fragt man Wikipedia nach der Bedeutung „Tramp“, liest mensch viele Begriffe und Herleitungen; eine weibliche Form dieser Gestalt wird nicht angeboten. Die „Tramperin“ bzw. das „hitchhike baby“ beziehen sich schon nur noch auf die Fortbewegung per Autostop. Die zugrunde liegende Bedeutung des „wanderns“ oder „streunens“ ist nicht mehr enthalten. Und obwohl ich fast dreißig Jahre meines Lebens als Angestellte im ö.D. zugebracht habe, fühle ich mich tief im Herzen weiterhin ein bisschen als genau das: eine Streunerin, die - bevorzugt alleine und selbstbestimmt unterwegs - nicht bis ins Detail plant, wo die Wege hinführen. Überraschungen inbegriffen.
Aber auch der Part des Autostop-Reisens gehörte in Jugendjahren zum eigenen Selbstverständnis. Zunächst aus praktischen Gründen der eine auswärtige Schule besuchenden Schülerin, die mit dem schnellen Daumen flotter vorankam und Monatskartengelder in die eigene Tasche wirtschaften konnte, wurde es zur bevorzugten Fortbewegungsform auch aus erlebnistechnischen Gründen. Nur selten gab es für mich einige kniffelige, unheimliche oder gar zwei bis drei bedrohliche Situationen. Immer gut ausgegangen.
Zu den prägendsten, berauschendsten und erhebendsten Erinnerungen meines Lebens gehört: mit Rucksack im August an einer staubigen Wüstenstraße im Sinai (1981 noch zu Israel gehörend) zu stehen und auf anhaltende Autos zu hoffen. Auf die Ladefläche zu springen oder einzusteigen und immer wieder lustige, interessante, seltsame aber auf jeden Fall andere und neue Begegnungen zu erleben.
Man hört oft die Empfehlung, immer mal wieder ganz was neues zu unternehmen. Ist sicher prima für‘s frisch fühlen und Hirnwindungen geschmeidig halten. Aus eigener Erfahrung erweitere ich auf: „Mach‘ doch mal was altes wieder jung!“
Das mit dem Trampen entsprang bei mir eher dem Zufall und den Wirren des vor vier Wochen in Bayern herrschenden Hochwassers, das mich in Folge der Nahverkehrs- und eigener, nicht näher auszführender Blödheitsverwirrungen, nicht wie geplant in Plattling sondern im mir bis dato unbekannten Osterhofen (Niederbayern) aus einem Zug an einen extrem verlassenen Bahnhof spülte, von dem aus laut Anzeigetafel in absehbarer Kürze kein Zug mit Anschluss an die Waldbahn losfahren würde. Was tun?
GoogleMaps zeigte eine Bundesstraße in der Nähe und Plattling keine 20 Kilometer entfernt an. Kurz überlegt und *Daumen raus* erstmal von einem älteren Herrn bis ins Zentrum mitgenommen, von dort an der Bundesstraße keine Minute warten müssend, hielt in Rekordgeschwindigkeit ein etwa Gleichaltriger im weißen SUV, der Trampen noch kannte und mein Erscheinungsbild als „so verloren und harmlos aussehend“ betitelte.. Weswegen er ohne langes Nachzudenken einfach hätte halten müssen.
Ich: „DARAUF habe ich gebaut: dass erstens noch jemand weiß, was so ein rausgestreckter Daumen bedeutet und ich zweitens mit grauen Haaren NOCH harmloser aussehe als vor 40-50 Jahren :o)“
Es war die anregendste, beschwingendste, nachdenklich machendste und unterhaltsamste halbe Stunde seit langem. Ich wurde direkt vor dem etwas außerhalb liegenden Bahnhof Plattlings quasi nahtlos in die dort wartende Waldbahn entlassen und beide Beteiligten waren sich einig: „Man sollte doch häufiger mal wieder alte bzw. für heute ungewohnte Dinge tun: z. B. trampen oder TramperInnen mitnehmen!“ (o. a.)
Gestern dann geplant: eine weitere Liebe - nicht ganz so alt aber doch auch fast schon 25 Jahre Traditon - nach Jahren der Pause neu aufleben zu lassen: eine Wanderung zum Jochberg am Walchensee. Anfahrt mit Zügen und Bus. Im Prinzip gut gedacht - durch Zugverspätung dummerweise den stündlich fahrenden Bus in Kochel knapp verpasst. Hier eine Stunde rumstehen für die knapp 10 Kilometer bis zum Kesselbergpass? hmmm … doof … also mal wieder: *Daumen raus* und *zack* .. drittes oder viertes Auto hielt. Der Fahrer (Segler am Walchensee) wieder so etwa meine Generation gleich ganz locker (klar - so im Wanderoutfit und in für Autolose schlecht angebundenen Berggegend weiß jede/r sofort, was die Seniorin mit Rucksack plant): „Na, welche Tour hast du vor? Jochberg oder Herzogenstand?“
Jochberg. Noch eine „Liebe“, die vermutlich ewig währt. Auch wenn dort inzwischen sogar wochenmittig ordentlich was los ist, die Wege - den Massen geschuldet - fast wie eine durchgängig befestigte Holztreppe daherkommen und sich von Mal zu Mal einiges verändert: die Aussicht von oben: DER Hammer! Immer wieder erhebend, demütig und dankbar machend für alles. Und überhaupt.