übergang vom Teil 2 zu Teil 3 und damit letztem Abschnitt des Sprachniveaus A2 ansteht, wollte ich die einmal wöchentlich besuchte Theorieübung mit etwas Praxis würzen. Erzwungen auch durch spontane Standortwechsel, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Provozieren von Situationen, die Sprache erzwingen. 

Sobald jemand, der des Englischen mächtig war (längst nicht alle dort sind es aber in Hotels, Geschäften und Gastronomiebetrieben eben doch eher einige) bemerkte, dass ich noch etwas holprig nach Wörtern und Zeitformen in Spanisch dilettiere und daher auf Englisch wechseln wollte, bat ich ihn oder sie, mir doch bitte den Gefallen zu tun, weiter Spanisch mit mir zu sprechen auch dann, wenn ich ihre Ohren foltere und es etwas Geduld braucht. Denn ich würde seit einiger Zeit die Sprache lernen, dies sei quasi mein erster halbwegs echter Einsatz  “ en la vida real” und in meinem Alter keine einfache Sache. 

Unfassbar, wie freundlich, hilfsbereit und auf sehr natürliche Art und Weise herzlich fast alle zu mir waren! Die grauen Haare mögen es noch etwas forcieren, das in jeder Situation rücksichtsvolle und einnehmend herzliche Auf-mich-Zugehen … aber insgesamt hatte ich den Eindruck, dass es auch typisch ist dort für das Miteinander. Auch und sogar besonders beim Endspiel der EM, bei dem Spanien das Spiel gegen England gewinnt: alles zahm, alles höflich, danach auf den Straßen zwar singende und feiernde Menschen. Aber kein einziger Polizist weit und breit bei meinem halbstündigen Rückmarsch vom Public viewing zum Hotel  und es scheint auch keiner nötig zu sein. Nirgendwo sehe ich Krawall oder Alkoholexzesse.



Mein Fußballinteresse bewegt sich irgendwo im Minusbereich. Aber als ich realisiere, dass ich zum Endspiel in Spanien und noch dazu in einer für Deutschland fußballtechnisch sehr geschichtsträchtigen Stadt sein werde (reiner Zufall und auch nur eher zufällig rausgegoogelt), muss ich natürlich vor Ort zum public viewing und Daumen drücken .. für España, versteht sich :o)

Dienstag geht’s weiter. Mit dem Bus von Gijón ins einige Stunden entfernte Cangas de Onís und von dort weiter nach Covadonga, einer unglaublich beeindruckenden Lokalität mit Santuario und Steinkirche in den Bergen. Touristenhotspot. 




Was in Bayern Neuschwanstein, das ist in Asturien Covadonga. Hölle und Menschen … und ich das unfassbare Glück, dort für zwei Nächte in der vermutlich nettesten, persönlichsten und atmosphärisch stimmigsten aller ortsnahen Pensionen gelandet zu sein.



An Tag zwei mit einem der vielen Busse - in der Hochsaison oder am Wochenende sollte man vorbuchen weil die Plätze nicht selten für Stunden vergeben sind und private Fahrzeuge dürfen nicht durch - zu den nochmal ca. 1/2 Fahrtstunde entfernten Lagos von Covadonga bringen lassen. Hier, im ältesten Naturpark Europas, den “Picos de Europa” ist es atemberaubend schön. Kein Wunder, dass tausende von Menschen sich täglich hochkarren lassen. 



Der Wandertipp meiner Wirtsleute samt dazugehöriger DINA4 Skizze und Beschreibung sorgt dafür, dass ich einen etwa dreistündigen Wanderweg finde, der so nicht ausgeschildert ist (Ausschilderungen in Spanien sind beim Wandern ohnehin eher spärlich) und den ich niemals gefunden hätte ohne diesen Rat. Dorthin verirren sich nur wenige Menschen und schnell lasse ich den Trubel der Menschenmassen hinter mir und lande in einer zauberhaften Traumwelt voller Bergwiesen mit Bergwald, Farnwäldern und bezaubernden Steinformationen. Der hier verlaufende Weitwanderweg muss ein Träumchen sein …

Wobei dieses Gebirge noch mehr für den häufigen Regen bekannt ist. Man merkt es den schlammig-feuchten Wegen auch an, dass es hier noch häufiger regnet. Viele YouTuber, die von dort Bericht erstatten wollten, berichteten dann letztlich vom Regen und Nebel, der jede Sicht auf die angeblich wunderbaren Landschaften verhinderte. Und ich? Habe vielleicht doch ein paar Steinchen im Petrus-Brett. Denn wie so oft bei Reisen zu solchen Nebel-Hotspots (z. B. 2011 in Kalifornien oder 2012 im Piemont am Monviso), wo Menschen von wochenlangem Dauernebel berichteten und ich das denkbarst perfekteste Sichtwetter erwischte, so habe ich auch hier grandiose Weitsicht und Dauersonnenschein.




Am Donnerstag geht’s weiter zur dritten und letzten festen Station der Reisewoche. Zurück über Cangas de Onís, wo ich einige Stunden Aufenthalt habe, selbstverständlich die dortige und in jedem Prospekt abgebildete Römerbrücke fotografiere




Sie ist schön … aber nicht wirklich stundenfüllend .. so dass ich nach einem etwas kühleren und schattigeren Ort für das weitere Warten auf den Bus suche und wie durch Fügung in einer stimmungsvollen Kirche lande, in der ich mich schnell auf eine sehr spirituelle Weise entrückt und aufgehoben fühle. So sehr, dass ich mich kaum trennen mag … Ansonsten lasse ich größere Kirchenbesichtigungen übrigens aus. Covandonga angesehen, klar … aber insgesamt zieht es mich in dieser Woche bis auf dieses eine Mal nicht sehr in die - dort auch deutlich weniger dominanten als es im Süden Spaniens der Fall ist - sakralen Gebäude.




Die Hauptstadt Asturiens Oviedo ist mein letzter Anlaufpunkt für zwei Tage. Und das war mit Sicherheit eine unübertreffliche Wahl.



Diese etwa 220.000 Einwohner beherbergende Universitätsstadt ist lebendig, geschhichtsträchtig, voller Sehenswürdigkeiten und wahnsinnig auffallenden Skulpturen jedweder Couleur. Hauptsächlich weibliche (auch wenn die lebensgroße Skultpur von Woody Allen die nach Mafalda zweitmeist aufgesuchte ist ;)



Dass viele - ich würde behaupten: die meisten - Skulpturen weiblich und unter vielen Gesichtspunkten dargestellt waren (die Denkerin “la pensadora” war eine von denen, die ich am meisten mochte) .. war das Eine …


Dass aber das Thema “Mutterschaft” am weitaus intensivsten in diversen Formaten behandelt wurde, passte wieder wie durch Zauberhand zu einem meinen Urlaub begleitenden Motiv. Denn die mitgenommene und für mich sehr ergreifende Haupt-Urlaubslektüre  bestand in dem Buch: “Liebesmühe” von Christina Wessely




Oviedo hätte  Anlauf- und Interessensorte für mehr als zwei Tage zu bieten. Aber für mich blieb es beim relativ oberflächlichen Durchschlendern und Ansehen. Aber auch Genießen.



Natürlich habe ich auch die Küche Asturiens nicht ausgelassen (die deftigen Fleisch- und Wurstgerichte allerdings schon ;). Habe mehrmals köstliche Fischgerichte genossen, den überall präsenten Sidra getrunken (nur zwei Schluck - aber lecker!) und den mit Zuckerkruste überflambierten Arroz con leche (Milchreis). Auch kulinarisch hat Asturien einiges zu bieten.

Was auch noch auffällt: viele LäuferInnen und sonstige SportlerInnen sieht man. Die Fitnesscenter sind groß, an zentralen Stellen errichtet, oft chic und gut besucht. Auch Radfahrer und Wassersportler sind reichlich unterwegs. Auch auf meine Nachfrage wird mir bestätigt, dass es für einen sehr großen Teil der Einwohner Usus ist, ausgiebig Sport zu treiben. Und vielleicht steckt auch da ein Fünkchen Grund für den Umstand, dass die Spanier eine um im Schnitt drei Jahre höhere Lebenserwartung haben als die Deutschen. Ihr ausgiebig sozial ausgerichtetes Leben wird auch zu den Gründen gezählt. Auch das kann ich mir gut vorstellen.

Wie so oft noch ein kleines Resümee bevor ich mit der Busfahrt zum Flughafen, wo ich immerhin kurz durch die Glaswände des Flughafens eine wie aus dem Nichts der Biskaya kommende und durchaus auch imposante Regen-Wetterfront mit Sturm beim Vorbeiziehen ansehen darf, die Reisewoche abschließe. Etwas verspätet weil das Wetter den pünktlichen Abflug verhindert und dann in München ebenfalls wegen durchziehender Gewitterfronten nicht direkt landen darf … aber das sind Nichtigkeiten …

Alleine zu reisen ist mir oft ein Bedürfnis. Es wäre aber geschönt bis gelogen, würde ich behaupten, dass es immer nur schön ist, alleine unterwegs zu sein. Bei jeder dieser Reisen und auch bei dieser doch eher kurzen gibt es Momente, in denen das Allein-Gefühl in Einsamkeits-Momente umschlägt und die Stimmung zeitweise trübt. Oft kommt es aus dem scheinbaren Nichts wie die Wetterfront am Flughafen. Vielleicht sollte man eine Art “Stimmungsradar” erfinden, so dass die anrückende Dunkelheitsfront rechtzeitig angekündigt würde.

Dann wünsche ich mir, jemanden zum Sprechen oder auch nur zum Angucken zu haben. Jemanden, mit dem ich auch abends in ein Restaurant gehen kann. Denn das sollte man alleine in Spanien wohl wirklich besser sein lassen. Vor zwei Jahren in Andalusien kam ich schon zu diesem Schluss, habe es aber in Oviedo doch nochmal riskiert. 

Vergiss es! Du bist Exot, Seltsame(r), wenn nicht störend in ein beschämtes Eckchen verfrachtet, dann oder gleichzeitig offen bemitleidet. Es ist laut. Das Essen in Restaurants abends eher Nebensache. Es wird zelebriert, geredet, gelacht - niemand! - ist alleine unterwegs.

Tagsüber kein Problem. Frühstück, Mittagessen, Zwischendurchimbisse im Café oder in der Bar … ist zwar auch eher die Ausnahme alleine … aber geht. Kein komisches oder unpassendes Gefühl und sehr zuvorkommende oft interessierte Behandlung. Aber Abends … no way! Ich zumindest rate nach diversen Selbstversuchen ab.

Doch wie so oft hat sogar der Umstand solcher zwischenzeitlich trüben Stimmungsphasen seinen Gegenpart gleich mit im Gepäck. Ich halte es nicht mehr für einen Zufall, dass danach - und warte nicht darauf, denk’ gar nicht daran oder versuche gar, es zu provozieren - sich erst danach Momente ereignen können, die das Herz berühren. Die in die innere Sammlung der “besonderen Begegnungen mit Menschen” für den Rest des sich erinnernden Lebens liebevoll, mal lächelnd, mal melancholisch oder sonstwie berührt … aufgenommen werden.

Weiterer Resümeepunkt: in so einer “Sprachwoche” lernt mensch mehr dazu als in Monaten des wöchentlichen Unterrichts incl. Nachlernen zu Hause. Vielleicht nicht an Grammatik. Aber ganz sicher an Sprachgefühl, Aussprache, Natürlichkeit im Umgang etc. Manchmal war es zu viel für mein olles Hirn. So irgendwann mittig gab es einen Tag oder sogar etwas mehr, in dem das Hirn scheinbar alle jemals verinnerlichten Sprachkenntnisse verloren zu haben schien oder zumindest nicht mehr rausrückte. Sehr spooky! Vorher schon der Meinung gewesen, Richtung Muttersprachlerin zu mutieren (*Scherz* ;o) war plötzlich alles wie weggewischt! 

Der Fernseher - in dem ich vorher mit Begeisterung diverse spanisch synchronisierte alte Schmachtfetzen inhaliert und auch die Nachrichten verfolgt hatte etc. und mich gut verstehend wähnte  - in den Hotelzimmern blieb aus. Beim Bestellen im Lokal war ich mit Englisch sehr einverstanden.  Total Overload! In den letzten beiden Tagen lockerte sich auch das wieder und es schien ein weiterer Knoten geplatzt. 

So summa summarum: bringt was auf vielen Ebenen. Wird so ähnlich sicher nochmal stattfinden!






07 Juli 2024

Trainingswanderung zur Benediktenwand

 Aus Gründen - die ggf. in einem späteren Beitrag näher genannt werden -  sollte ich in einigen Wochen halbwegs wanderfit sein auch für mehrere Tage Belastung hintereinander samt Rudelübernachtung in Lagern von Alpenvereinshütten. 

Eine kleine Gemischtrainingseinheit plante ich also zur Benediktenwand. Mit dem Zug bis Benediktbeuren und von dort zur am Vortag für eine Übernachtung gebuchten Tutzinger Hütte.



Nach einer huschigen Klosterkirchenbesichtigung (wenn frau schon mal dort ist, lässt sie sich auch nicht von einem in Christo-Manier eingewickelten Klostergebäude mit Baugerüsten, verlegten Eingängen und Irrungen auf seltsamen Wegen abschrecken), die nicht wirklich inspirierend geriet, ging’s gegen halb elf vormittags durch den Ort zum Wanderweg Richtung Bergwand.

Die gut 700 Höhenmeter bis zur Tutzinger Hütte verlaufen größtenteils entlang eines rauschenden Bergbachs auf angenehmen Pfaden. Der knapp 10kg wiegende Rucksack (so gepackt, dass er ungefähr Trainingsbedinungen liefert ;) regelrecht angenehm zu schleppen. Viele Blumen samt Insektenvolk, schöne Steine, Wassergluckern, Vogelgezwitscher … so lobe ich mir eine Bergwanderung.



Gegen 14:30 checke ich ein, belege ein Bett im Vierbettzimmer, verstaue Rucksack und Wanderschuhe und überlege bei einer erfrischenden Apfelschorle, ob ich tatsächlich heute noch die Besteigung der 1801m hohen Benediktenwand angehen soll, die ein  beeindruckendes Bild vor Augen abgab mit einem winzigklein gerade noch zu erkennenden Gipfelkreuz.



Nicht kletternd, versteht sich :o) sondern zahm als Bergwanderung. Mit nur einem wohlweislich mitgeführten Minirucksack, in dem außer einem halben Liter Wasser und einem Powerriegel nicht viel steckt, das hochgetragen werden müsste. Der Tourenrucksack würde in der Hütte bleiben.


Aber es sind weitere gut 500 Höhenmeter und darauf erwarten mich bei Gesamtumrundung der Felswand ein paar kleinere Kniffeligkeiten mit Drahtseilversicherungen und kraxeligen Passagen.

Ca. 2,5 bis 3 Stunden würde ich dafür brauchen, so sagte man mir. Weil meine Füße in den bis dorthin getragenen Wanderschuhen schon ziemlich müde waren, hatte ich inzwischen meine Outdoor-Barfußschuhe angezogen und begab mich in diesen auf den Weg. 

Schnell stellte sich heraus, dass dies möglicherweise etwas unklug war. Denn obwohl ich früher schon Ganztagstouren durch die Bergwelt in diesen dünnen Schläppchen absolviert hatte, zickt meine Ferse seit dem Halbmarathonversuch in St. Wendel schnell beledigt vor sich hin sobald sie sich auch nur leicht überfordert fühlt. Was an der Bendiktenwand flott der Fall war: spitze Felsbrocken, Geröllstrecken, die Zehen verklemmende Steinlöcher beim Kraxeln … aber als ich relativ sicher wusste, dass die Schuhwahl keine wirklich glückliche für diese Tour ist, hatte ich schon eine Stunde und viele Höhenmeter hinter mir, so dass im Umkehrensfall kaum noch mit Bewältigung der Tour an diesem Tag zu rechnen war.

Das Abendessen der gebuchten Halbpension sollte in der Halbzeit des EM-Fussballspiels zwischen D und ES ausgegeben werden, da auch einige der Hüttenmitarbeiter gerne zusehen wollten. 

Also weiter mit zunehmdend schmerzhafter Ferse. Oder sogar im Plural: Fersen! Denn nun meinte auch die rechte solche, ihrer linken Schwester Beistand im Schmerz leisten zu müssen. 



Viele wunderbare Aus- und Ansichten - zunächst noch in Richtung Bergvorland aber nach Überwindung des Sattels auch in Richtung der “wirklichen Berge” machten es leicht, immer neue Gründe für Fotopäuschen und zum Verschnaufen zu finden. Insgesamt war ich dann auch nochmal  gut vier Stunden unterwegs.



Von unten sieht die Strecke überschaubar kurz aus. Aber sobald man sich darauf befindet … zieht sie sich doch immer länger dahin.



Am Rotöhrsattel ist gerade mal ein Drittel der Strecke geschafft.



Kurz dahinter geht’s dann los mit den etwas kniffeligeren Streckenteilen. Nicht wirklich schwer und auch nicht ernsthaft gefährlich (sofern mensch etwas Trittsicherheit mitbringt) aber schon kräftezehrend. Wobei sich bei diesen Passagen die Schuhwahl als prima herausstellte. Die flachen Sohlen lassen den Fuß deutlich näher am Untergrund und erleichtern die Beinbeweglichkeit immens.



Endlich kommt er näher, der Gipfel der Benediktenwand. 


Und im Hintergrund - eine Überraschung in dem Moment für mich - der Walchensee.





Ein Aussichtsgipfel wie aus dem Bilderbuch. Alle Seen zu seh’n. Zumindest die des Münchner Voralpenlandes. Ich bin geflasht.

Die Tourenbeschreibungen erzählen von den Steinböcken in diesem Gebiet, die man angeblich besonders in den Morgenstunden auch mal zu Gesicht bekommt. Die Gäste der Tutzinger Hütte sitzen reihenweise mit Ferngläsern in den auf die Felswand ausgerichteten Liegen und suchen stundenlang selbige nach Steinböcken und Gemsen ab. Freuen sich lautstark den Standort mitteilend an jedem sich dort bewegenden Punkt, der ein Tier sein könnte … und ich, in den Abendstunden den leichteren Westabstieg mit schmerzenden Füßen entlanghumpelnd … stehe plötzlich vor ihm (oder ihr?):



Oder umgekehrt. Steht Frau oder Herr Steinbock etwas oberhalb von mir und guckt mir direkt in die Augen. Als ich - vor Aufregung darüber und der Meinung, mich für ein gescheites Foto vielleicht beeilen zu müssen, schnell nach dem Handy in der Bauchtasche friemelnd auf dem steinig-sandigen Weg ausrutsche und mich fangen muss, um nicht auch noch zu fallen, holt das Tier tief Luft und stößt sie mit einem - ich schwöre! - leicht gekünstelt-verzweifelten aber auf jeden Fall amüsierten Seufzer wieder deutlich hörbar aus. PAH! Der Steinbock macht sich über mich lustig. Eindeutig! 



Aber wen wundert’s!
Und nun verstehe ich auch, wie der Ersteller dieses Videos auf die Idee kam. Reine Fakten. Steinböcke finden Menschen eher lächerlich oder zumindest Comedy-tauglich  ;) 

Ein Stück entfernt und ebenfalls vollkommen gelassen schlendernd ein zweiter Steinbock. Scheu sind die hier jedenfalls nicht.



Nach einem leckeren Essen auf der Hütte, einem Fußbad für die schmerzenden Füße im eiskalten Bergbach begebe ich mich flott ins Vierbettzimmer, das ich mir mit einem jungen Freundinnentrio teile. Auch eine Form von Training und ich hoffe nicht, dass alle jungen Wandersfrauen auf die Idee kommen, die zugegeben etwas stickige Luft im Zimmer statt durch Frischluft via Fensteröffnung lieber mit dem Versprühen von Deo vertreiben zu wollen ;’-(  und das Fenster dann - Stichwort: “Pollenallergie” die Nacht geschlossen zu halten (fliegen Pollen denn nicht auch tagsüber beim draußen Wandern? *grübel*)



Nach dem Frühstück: die Bergwelt strahlt in frischen Farben, die Kuhglocken bimmeln


Und ich überlege mir, ob ich wegen massiver Müdigkeit nach wenig Schlaf den zweistündigen Abstieg per Rundwegvariante direkt nach Benediktbeuren angehen oder doch wie ursprünglich angedacht eine eigene ausgeguckte und damit tracklose Variante nach Lenggries in Angriff nehmen soll. Nach dem Motto: bei zwei “Trainingstagen” hintereinander sollten auch schon nochmal ein paar Höhenmeterchen an Tag zwei dabei sein ….

Hatte am Vorabend zwei junge Männer, deren Unterhaltung erhebliche  Ortskenntnisse zu entnehmen waren, gefragt, ob die von mir via topographischer Karte ausgeguckte Wegführung irgendwelche relevanten Schwierigkeiten oder Kletterpassagen enthalten könnte. Eine Ausschilderung nach Lenggries gab es dort bei der Tutzinger Hütte oder am Grat, den ich nochmals zu überschreiten gedachte bei meiner Tourenidee, nämlich nicht.  Und der Übergang zum Brauneck war “schwarz” gekennzeichnet. Diesen wollte ich auch nicht gehen.  Ein Schwierigkeitsgrad, den ich für heute alleine und mit Tourengepäck eher nicht mehr in Angriff nehmen wollte. Meine ausgeguckte Wegstrecke enthielt aber einen Abschnitt, für den ich nirgendwo eine Beschreibung fand. Ein Risiko also; zumal in den Bergen.

Doch die beiden Männer waren der Meinung, dass die von mir ausgeguckte  Strecke auch ohne explizite Ausschilderung realistisch und auch alleine machbar wäre.  Einige Bergwege und Anstrengungen aber keine Gefahren beinhalten würde und mit max. 6 Stunden Gehzeit zu veranschlagen sein müsste.


Und so machte ich mich auf den Weg (nicht ohne einen Eintrag mit der geplanten Strecke im Hüttenbuch zu hinterlassen) … den Sattel  hinauf und dann in andere Richtung als gestern entlang der Felswand weiter


durch Latschenkiefern, Geröllstrecken ..


Einsame Pfade, Glucksen von Bächen, bisschen Matsch zuweilen auf dem Weg.


Und dann am zu querenden Bach eine nette eher kleine Gumpe. Genau groß, tief und kalt genug (geschätzt 12°-14°C)  für ein erfrischendes Morgenbad. Und obwohl ich einen Badeanzug eingesteckt hatte, war die Wegpassage einsam und menschenleer genug, dass ich trotz fehlender Weitsicht auf den Weg ein textilfreies Bad riskierte. Ein Hochgenuss!



Einige kleinere Passagen mit etwas Ausrutschgefahr waren noch dabei. Zum großen Teil führte der lange Abstieg aber zunächst durch stimmungsvolle Wälder mit gluckerndem Wasser und über angenehme Wald-Steinwege. 

Trotzdem waren meine Füße noch beleidigt und die Fersen samt Fußsohlen legten bald brennende Beschwerden ein gegen den stundenlangen Marsch. Als der Wald endete und eine nicht enden wollende Forststraße über Wiesen anschloss. Vorbei an einigen auch bewirtschafteten Almen durch pralle Sonne. Viele und zunehmend mehr werdende E- und/oder Mountainbiker von vorne und hinten an mir vorbeiradelten. Die Temperaturen samt drückend-schwüler Luft das nahende Gewitter ankündigten … da schwächelte mein Kreislauf zusehends. Die verbleibenden ca. 6 Kilometer bis zum Bahnhof in Obergries … grunderschöpfend! Hoffentlich hat’s wenigstens ein bisschen was an Training und für die Form gebracht. Schön waren die letzten beiden Stunden gewiss nicht mehr. Aber gehört nunmal auch dazu …



Hab’ ich die Isar in diesem Jahr eigentlich schonmal gänzlich frei von Hochwasserständen gesehen? Aber immerhin ist Baden darin an einigen Stellen möglich. Vollkommen staubig, verschwitzt, erhitzt und erschöpft wäre es eine schöne Abkühlung gewesen. Sicher. Ich hab’s überlegt. Gab dann doch dem Zug nach München den Vorzug und einer damit frühestmöglichen Rückfahrt nach Hause. 

Dass der Zug später auf der Strecke wieder verzögernd lange rumstand und sich der Weg somit länger zog als erhofft … Schwamm drüber … irgendwas ist ja immer ;-)


*






29 Juni 2024

der Tramp in mir. Alte Lieben neu belebt.

fragt man Wikipedia nach der Bedeutung „Tramp“,  liest mensch viele Begriffe und Herleitungen; eine weibliche Form dieser Gestalt wird nicht angeboten. Die „Tramperin“ bzw. das „hitchhike baby“ beziehen sich schon nur noch auf die Fortbewegung per Autostop. Die zugrunde liegende Bedeutung des „wanderns“ oder „streunens“ ist nicht mehr enthalten. Und obwohl ich fast dreißig Jahre meines Lebens als Angestellte im ö.D. zugebracht habe, fühle ich mich tief im Herzen weiterhin ein bisschen als genau das: eine Streunerin, die - bevorzugt alleine und selbstbestimmt unterwegs - nicht bis ins Detail plant, wo die Wege hinführen. Überraschungen inbegriffen.

Aber auch der Part des Autostop-Reisens gehörte in Jugendjahren zum eigenen Selbstverständnis. Zunächst aus praktischen Gründen der eine auswärtige Schule besuchenden Schülerin, die mit dem schnellen Daumen flotter vorankam und Monatskartengelder in die eigene Tasche wirtschaften konnte, wurde es zur bevorzugten Fortbewegungsform auch aus erlebnistechnischen Gründen. Nur selten gab es für mich einige kniffelige, unheimliche oder gar zwei bis drei bedrohliche Situationen. Immer gut ausgegangen.

Zu den prägendsten, berauschendsten und erhebendsten Erinnerungen meines Lebens gehört: mit Rucksack im August an einer staubigen Wüstenstraße im Sinai (1981 noch zu Israel gehörend) zu stehen und auf anhaltende Autos zu hoffen. Auf die Ladefläche zu springen oder einzusteigen und immer wieder lustige, interessante, seltsame aber auf jeden Fall andere und neue Begegnungen zu erleben.

Man hört oft die Empfehlung, immer mal wieder ganz was neues zu unternehmen. Ist sicher prima für‘s frisch fühlen und Hirnwindungen geschmeidig halten. Aus eigener Erfahrung erweitere ich auf: „Mach‘ doch mal was altes wieder jung!“ 

Das mit dem Trampen entsprang bei mir eher dem Zufall und den Wirren des vor vier Wochen in Bayern herrschenden Hochwassers, das mich in Folge der Nahverkehrs-  und eigener, nicht näher auszführender Blödheitsverwirrungen, nicht wie geplant in Plattling sondern im mir bis dato unbekannten Osterhofen (Niederbayern) aus einem Zug an einen extrem verlassenen Bahnhof spülte, von dem aus laut Anzeigetafel in absehbarer Kürze kein Zug mit Anschluss an die Waldbahn losfahren würde. Was tun?

GoogleMaps zeigte eine Bundesstraße in der Nähe und Plattling keine 20 Kilometer entfernt an. Kurz überlegt und *Daumen raus* erstmal von einem älteren Herrn bis ins Zentrum mitgenommen, von dort an der Bundesstraße keine Minute warten müssend, hielt in Rekordgeschwindigkeit ein etwa Gleichaltriger im weißen SUV, der Trampen noch kannte und mein Erscheinungsbild als „so verloren und harmlos aussehend“ betitelte.. Weswegen er ohne langes Nachzudenken einfach hätte halten müssen.

Ich: „DARAUF habe ich gebaut: dass erstens noch jemand weiß, was so ein rausgestreckter Daumen bedeutet und ich zweitens mit grauen Haaren NOCH harmloser aussehe als vor 40-50 Jahren :o)“

Es war die anregendste, beschwingendste, nachdenklich machendste und unterhaltsamste halbe Stunde seit langem. Ich wurde direkt vor dem etwas außerhalb liegenden Bahnhof Plattlings quasi nahtlos in die dort wartende Waldbahn entlassen und beide Beteiligten waren sich einig: „Man sollte doch häufiger mal wieder alte bzw. für heute ungewohnte Dinge tun: z. B. trampen oder TramperInnen mitnehmen!“ (o. a.)

Gestern dann geplant: eine weitere Liebe - nicht ganz so alt aber doch auch fast schon 25 Jahre Traditon - nach Jahren der Pause neu aufleben zu lassen: eine Wanderung zum Jochberg am Walchensee. Anfahrt mit Zügen und Bus. Im Prinzip gut gedacht - durch Zugverspätung dummerweise den stündlich fahrenden Bus in Kochel knapp verpasst. Hier eine Stunde rumstehen für die knapp 10 Kilometer bis zum Kesselbergpass? hmmm … doof … also mal wieder: *Daumen raus* und *zack* .. drittes oder viertes Auto hielt. Der Fahrer (Segler am Walchensee)  wieder so etwa meine Generation gleich ganz locker (klar - so im Wanderoutfit und in für Autolose schlecht angebundenen Berggegend weiß jede/r sofort, was die Seniorin mit Rucksack plant): „Na, welche Tour hast du vor? Jochberg oder Herzogenstand?“ 

Jochberg. Noch eine „Liebe“, die vermutlich ewig währt. Auch wenn dort inzwischen sogar wochenmittig ordentlich was los ist, die Wege - den Massen geschuldet - fast wie eine durchgängig befestigte Holztreppe daherkommen und sich von Mal zu Mal einiges verändert: die Aussicht von oben: DER Hammer! Immer wieder erhebend, demütig und dankbar machend für alles. Und überhaupt.




Mehrere kleine oder mittelgroße Dialoge unterwegs. Freundlich-fröhliche Gesichter, Offenheit. Urlaubende aus Norfolk (UK) und Fulda in Hessen boten anregende Urlaubs- und Lebensanekdoten und ein junger Mann mit Kinderkraxe auf dem Rücken, der locker an mir vorbeiziehend meine Bewunderung sicher hatte mir die Erkenntnis: aus der früher ziemlich locker runtergehoppelten „Halbtagestour Jochberg“ mit knapp 10 Streckenkilometern und gut 700 Höhenmetern ist für mich inzwischen eine gar nicht mal so unanstrengende *Schnauftour* geworden. Die  kühlende Abschluss-Schwimmeinheit im Walchensee bringt verlorene Frische sofort zurück. Alte Lieben halten eben frisch :o)





In Urfeld angekommen die Erkenntnis: die App hat Unsinn erzählt oder ich die falsche Richtung geguckt? Der angepeilte Bus nach Kochel fährt zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht. Der Aushangsfahrplan möchte mich wieder fast eine Stunde warten lassen. Die App spuckt inzwischen wilde Umleitungsmeldungen aus.  Aber inzwischen sogar ganz ohne „komisches Gefühl“ halte ich mal eben den Daumen raus und wieder *zack* hält keine fünf Autos später ein VW-Bus  mit einem von Hüttenurlaubstour auf der Rückreise nach Hessen befindlichen Pärchen. Jünger und laut eigener Aussage auch heute gelegentlich gerade im ländlichen Nordhessen per Anhalter unterwegs. Echt? Gibt‘s das noch? Sollte es jedenfalls auch weiterhin. Diese Art der Fortbewegung und ungeplanten Begegnungen sind es wert, als so eine Art „immaterielles Kulturerbe“ erhalten zu werden. Ich tue mein Bestes dazu ;-)





09 Juni 2024

den Bergsommer einläuten per Arbeitseinsatz über den Wolken

Nach einigen Jahren ohne Mitgliedschaft im Alpenverein sind wir ihm wieder beigetreten, dem DAV. Diesmal allerdings nicht der größten Sektion München-Oberland mit zwar vielen Angeboten und großer Infrastruktur aber auch sehr anonymem und firmenartigemAufbau. Im Gegenteil haben wir die zwar sehr alte und traditionsreiche aber auch sehr kleine Sektion Achensee ausgewählt. Durchaus auch in dem Gedanken, dadurch nicht nur geringere Mitgliedsbeiträge zu zahlen, da wir weder die Kletterhallen noch die meisten anderen der vielen Angebote der an Infrastruktur großartig ausgestatteten großen Sektionen nutzen werden sondern in erster Linie auf die dann günstigeren Hüttenübernachtungen und in allererster Linie die umfangreiche Bergunfallversicherung (die im Bedarfsfall auch Hubschraubereinsätze umfasst) des DAV aus sind.

Als möglichen Zusatzbonus erhofften wir uns von der kleineren Sektion eine persönlichere Anbindung und besuchten daher auch als Neumitglieder gleich die im ersten Jahresquartal stattfindende Hauptversammlung. Ließen uns dort als Interessenten für den im Frühjahr anstehenden Arbeitseinsatz eintragen, bei der die einzige Hütte des Vereins, die nahe Achenkirch auf knapp 1600m gelegene Seewaldhütte, startklar für den Sommer gemacht wird.


Die Seewaldhütte ist eine recht kleine und vergleichsweise neue Selbstversorgerhütte mit 16 Schlaflagerplätzen in herrlicher Hanglage oberhalb des Achensees. Sie kann nur gelegentlich auch von „Aussenstehenden“ der Sektion genutzt werden. Immer dann, wenn Wochenendbetreuung anwesend ist und noch Lagerplätze frei sind. Dann erfolgt auf der Außenterrasse auch eine kleine quasi halbprivate aber durchaus DAV-konforme Getränkebewirtung des jeweilig anwesenden Hüttenverwalters, was schlicht ein Vereinsmitglied ist, das in diesem Moment ehrenamtlich dort ein Wochenende verbringt oder nach dem Rechten sieht. Verlassen sollten sich Wanderer, die hier vorbeikommen, aber nicht darauf.



Da die Sektion nicht über Angestellte verfügt, kann die Hütte nicht durchgängig geöffnet sein und alle notwendigen Arbeiten erfolgen ehrenamtlich. Sie verfügt über eine wunderschöne Ausnahmelage mit grandioser Sicht auf Guffert, Rofangebirge und Zillertaler Alpen. Da sie aber weder einen Trinkwasserzufluss noch eine für „Normalfahrzeuge“ nutzbare Anfahrtsmöglichkeit verfügt, fällt einiges an Arbeitsnotwendigkeiten an: sich ums Spezialtransportfahrzeug kümmern, Holzbearbeitungsgeräte beschaffen, warten, anwenden (nur wer einen „Derf-Schein“ dafür hat, darf - selbstverständlich nur in den dafür TÜV-geprüften Klamotten - die Motorsäge verwenden). 

Es wurde Baumholz aus schwieriger Hanglage zum Haus transportiert, gespalten (erst mit einem Spalter grob, dann per Äxten stapeltauglich als Heiz- und Herdbetriebsvorrat), Zäune und Tore aus dem Winterlager geholt und gesetzt damit das demnächst auf die umgebenden Almen getriebene Vieh außerhalb des Hüttenbereichs bleibt. Ablaufrinnen wurden gereinigt, das Brauchwasserreservoir und dessen Quellbereich kontrolliert, ebenfalls gereinigt, Rohre neu befestigt und gewartet, Elektrokleinigkeiten ausgebessert, die Innenräume auf Hochglanz gebracht, ausgeschüttelt, ausgeklopft und immer und alles geputzt, geputzt und nochmal geputzt.



Insgesamt haben sich an der Aktion ca. 20 Personen beteiligt. Einige lediglich einen der zwei Arbeitstage und einige ohne dortige Übernachtung (es war auch so ziemlich rappelvoll im Lager), so dass die Arbeiten erstens flott erledigt war und zweitens noch reichlich Zeit für gemeinsame Mahlzeiten und gesellige Abendrunden blieb. 

Und eine Wanderung zum dortigen “Hausberg”, der 1813m hohen “Hochplatte” saß für mich auch noch drin. Herrlich!



Tolle Rundumsichten von hier oben. Adlerschreie meinte ich zu hören (und aufzunehmen) und man soll sie hier auch relativ häufig sehen, wurde mir gesagt. Mir haben sie sich aber nicht gezeigt. Es wird hoffentlich weitere Gelegenheiten dazu geben.



Das Wetter hielt sich zu unserer großen Freude nicht an seine regenreiche und gewitterlastige Vorhersage sondern erfreute uns mit morgendlich romantischen Nebelblicken über’s Achenseetal, angenehmem Freitagnachmittag, strahlesonnigen Samstag ohne jeglichen Regen bis zum späten Nachmittag (dann regnete es los und durfte das auch)  und auch der Frühstücks- und Abstiegsmorgen am Sonntag war dann zwar gewächshausdunstig schwül aber wir konnten trockenen Fußes und Hauptes die fünf Kilometer mit ca. 700 Höhenmetern  bis zum geparkten Auto bergab wandern.





30 April 2024

ein Halber geht fast (n)immer

 Als ich noch sowas ähnliches wie eine Läuferin war, kursierte unter unsereins der Spruch: „Ein Halber geht immer!“. Er sollte besagen, dass ein Halbmarathon zumindest wenn unambitioniert und ohne konkrete Bestzeitwünsche angegangen aus dem laufenden Training beliebig bestritten werden kann und obwohl ich über den größten Zeitteil meiner zwanzigjährigen Jogging- und Laufjahre mit Laufteilnahmen im dreistelligen Bereich nur relativ selten konkretes Zeittraining absolvierte, passte das für mich bis in die Vorcoronazeit recht gut. Mal eben etwas über zwanzig Kilometer abjoggen in einer relativ unauffälligen Zeit bis 2,5h ging schon meistens irgendwie relativ locker. Für die Bestzeit von 2014 war natürlich ordentlich viel Training notwendig und Zeiten unter 2 Stunden waren entsprechend selten.

Bei meinem bis Sonntag vorher  letzten Halbmarathon erjoggte ich bei Hitze und unter schwierigen Bedingungen in Ingelheim am 02. Juni 2019 eine Zeit von 02:20:45 (weil ich damals keine Blogeintrag erstellt habe, musste ich jetzt suchen …). 

Für 2020 hatte ich mich für diverse Halbmarathonläufe angemeldet, die alle den coronäen Streichungen und Schließungen zum Opfer fielen. Zwar joggte ich all die Jahre im kleinen privaten Rahmen weiter vor mich hin, doch nach einem Sturz mit  Wirbelbruch im Sommer 2020, einigen durchaus nicht ganz locker durchgestandenen Infektionen mit und ohne C im Vornamen in den Folgejahren schwanden alle Ambitionen auf weitere öffentliche Laufteilnahmen mehr und mehr dahin. Das immer wieder nach oben ausreißende Körpergewicht machte die Sache nicht besser. Joggen fand ausnahmslos gemütlichst, langsamst ohne Zeitmessung und vor allen Dingen relativ selten statt. 

Damit war ich auch gänzlich im Reinen für mich .. im Prinzip jedenfalls … wenn da nicht doch eiiin klitzekleiner Schönheitsfehler hier und da die Idee aufblitzen hätte lassen …

Wer in meiner Leserschaft erinnert sich noch ans Spiel „Lauf die Länder“? , das ich 2018 mit dem WutzseeLauf in Brandenburg für beendet erklärt hatte. Um später zu erkennen, dass ich zwar in allen Bundesländern mindestens eine Laufteilnahme vorweisen konnte. Für das Saarland aber noch keine Medaille (was aber auch nicht Bestandteil bzw. Bedingung meiner selbst erfundenen Spielregeln gewesen war. Immerhin bevorzug(t)e ich insgesamt eher die eher kleineren Läufe, bei denen die Medaillen den SiegerInnen vorbehalten bleiben). Dieses einzige medaillenlose LaufBundesland nagte hier und da trotzdem an meinem Sinn für stimmige Abschlüsse und so meldete ich mich schon im vergangenen Jahr zum Halbmarathon in St. Wendel an. So früh auch deshalb, weil ich mir einbildete, dann ordentlich trainieren zu können.

Gewollt hätt‘ ich auch schon … aber gekonnt hab‘ ich es nicht … Infekte, Schlappheit, bei längeren Laufversuchen diverse orthopädische und schwächelnde Begleiterscheinungen mit  miesesten Regenerationszeiten führten dazu, dass drei Läufe pro Woche das selten erreichte Maximum darstellten und alles über zehn Kilometer jeweils mehrere Tage Erholung erzwang.

Seit Anfang des Jahres wieder Mitglied im Sportverein mit Fitnesscenter wollte ich wissen, wo ich stehe und wagte einige Versuche auf dem Laufband. Sie zeigten mir knallhart: was früher relativ lockeres Wettkampftempo war und für Intervalle eher lahm, war jetzt absolutes Höchsttempo für wenige hundert Meter. Den Sechserschnitt (6 Minuten auf einen Kilometer und damit 10km/h) hielt ich einige verwegene Male maximal 200 Meter lang durch, wonach ich gehend, hustend und schwindelig nach Atem schnappend ums Überleben kämpfte … Meine in mehreren Lendenwirbeln versteifte arthritische Wirbelsäule legte jeweils auch Einspruch ein. Invaliditätsgefahr nach jedem Versuch.

Keine wirklich gute Basis für eine Halbmarathonteilnahme. War mir auch klar. Bin lange genug dabei gewesen … und trotzdem … fuhr ich hin. Gedanke: bei 4 Stunden von Startschuss bis Zielschluss für alle Distanzen sollte das Ding auch wandernd funktionieren. Und wandern geht ja noch ganz passabel.

Stellte mich am Start auf. Ermuntert und unterwegs mehrfach angefeuert vom besten Ehemann und dessen Mutter genoss ich die aufgeregte wimmelige Atmosphäre der Laufveranstaltung in der Altstadt vom saarländischen St. Wendel. Ist ja schon schön, dieses Getümmel und Gehibbel im Vorfeld. Bisschen wehmütig macht mich das auch wegen vieler schöner Erinnerungen und der Erkenntnis, wie wichtig dieser Lebensteil über viele Jahre für die Freude im Leben für mich war.

Kurz und knapp: ich wurde mit einer Zeit von 2:57:12 Letzte  (von 172 Teilnehmerinnen :-) 


 


Die letzte Medaille der letzten Zieleinläuferin - hart erkämpft! 


Von „locker“ konnte höchstens auf den ersten Kilometern die Rede sein. Spätestens ab Kilometer 10 schmerzte meine Ferse heftig. Abbrechen kam nicht in Frage. Die letzten ca. 5 Kilometer waren ein einziger Überlebenskampf unter Schmerzen. Positiv: ich habe ihn gewonnen ;-) 

Weiter positiv: die kurz darauf  einsetzenden heftigen Krämpfe in Rücken-, Po-, Ober- und Unterschenkelmuskulatur samt Schmerzen in der rechten Leiste, die mich nach dem Lauf mehrfach in extrem schmerzhaft verzerrte Verrenkungshaltungen und zu jämmerlichen Lauten zwangen, vergingen bald und nach einem Folgetag in den Saarland-Thermen in Kleinblittersdorf mit Mineral- und Dampfbädern, Saunagängen und köstlicher Bewirtung zeigten sich fast  alle Problemstellen weitgehend befriedet. Die linke Ferse allerdings … auch sie gebärdet sich zwar seit einigen Ganzkörperbädern im 10°C kühlen Idarbach vor dem heutigen Frühstück gnädiger als zuvor, lässt  jedoch weiterhin nur humpelnde Weiterbewegungsformen zu. Abgemildert durch einen in die Socke gestopften dämfpenden Topfschwamm. Sag‘ noch jemand, ich wäre nicht findig bzw. würde mir nicht zu helfen wissen ;-)




Der den Lauf umrahmende fünftägige Urlaub mit Mann und Mobil,  stimmungsvollen Unternehmungen an unterschiedlichen Stationen in Eifel und Hunsrück  mit familiären Begleitungen, Bewirtungen, (Hunde-)Spaziergängen, Restaurantbesuchen, schönen Städtchen als Zwischenstationen und auch das perfekt mitspielende Wetter  hat alles zu einem prima gelungenen Urlaubspaket geschnürt. 

Die Ferse? Die wird schon wieder …  *winkend und weiterhumpelnd* ….