17 Mai 2022

Rückweg, Wellness, Urlaubsende und ein Resümee

Am Freitag den 13. Mai kam ich kurz vor Mitternacht wieder in München an. Nach drei Wochen unterwegs. Exakt notiert habe ich mir die gefahrenen Kilometer nicht. Aber es waren irgendwas um die fünftausend, vermutlich ein paar mehr davon, die die Räder in dieser Zeit gerollt sind. Die letzten 2.200 Kilometer mit Dauerwarnmeldung des Motors: bei jedem Start ein Piepen mit der mehrfachen Aufforderung, den Motor kontrollieren zu lassen. Dauerhaft leuchtende Motorkontrollleuchte. So richtig entspannend ist das nicht. Nach Recherche entschloss ich mich aber, die Kontrolle auf die Zeit in Deutschland zu verschieben (steht noch aus).

Die längsten Fahrtage gingen mit acht Stunden auf der Straße durch. Inclusive tanken. Pausen habe ich dabei sehr selten und wenn, dann extrem kurze gemacht. Wollte ich an einem konkreten Ziel ankommen, habe ich auch meist komplett  durchgezogen. Nach solchen Tagen blieb für nicht viel mehr Zeit als zum Platz beziehen, bisschen auspacken, essen, vielleicht ein kleiner Spaziergang und einige Sachen besorgen.

Häufiger waren die Distanzen und damit auch die Fahrtzeiten kürzer. Vier oder sechs Stunden pro Ortswechsel. Einige Male auch nur drei Stunden. Summa summarum müsste ich aber deutlich mehr als 60 Stunden rein fahrend verbracht haben. Im Mobil ist das für mich noch erträglich. Als nicht allzu begeisterte Autofahrerin - besser gesagt: ungern lange  Stillsitzerin - finde ich das im Nachhinein betrachtet viel zuviel. 


So erreichte ich nach einem dieser langen Rückfahrttage - noch dazu bei Hitze und auf nicht-Autobahnstrecken mit dicht in beide Richtungen aneinandergereihtem Dauer-Fernlastverkehr - ein kleines Örtchen "Digoin", von dem ich bei der Entscheidung, auf einem dort angezeigten Wohnmobilstellplatz (eine Art Volksfestplatz mit noch vielen Schaustellern und anderen Fahrzeugen), nicht mehr wusste, als dass es sich in Frankreich und an meinem Weg befindet.

Ich war groggy. Fertig. Müde. Nach mehreren Tagen des Dauerfahrens grunderschöpft. Und beschloss, mich keinen Meter mehr aus dem Mobil wegzubewegen. 

Wenig später: "mal auf Google-Maps gucken, wo ich eigentlich bin, wie weit es morgen noch sein wird etc." und was sehe ich: nur wenige Meter hinter mir bzw. hinter diesem großen Platz fließt die Loire.


Hmmm ... okay, dann eben doch noch einen Abendspaziergang machen. 

Ein einziger großer Chor aus Vögeln und quakenden Fröschen empfängt mich am Fluß. 

In der Richtung "weg von der Fernverkehrstraße" befindet sich ein extrem naturbelassenes Naturreservat mit wuchernden Pflanzen, vielen Tieren und es verläuft auf einer Brücke über die Loire ein schiffbarer Kanal. 


Leider hat die Schleuse schon geschlossen und so gibt es an diesem Tag keine Fotos mehr von Schiffen, die auf Brücken über den Fluss fahren (ich kenne es von der Kanalüberführung über die Ems nahe Münster und auch nahe Magdeburg fahren Schiffe im Kanal über die Elbe. Immer wieder eine Besonderheit, finde ich.) So brachte mir der zweistündige Abendspaziergang doch noch einen unerwarteten Erholungseffekt und Balsam für die geschundene Autofahrerinnenseele.


Das Froschkonzert aus den Feuchtgebieten quakte mich an diesem Abend in den Schlaf.


Balsam für die Agnostikerinnenseele auch die von außen eher klobig wirkende Ortskirche, die sich innen als stimmungsvoll, angenehm kühl und - man erkennt es auf den Fotos nicht wirklich - erhaben-anrührend erweist. Ein kleines Vorab-Dankeschön von hier ging an alle höheren Mächte für die bisher glücklich und weitgehend reibungslos verlaufene Reise.

Am Folgetag begab ich mich gegen 10:00 Uhr auf die letzte "Auslandsetappe" und erreichte ca. vier Stunden später Müllheim in B-W.


Ahhh - eine Eisdiele! Entspannen! eine ruhige und gut sortierte Fußgängerzone, einladende Restaurants ... und ich stelle fest: ich bin hier sozialisiert. Fremde und neue Eindrücke schön und gut. Aber die hiesige Infrastruktur ... sie liegt mir doch näher und kommt meinem Alter entgegen. Diesen Nachmittag genieße ich sehr. Übernachte auf einem Wohnmobilstellplatz nahe einer Sportanlage am Ortsrand und stelle fest: gut besucht! Außerhalb der Ferien und an einem Donnerstag stehen hier in diesem mir vorher nicht bekannten Städtchen über ein Dutzend Wohnmobile (aus D, F und der CH).



Auch für die Thermen-Infrastuktur sind nicht nur meine alternden von Arthrose geplagten Gelenke empfänglich, sondern auch die Bewohner der angrenzenden Länder. Mindestens die Hälfte der Gäste - eher mehr - sprechen Französisch. Alle Beschriftungen und Erklärungen sind in Deutsch und Französisch gehalten. So schließe ich mit einem Besuch der Cassiopeia-Therme in Badenweiler am Freitag den 13. Mai meinen Urlaub quasi so ab, wie ich ihn gestartet hatte. 

Denn: was im Blog noch nicht auftauchte, da das "Tagebuch" erst in Katalonien begann: die erste Urlaubsübernachtung hatte in Bad Saulgau stattgefunden mit einem anschließenden Besuch der dortigen  "Sonnenhof-Therme".




Auch in Müllheim und Badenweiler wachsen Palmen und übrigens auch große Rosmarinsträucher (ohne Foto). Warm ist es auch. Ziemlich sogar. Ein Wärmegewitter hinterlässt Schwüle.


Trotzdem beschließe ich, das endgültige Urlaubsende (und der dazugehörigen nochmal fünfstündigen Fahrt auf überfüllten deutschen Freitag-Abend-Autobahnen mit Staus und Baustellenchaos) noch zugunsten einer kleinen Wanderung hinauszuzögern. Schöne Wanderwege gibt's hier schon auch. Viel Grün. Und: Ausschilderungen ;)


Ausblicke in die Weite und sogar Höhlen in den Felsen. Alles da.



*

Kleines Resümee zum guten Schluss

In den drei Urlaubswochen habe ich viel gesehen, erlebt und auch einiges daraus mitgenommen. Bin aber vor allem viel gefahren. Zuviel! für meinen Geschmack und meine Neigungen. Von den exorbitanten Diesel- und Mautkosten mal ganz abgesehen. Alleine davon hätte ich anderswo einen Luxusurlaub verbringen können.  Daher wird eine solche Tour in diesem Format vermutlich nicht mehr wiederholt sondern anders angegangen. 

So, dass weniger Tage im Auto und auf Strecken verbracht wird. So, dass mehr "Ankommen" und "Dort sein" stattfinden kann.

Heißt konkret: frühestens in Rentenzeiten - sollte bei mir dann noch das Bedürfnis danach vorhanden sein - werde ich derartige Strecken nochmal im Wohnmobil zurücklegen. Mit deutlich mehr Zeit.

Die jetzt noch üblichen max. drei zusammenhängenden Urlaubswochen auf kürzere Ziele verlegen oder eben mit anderen Transportmitteln als Auto oder Wohnmobil planen.

Also ab jetzt: Schwarzwald, Harz, Bayerischer Wald und Böhmerwald, Pfalz, Kärnten, Tirol und andere Gegenden Österreichs .. und es gibt ja noch die Schweiz, viele Ziele in Italien ... auch mit weniger Kilometern lassen sich tolle Gegenden finden.  Bei drei Wochen Zeit würde ich den Fahrradius keinesfalls mehr höher setzen als 1.000 Kilometer (eine Woche: max. 500 Kilometer, zwei Wochen max. 800 Kilometer ... so irgendwie ...). Immer mit der Tendenz: drunter bleiben.

Klar: alle genannten Ziele sind weniger "wild" als die viel weniger übervölkerten Länder des Südens, sind enger, sind oft wegen hoher Nachfragen vorzubuchen oder - außerhalb der diversen Ferienzeiten - kalt, nass und nur mit Glück "wohmobilkuschelig" für eine wie mich, die Wärme, Freiheit, Natur aber auch und insbesondere viel Licht schon im Frühling oder wieder im Herbst liebt. Aber die Infrastruktur in vielen Dingen ist komfortabler. Wie sagt der Volksmund so treffend: "Du kannst nicht alles haben." Oder um es mit Kurt Tucholsky auszudrücken ( aus "Das Ideal"): 

"Ja, das möchste!

Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten –
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.

Etwas ist immer.
Tröste dich.

Jedes Glück hat einen kleinen Stich.

Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat:
das ist selten."

(1927)



Einige Stichpunkte und Randgedanken auch noch - einfach mal so zusammenhanglos in den Raum geschrieben:


  • Autofahren: die Tempolimits in F und E  (130 km/h auf Autobahnen und 90 km/h auf Landstraßen, weitgehend 30km/h innerorts) empfinde ich als extrem entspannend und den Verkehrsfluss beruhigend und entstressend. Ist in D wirklich lange überfällig! (by the way: obwohl ich mir wirklich Mühe gegeben habe, alle Regeln einzuhalten, ist mir wohl ein Tempolimit-Schild durchgeflutscht. Gestern kam die schriftliche Forderung aus Spanien, 50 Euro zu überweisen, weil ich mit 105km/h geblitzt wurde, wo 90km/h erlaubt waren).

  • Die Spanier habe ich so als Rundumeindruck (mir ist bewusst, dass es alle Sorten an Menschen überall gibt aber es gibt nun auch oft gegendtypische Gesamteindrücke) als extrem entspannte, freundliche, gelassene und auch als Autofahrer sehr rücksichtsvolle Zeitgenossen erlebt (die Franzosen auf der Durchreise nicht ganz so ...). Gefördert wird dies  beim Autofahren wohl auch durch eine Infrastruktur, die Rücksicht vielerorts erzwingt. So sind die Zebrastreifen fast überall nicht nur aufgemalt sondern auf erhöhte Fahrbahnschwellen verlegt, die ein Abbremsen davor schlicht erzwingen. Überhaupt finden sich in Ortschaften viele dieser den Verkehrsfluss verlangsamenden Schwellen, Rüttelstreifen etc. Find' ich gut. Will ich hier auch haben!

  • es gibt auf den innerländischen Autobahnen dort deutlich mehr "Grün- und Wildbrücken" als in Deutschland. Jedenfalls hatte ich diesen Eindruck. In Frankreich waren auf der letzten Autobahn genau von diesen sehr viele aktuell im Bau. Es ist mir schon 2019 in Kroatien aufgefallen, dass dort mehr davon als hier vorhanden sind. Dabei ist Deutschland doch viel "vom Verkehr zerfressener". Wieso hat ein derartig wohlhabendes Land so wenig für seine Wildtiere übrig? Oder was sehe bzw. interpretiere ich falsch?

  • Betrifft: die noch viel kleineren Wildtiere: in Spanien hatte ich - trotz Monokulturwüsten und vieler sehr trockener, pflanzenarmer Landstriche - permanent von toten Insekten zugekleisterte Windschutzscheiben, Scheinwerfer, Kennzeichen ... ich musste so oft es ging putzen und  schrubben (gar nicht so einfach bei einem so hohen Mobil), der gelegentliche Regen kam gelegen für bessere Durchsicht. Alles  an der Mobil-Vorderfront war schwarz, braun, gelb, orange und rot zugebatzt von Insektenmatsch und Insektenblut. Abgesehen davon, dass mir auch der Tod dieser kleinen Viecher ans Gewissen ging ... immerhin zeigt das: es gibt davon ziemlich viele.
    Auch viel viel mehr Vögel, Reptilien etc. hört bzw. sieht man unterwegs auch dort, wo keine Naturparks sind. Auch dort, wo es eher industriell, verkehrslastig, monokulturig zugeht. Wie kann das sein? Es wird sich oft darüber beschwert, dass in diesen Ländern Vögel zum Essen gefangen werden. Ja klar - mag unschön sein. Aber immerhin gibt es da welche. In Deutschland scheinen sie großflächig gleich vergiftet zu werden.
    Denn: es ist auffällig - nach Verlassen des Loire-Gebiets schon in Frankreich auf Deutschland zu  zeigte sich kaum noch neuer Insektenbatz auf dem Fenster. Stetig abnehmend. Und kaum in Deutschland angekommen: VORBEI! Alle paar Stunden mal eine Mücke, ein Falter oder irgendwas. Aber weit weg von den Dauereinschlägen vorher. Sehr auffällig. Daher die Frage: was wird in Deutschland anders gemacht, dass die alle tot sind? Dass es kaum noch Kleinleben in der Luft gibt? Hier ist es viel grüner, scheint optisch viel lebendiger, was Pflanzen und Bewuchs angeht. Aber: kaum Insekten, kaum Vögel. Finde ich bedenklich.


10 Mai 2022

on the road again - von Andalusien bis in die Pyrenäen

 Montag, 09. Mai - Dienstag 10. Mai

Der Abschied fiel mir fast ein bisschen schwer. Aber nützt ja nix. Am späten Vormittag war ich startklar: die Kefirknöllchen gefuttert und gefüttert, nochmal den Abwasch erledigt, Pipibox geleert, Tisch und Stühle sowie das Interieur zusammengelegt und verstaut, Kabeltrommel und Stromutensilien verstaut, die zu kühlenden Sachen samt Kühlakkus vom Kühlschrank in die Box im Heck umgepackt, Fahrrad zusammengeklappt und verstaut, Platzkosten - für die 5 Nächte gerade mal etwas über 80 Euro - bezahlt ... es kommt doch immer einiges zusammen bei diesen Platzwechseln.

Die Strecke führt zunächst  noch viele Kilometer auf engen gewundenen Sträßchen durch  den Naturpark, an einigen Miradores (Aussichtspunkten) halte ich noch für ein paar Abschiedsfotos an.


Bis beim auch sehr hübshen! Örtchen Puerta de Segura die Straßen wieder etwas komfortabler werden. Wobei das relativ ist. Ich habe mich entschlossen, nicht wieder die schnellere Küstenstrecke heimwärts zu rollen sondern auf eine etwas mittigere Alternative durchs spanische Hinterland zu setzen. Eine grandiose Entscheidung! Am liebsten würde ich an jeder zweiten Ausfahrt rausfahren (Haltebuchten bzw. Möglichkeiten für schnelle Stopps an Autobahnen, Schnellstraßen oder auch kleineren Landstraßen existieren hier quasi nicht oder so gut wie gar nicht. Jeder Halt ist mit Mühen verbunden, die Tankstellen genau dort, wo es mal so gar nix zu knipsen gibt.

Und ich will ja vorwärts kommen. Der nächste Halt soll in Teruel , der Hauptstadt der mir vorher  komplett unbekannt gewesenen Provinz Aragonien stattfinden und die Erfahrung hat gezeigt, dass es mehr bringt, sich einen Ort etwas intensiver vorzunehmen und dafür nicht an jeder Kirche, jedem Aquädukt, jedem Canyon oder ausgeschilderten Kloster anzuhalten. Obwohl es reizt. Von der STraße aus sieht man reichlich davon, noch mehr  Ausschilderungen zu  irgendwas  sehenswertem und überhaupt erfahre ich, dass ich mich städnig auf irgendwelchen "Routes touristicos ... irgendwas" befinde. Naturparks sind ausgeschildert, die Landschaften wechseln sich mit drastischen Veränderungen ab - eine beeindruckender als die andere. 

Vorbei ist es mit den Monokulturen. Hier im Hinterland - und schon dafür hat sich diese Route gelohnt - gibt es alles: steppenartige Hügellandschaften, felsige Gelände,  größtenteils Hochebenen - ich bewege mich fast den ganzen Tag auf Straßen um die 1000 Meter üNN - ein Pass zeigt 1300 Meter an. Es wechseln sich in schneller Folge auch landwirtschaftlich genutzte Flächen: Wein, Obstbäume, Oliven und viel Getreide - immer wieder ab. Zwischen den Bäumen, an Straßenrändern und auf den Brachen wahre Blütenmeere. Es  dominiert dunkelroter Mohn. Meist gemischt mit vielen Gelbtönen aber auch Rots und Blaus kommen immer wieder als Farbspiele dazwischen, daneben und miteinander vor. Das Fahren auf den sehr leeren Straßen ist ein Genuss. Ab und zu der Wunsch vorhanden, in eine der Landschaften auch einzutauchen. Aber es wartet ja die Weltkulturerbestadt Teruel auf mich.

Gegen 17:00 Uhr erreiche ich den kostenlosen Wohnmobilstellplatz am Stadtrand. Ist okay. Ziemlich  viele Wohnmobile  - so 30 etwa. Scheint ja wirklich zu lohnen, der Besuch hier.

Erwartungsvoll begebe ich mich mit dem ausgepackten Rädchen auf den Weg ins ca. drei Kilometer entfernte Stadtzentrum. Es ist eine hügelige  Landschaft, auf die Teruel gebaut  wurde, so  dass es massenhaft alte und neue Viadukte gibt. Einige sogar übereinander. Ich  habe nur das erste und vermutlich bedeutungsloseste  fotografiert:


Danach kam ich ins Altstadtzentrum. Schon auf dem Weg dorthin war mir aufgefallen, wie voll und verstopft mit Autos alle Straßen sind. Kaum Radwege, hier und da mal kleine Schnippsel. Vor dem Altstadtzentrum  lässt es sich noch einigermaßen auf den breiten Fußgängerwegen fahren. Aber man merkt, dass hier in Teruel alles  auf Autos  abgestimmt ist. Es knubbelt  sich, staut sich, macht irre Krach und ... ich bin gestresst.

Vermutlich lag es in erster Linie daran, dass mir diese Stadt nichts geben konnte und ich sie nicht würdigen. Auch im Zentrum war es voll, eng und hier hatte ich Verständnis dafür, dass viele Menschen Schutzmasken trugen: trotz der eigentlich freien Höhenlage stank es erbärmlich nach Abgasen. Und wo nicht das, wehten massive Parfumdüfte der Passanten immer wieder in mich stressender Strenge in die Nase. Eine spezielle Mode dieser Stadt oder fällt mir das sonst nur weniger auf?

Es gibt sie tatsächlich, die geschichtsträchtigen Gebäude. Ich habe mein Rad im Gewühl einkaufender Menschen daran vorbeigeschoben. An Fahren war nicht zu denken. Denn die Innenstadt ist voller Läden aller Art. Eine einzige Shoppingmeile. Wer darauf steht: hier gibt's alles - auch diese edelnamigen Boutiquen. Besonders den hier angebauten Wein, Würste und riesige Mengen vom  Jamon de Teruel könnte man an jeder Ecke  kaufen. Aber schon weil ich auf der Autobahn gleich mehrere sehr alte und in keiner Weise mit Kühlvorrichtung oder sonstigen Erleichterungen dieser furchtbaren Tierqual aussgestatteten Schweinetransporte gesehen habe, dreht es mir beim Gedanken daran Herz und Magen um. 

Mir ist nach nichts von alledem. Denke mir: die Bilder von den Sehenswürdigkeiten sehen im Internet irgendwie schöner und beeindruckender aus. Lasse das Handy stecken. Nicht ein Foto  habe ich mehr gemacht. Auch als ich am "Mausoleo  de los amantes", dem Mausoleum der zwei Liebenden, vorbeikomme und es noch geöffnet ist, habe ich kein Bedürfnis, es zu besichtigen. Auch die davor kostenlos zu sehende Statue  der beiden, die von einigen Touristen fotografiert wird, lasse ich unbeachtet. 

Die  Liebesgeschichte der beiden (angeblich - ich finde  ja, es sind Zweifel erlaubt, ob  die Liebe nach den Jahren des Wartens noch auf Gegenseitigkeit beruhte), so  eine spanische Romeo und Julia- Story, ist reichlich merkwürdig. Wie das Mausoleum aussieht, sehe  ich auch im Internet ... ich bin ungnädig, grantig, habe keine Lust  mehr auf Stadt, Gestank, alte Gemäuer, Andenkenläden .. und schiebe zurück zum Wohnmobilplatz  im Gewerbegebbiet am Stadtrand. 

Wach werde ich mitten in der Nacht. Denn  nebenan ist ein Parkplatz für Lastwagen, die ab  vier Uhr in der Früh auf Fahrt gehen. Nicht ohne vorher  erstmal den Motor  im Stand ein paar Minuten laufen zu lassen. Trotzdem schlafe ich nochmal ein und begebe mich nach einem Lesestündchen  zum Kaffee gegen 10 Uhr auf die Weiterfahrt. Bloß keine Stadt  mehr - soviel steht für mich fest. Mein Pensum an größeren Menschenansammlungen ist - Kulturerbe hin oder her - für diesen Urlaub  gedeckt.

Bleibe trotzdem bei dem Entschluss - ich könnte nochmal wieder umswitchen - nicht die Küstenstrecke zu nehmen sondern eine im Inland. Vorbei  an Zaragoza durch die Pyrenäen.



Wieder tolle und sich heftig abwechselnde Landschaften. Ausgeschilderte Naturparks, von denen vermutlich jeder einzelne für einen Urlaub gut wäre. Wieder nur sehr wenige Halts für ein paar wenige Bilder. 



Jetzt bin ich wieder in den Pyrenäen. Diesmal aber "so  richtig" mittendrin. Die Straßen teilweise echt heftig: enge Serpentinenstrecken, auf denen mir hier und da gelgentlich mulmig wird. Insbesondere, da mir auch ab und zu Laster oder Busse entgegenkommen. Nicht überall passen zwei Fahrzeuge aneinander vorbei. Man muss vorausschauend fahren und rechtzeitig, wenn man auf der Gegenfahrbahn jemanden kommen sieht, in eine der teilweise abenteuerlichen Haltebuchten ausweichen. 

An manchen Stellen, wo man wegen überhängender Felsen nicht um die Kurven sehen kann, sind Spiegel installiert. Es fährt sich anstrengend und gut, dass mein Mobil doch noch halbwegs wendig und kurz ist. Auf einer der Straßen ist die eine Straßenhälfte wohl durch Wasserunterspülung - von der Straße aus sind mehrere Flüsse und auch beeindruckende Wasserfälle an den Felswänden zu sehen (keine Chance auf ein Foto) - einfach weg. Da ist ein riesiges Loch ins Nichts. Die Stelle wurde bereits "gesichert", indem die weggebrochene Hälfte mit solchen rot-weißen Hütchen abgegrenzt wurde, zwei Ampeln davor und dahinter stehen, so  dass die Straße ein paar hundert Meter lang nur noch einspurig an der weggebrochenen Stelle vorbeiführt. Da kann mensch schon mal kurz schlucken und hoffen, dass es nicht genau in dem Moment weiterbröckelt, wo man selber dort entlangrollt.



Trotzdem bin ich froh, diese Strecke genommen zu haben. Beeindruckende Landschaft hier im Naturpark der hohen Pyrenäen schobn vom Mobil aus.



Nachdem ich die Serpentinen und einige Tunnel hinter mir gelassen habe, werden die Haltemöglichkeiten an den Straßen auf französischer Seite deutlich großzügiger. Auch sind die Straßen nicht mehr gar so eng.


Als ich - wieder ist es 17:00 Uhr und wieder war es ein langer Tag auf der Straße - im kleinen Talort Sarrancolin  einen ausgeschilderten Campingplatz  entdecke, steuere ich ihn an. Die Einfahrt ist mit einer Kette verschlossen, er sieht extrem ruhig aus. Ich bemühe den Google-Translator, mit dessen Hilfe ich mir  die benötigten Sätze für den Einstieg zurechtlegen lasse - eigentlich ganz einfach - sie mir merke und als ich  tatsächlich auf dem Gelände, auf dem ich die einzige Camperin zu sein scheine, eine Frau finde, die zuständig  ist, bringei ch sie an.

Super Sache: der zunächst misstrauische Blick verfliegt, sie erklärt mir  alles auf französisch und ich tue so  als würde ich mehr als nur die Hälfte verstehen (dafür reicht mein verstaubtes Schulfranzösisch gerade noch und Strom, Toiletten etc. ... ist eigentlich leicht und immer dasselbe) und als dann meine aktiven Sprachkenntnisse doch versiegen, besteht  schon eine sprunghaft angestiegene Bereitschaft auf der Gegenseite, die weitere Kommunikation in diversen Mischformen zu gestalten.

Gelernt: lege dir  in Frankreich - und anderswo  ist das sicher auch nützlich - für den Einstieg  eines Gesprächs zwei, besser drei, souveräne französische Sätze bereit: Begrüßung, höfliche Floskel und eine sachliche Frage z. B. und schon ist die weitere Kommunikation mit welchen Ausdrucksweisen auch immer geritzt.  Und wie meine Französischlehrerin in der Schule dermaleinst vor deutlich mehr als 40 Jahren mir sagte und was ich nie vergaß: "Dein Französisch insgesamt ist  alles andere als zufriedenstellend. Aber deine französische Aussprache ist wirklich sehr schön!" Damit punkte ich auch heute noch. 


Das Örtchen ist klein, liegt im Talkessel. Die Sonne verschwindet also früh. Aber warm und geschützt ist es, was auch die freiwachsenden Palmen zeigen. Ich bin ohnehin müde. Schnell zum Abendessen noch den Blogeintrag einstellen ... dann geht's morgen weiter.



08 Mai 2022

Aguamulas - entlang des "Wasser der Maulesel"

 Sonntag, 08. Mai 2022


Eine Wanderung soll es noch sein. Aber wohin?  Dass es eine spanische Wanderkarte dieser Gegend zu kaufen gibt, habe ich gestern im Dorfladen gesehen. Fand das jetzt aber irgendwie zu spät. Google Maps zeigt mir immerhin diejenigen Wege, die im Prinzip autotauglich sind. Und an der Straße sehe ich  ganz in der Nähe des Campingplatzes  ein Hinweisschild zu einem Weitwanderweg, der auf der anderen Seite des Guadalquivir verläuft.

Was Ausschilderungen von Wandertouren angeht, ist das hier ein bisschen anders als in Deutschland oder den angrenzenden Alpenländern. Wenn überhaupt, dann finden sich nur an den wirklich bekannten Touren Ausschilderungen. Und diese recht spartanisch. An zentralen Punkten kommt mal ein Schildchen, dann in wirklich oft  sehr langen Abständen ein Wegezeichen und ansonsten oft kilometerweit nichts. Am Weg auftauchende Höhlen, verlassende Almen, Abzweigungen zu anderen Wegen ... nichts ist ausgeschildert. Die Wandersfrau weiß, wo es dort hingehen könnte oder sie erfährt es auch nur, wenn es sich um einen der ganz berühmten Wege handelt und sie genau hinguckt.


Nun besaß ich keine Karte der Gegend aber so ein ausgewiesener Weitwanderweg entlang eines Flüsschens, des "Aguamulas" der sollte unproblematisch sein, finde ich. Ich fahre also  die ersten paar  Kilometer mit dem Rad, schließe es, als  eine Schranke auftaucht, dort ab und gehe zu Fuß weiter.

Der Weg, ein recht breiter teils sandig-huckeliger, teils steiniger Weg mit nur moderaten Steigungen, wäre noch eine Weile  fahrradtauglich  gewesen. Aber mir ist an diesem Tag mehr nach wandern.



Es ist ein schöner Weg. Leicht zu gehen mit wunderbaren Ausblicken, Möglichkeiten, ans Wasser zu gehen und davon zu trinken. Denn auch für menschliche Esel ist es erfrischend und durstlöschend.

Señor Sol legt inzwischen richtig los  - die Temperaturen bewegen sich um 30°C.Wobei das für Andalusien um diese Zeit normal ist. Nächste Woche werden noch bis zu fünf oder mehr Grad mehr erwartet.


Umso verwunderlicher scheint mir, dass mir in den acht Stunden eines perfektwetterigen Sonntags, die ich diesen wunderbaren Weg entlangwandere, kein einziger anderer Mensch begegnet außer ich mir selber. Eine wunderbare Gelegenheit, sich ein bisschen besser kennenzulernen ;-)


Die Menschenleere kann natürlich damit  zu tun haben, dass dieser Weg wirklich lang ist und - sofern man keine der Weitwanderstrecken geht - im Grunde kein Ziel hat. Weitwanderung bis zum nächsten Refugio fällt für mich flach. Als dieses  Schild an einer markanten Stelle auftaucht, habe ich schon mehr als 10 Kilometer in den Beinen und ich muss ja auch zurück zu Rad und Mobil.


Ein bisschen weiter gehe ich noch. Denn jetzt wird`s erst richtig trailig.


Immer wieder macht der Weg Biegungen und gibt Blicke in andere Richtungen frei. Heute muss ich gar nicht groß warten, bis ich "die andere Seite" sehe. Im Gegenteil bieten sich gleich mehr als zwei Seiten von alleine an.


Immer wieder auch Abschnitte durch Pinienhänge, wie immer unglaubliche Mengen an Rosmarin. Aber auch Thymian, Lavendel, Zistrose und viele andere Kräuter säumen die Wegränder.


Es wird karger, ich überwinde  eine Höhe, erwarte den Ausblick auf wieder eine "andere Seite" 


Aber es folgt der Blick auf die Steinreste einer verlassenen Alm. Wiesen. Eine Art Talkessel. Rundum Felsen, Baumgruppen, Abhänge. Es ist extremst idyllisch. In der heißen Nachmittagssonne steigen Kräuter- und Baumdüfte in die Nase. Insekten brummen, sirren, flattern. Grillen zirpen.

Nach einer Stärkung mit den mitgenommenen Vorräten strecke mich im warmen Gras aus und döse ein halbes  Stündchen vor mich hin. 

Nebenbei bemerkt: hier gibt es auch nirgendwo an den Wegen aufgestellte Bänke, Tische oder sonstige bei uns wandertypisch gebotene Infrastruktur. Absolut nichts dergleichen. Will man sich setzen, sucht man sich einen Baumstamm oder einen Stein.


Inzwischen bin  ich fünf Stunden unterwegs. Keine Menschenseele weit und breit. Übrigens auch kein Handynetz. Passieren sollte einem hier möglichst nichts ernsthaftes. Laut Höhenlinien auf der Karte müsste ich ca. 800 Höhenmeter erwandert haben.

Ich habe hier bei der ehemaligen Alm bisher keinen Hinweis darauf gefunden, wo der Weitwanderweg jetzt weiter verläuft. Keinen sichtbaren Weg, kein Schild. Irgendwie möchte ich vor dem Umkehren doch noch rausfinden, wo es weitergegangen wäre ... wandere  ein bisschen in jede Richtung, finde  rot-weiße Kreuze. Was übrigens bedeutet: hier geht es nicht weiter! Um das zu kapieren, musste ich allerdings einmal erst falsch einbiegen. Anstatt deutlich den richtigen Weg zu kennzeichnen, kommt es nicht selten vor, dass an fraglichen Stellen nur der falsche Weg mit diesem Kreuz als eben der falsche markiert ist. Ohne in einem Zug auf den richtigen hinzuweisen.

Rot-weißer waagerechter Balken bedeutet: richtig.   Rot-weißes Kreuz: falsch. Gewöhnungsbedürftig. 

Irgendwann entdecke ich im Talkessel  einen Holzbalken mit der "richtig-Markierung". Dort ist es saftig-grün, es wird ein wenig matschig-weich. Als ich in diese  Richtung schlendere weht  mir plötzlich ein sehr strenger Geruch in  die Nase. Ich erkenne ihn: Wildschweine! Spuren sieht man überall, wenn man hier wandert. Aber die Tiere selber lassen sich - mir ist das ganz recht - nicht so leicht blicken. Und nun ahne ich: da unten in der feuchten Senke ... da halten sie ihre Nachmittagsruhe.


Nun ist es ohnehin an der Zeit, umzudrehen. Und mit  aller Gewalt möchte ich dann doch keine brenzlige Situation provozieren.


Begebe mich auf den Rückweg. 

Wenn ich früher eine zu wiederholende Hin-Rückstrecke gewandert bin, fand ich das meistens eine nicht so tolle Sache.  Mehr so die Notlösung wenn es nicht anders geht. Mag oder mochte Rundwege lieber. 

Diesmal erinnere ich mich wieder: genau wie man niemals zweimal in denselben Fluss steigen kann, kann man auch niemals zweimal denselben Weg gehen. Schon die andere Richtung macht ihn neu. 
Der Blick ist anders, das Licht, die Geräusche und natürlich auch wieder die Wandererin, die ihn geht. Jetzt, wo ich bewusst darauf achte, freue ich mich darüber, die Einstellung zu Hin-Rückstrecken  geändert zu haben. Eine andere Version auch noch sehen heißt schließlich auch, die Betrachtungsweisen zu verdoppeln und den eigenen Horizont auf unkomplizierte Weise zu erweitern :o)


Dieser Naturpark hier hat eine neue Liebhaberin. Wie gerne würde ich auch einmal wieder eine Weitwanderung in einer solchen Gegend unternehmen.


Etwa auf Hälfte des Rückweges sehe ich ein mir unbekanntes Tier das aussieht wie ein riesiger Ziegenbock, gemächlich auf dem Wanderweg entlangschlendern. Groß wie eine Kuh - im ersten Moment und von weitem wirkte er fast wie ein Elch. Aber die  leicht gedrehten kurzen Hörner passen da überhaupt nicht zu. Außerdem hat es einen Bart wie eine Ziege.  Eindeutig ein männliches Tier - das Gemächt  baumelte sichtbar zwischen den Beinen.

Als er mich hört, dreht er  sich kurz zu mir um, schaut mich einen Moment an und verzieht sich ohne allzu  viel Eile ins Unterholz. Ich wüsste gerne, um was für ein Tier es sich handelt.



Den Weg bin ich in Treckingsandalen gewandert. Die Füße schmerzen. Ich bin froh, als ich wieder beim abgeschlossenen Rad ankomme und die letzten Kilometer zum Campingplatz fahren darf.

Wo sich herausstellt: trotz heute in weiser Voraussicht aufgetragenem Sonnenschutz (mache ich extrem selten) bin ich etwas angekokelt. Auch die Füße sind durch die Sandalen rot-weiß gestreift. Unter dem Fuß, vorne am Ballen, habe ich mir zwei Blasen gelaufen. Egal. War eine tolle Wanderung heute.

Morgen geht`s wieder langsam in Richtung Norden. 



07 Mai 2022

Rio Borosa, Wasserfälle, kreisende Geier, dunkle Tunnels, Canyons und schwarze Wasser.

Freitag der 06. Mai 2022


Über diese Tour entlang des Rio Borosa, mit vielen Highlights unterwegs kann ich nicht viel anderes schreiben als: DER Wahnsinn!

Aus etwas unerfindlichen Gründen habe ich Einstellungen bei meinen Aufnahmen wohl irgendwie verändert, so dass die Fotos in reichlich unbefriedigender Qualität vorliegen. Zudem haben die meisten ein .mov-Format (was nur ab und zu geplant war aber es lag wohl ein Anflug von Umnachtung bei mir vor), das hochzuladen mir hier zu umständlich  ist.

Also stelle ich schlicht einige der vorhandenen Fotos ein und belasse es auch bei für meine Verhältnisse Kurzbeschreibungen.

Bis zum Einstieg in die eigentliche Wanderung hatte ich ca. 10 Kilometer Anfahrt. Gut, dass ich das Rädchen habe. Dort fand ich riesengroße und an diesem Wochentag glücklicherweise ziemlich leere Parkplätze vor. Was an Ferienwochenenden mit Sicherheit anders aussehen wird. Die Tour ist bekannt. Wenn auch die meisten nur bis zur ersten Hälfte gehen, bis zur  "Cerrada de Elias", einer beeindruckenden Klamm, die auf noch recht bequemen Wegen zu erreichen ist.


Die Klamm – hiervon habe ich keine jpg-Formate gemacht *tz* - abgesichert mit Holzstegen und teilweise engen Pfaden mit Geländern -  darf nur zu Fuß und an publikumsreichen Tagen nur in eine Richtung begangen werden. Zurück dann über den auch fahrtauglichen Weg. Ich schließe mein Rad, das ich bisher noch für den Schotterweg genutzt habe, am Klammeingang ab, gehe den Rundweg, dann zum Rad zurück und fahre weiter. 



Auf der folgenden Strecke bieten sich noch viel mehr beeindruckende Stellen. Wahnsinnig viel kristallklares Bergwasser, Gumpen über Gumpen, es wird steiler, steile Felsformationen ragen auf, ab und zu tolle Sichten. Eine Berg-, Klamm- und Bergflusswanderung wie aus dem prächtigsten Bilderbuch. Aber schon auch lang, wenn man die Strecke bis zu den „Aquas neras“ durchzieht.


An einem Elektrizitätswerk ist Schluss mit Fahrweg und die Strecke wird zur Trail-Bergtour. Ich musste auch vorher schon größere Weganteile schieben. Jetzt geht mit Rad nix mehr, jetzt wird berggewandert. Weitere 4,5 Kilometer (eine Strecke – es ist ein Hin- und Rückweg) stehen bevor. Es zieht sich, wird steil.



Aber nun kommen auch die wirklichen Highlights der Tour. Ein Wasserfall mit den herrlichsten Gumpen wechselt sich mit dem nächsten ab. Über den Köpfen an den steil aufragenden Felswänden kreisen Geier und fliegen recht nah über der Wanderstrecke zu erkennende Horste an. 



Es zieht sich … und als plötzlich für mich unerwartet Tunnel im Fels auftauchen, durch die neben dem schmalen Wanderweg, an dem sich streckenweise niemand in Gegenrichtung begegnen darf weil es dann zu eng wird, fließt durch eine Art Kanal schnelles kaltes Wasser. Abgetrennt mit einer Führung aus Metall. An vielen Stellen steht auch auf dem Wanderpfad das eiskalte Wasser knöcheltief. Die Wanderer müssen durch. Hier kann wirklich etwas Höhlenangst aufkommen ;) Unheimlich ist es, sich an der Führung streckenweise völlig blind – die wenigen Wanderer, denen ich begegne wussten es besser und haben Stirnlampen auf – durch die nassen und engen Felsen und das eiskalte Wasser an den Füßen zu tasten.



Drei Tunnel sind es insgesamt und ein bisschen graut mir vor dem Rückweg, auf dem ich nochmal durch muss. Es gibt an einigen Stellen auch erhellende Löcher im Fels, die tolle Ausblicke aus der Felswand in die Berglandschaft bieten. So ist es nur ab und zu und in Kurven wirklich stockfinster. Aber es lohnt sich eindeutig, die Tour komplett und bis zu einem Stausee, den „aquas neras“ zu gehen. Wie sagte eine Frau, die ich unterwegs – es wurde spät und ich begann zu zweifeln, ob ich die Tour packe – nach der Reststrecke fragte. Vor den Tunnels. Sie antwortete: „Es  sind vielleicht noch zwanzig Minuten. Aber die müssen Sie gehen. Dort erwartet sie der schönste Platz auf der Welt!“

Ein bisschen Recht hatte sie. Die Tour gehört eindeutig zu denen, die großen Eindruck hinterlassen



Auch hier laufen mir wieder mehrere Rehe über den Weg


An diesem Tag habe ich ca. 50 Kilometer zurückgelegt. Mindestens die Hälfte davon mit dem Rad. Hört sich undramatisch an. Dauerte mit nur wenigen kurzen Pausen aber zehn Stunden, so dass ich mir und meinen in der Nacht mehrfach krampfenden Muskeln (mit Gruß von den mackenbehafteten Bandscheiben und Nervenbahnen) *autsch* am heutigen Folgesamstag einen Tag komplettes Relaxen mit nur einem kleinen Abstecher von ca. drei Kilometern ins  Dörfchen "Cotos-Rios", zum Einkaufen im dortigen "Supermercado", einem  Dorfladen mit aber unvorstellbar umfassendem Angebot gönnte.








Neue Sichten. Nach innen, außen und besonders auf die andere Seite

Toller Platz: camping Fuente de la Pascuala , wo neben den Dauercamperparzellen viel Freiraum - größtenteils unter Pinien - für Kurzzeitgäste existiert. Keine eingeteilten Parzellen - wer kommt, sucht sich ein Plätzchen aus, das gefällt und passt. Eichhörnchen flitzen spielend und Futter sammelnd unterhaltsam zwischen Bäumen und Campern umher. Vögel zwitschern, die Motorsäge kreischt ;)


Mitten im Naturpark  de las sierras de cazorla segura y las villas am Fluß Guadalquivir.



Der erste Morgen unter Pinien: duschen, frühstücken, sich spontan und ohne langes Überlegen einem zufällig in der Nähe stehenden alleinreisenden Spanier anschließen (um nicht zu sagen: einfach per Überrumpelungstaktik ans Eigenbrötlerbein kleben ;)

Gemeinsam losmarschieren. Einen Weg  nehmen, der keine Wanderschilder hat, von dem beide nicht wissen, wie es dort aussehen mag, weitergeht oder wo und ob  er endet oder zu etwas hinführt. Er geht bergauf.  Es tauchen Bienenstöcke auf unterwegs und Höhlen. Findet man hier oft. Ansonsten ist es ein Weg im Wald mit vielen Steinen. Erinnert ein bisschen an den Bayerischen Wald. Nur steiler und wärmeliebendere Pflanzen wie Rosmarin (wie überall in unglaublichen flächendeckenden Massen, Thymian, Wacholder etc.)


Mit Aus- und Weitsichten. Wald,  mehrfach sich zeigenden unterschiedlichen Wildarten (Dam- und Rotwild, würde ich sagen), vielen Spuren von Wildschweinen, die sich allerdings nicht blicken lassen.


Hier entdecke  ich auch die von mir als Heilkraut sehr geschätzte Zistrose und erfreue mich an ihr.


Verlassene Almen tauchen auf. Hänge voller unterschiedlicher Bäume. Viele Oliven, Walnüsse; es wird steiniger.


Bäche, klar und sprudelnd begleiten zeitweise den Weg.


Irgendwann wird klarer: bis zu einem möglichen Gipfel ist das für heute zu weit. Auch  für einen Rundweg taugt die Strecke nicht. Wir werden denselben Weg zurück gehen müssen. Aber wann? Wie lange weitermarschieren. Oder doch  eine  Abkürzung versuchen?:

Ein kleiner Beispieldialog (aus dem Englischen übersetzt ;)

Ich: "Sag`du. Ich latsch`dann einfach hinterher"
Mitwanderer: "Stop. So war nicht der Deal. Wir haben uns gemeinsam auf einen Weg begeben und deshalb werden die Entscheidungen auch gemeinsam getroffen. Einfach hinterherlaufen ist bei  mir nicht." 

Ja stimmt eigentlich. Da will frau ausdrücklich nie mitblökendes Schaf  einer  Herde sein, bestimmt  dann aber ohne Not jemanden, der  darauf gar keinen Wert legt, zum Leithammel.

Das und anderes führt zum Leitmotiv des Tages: gucken wir immer auch die andere Seite an. 


Und auch deshalb die Entscheidung: wir gehen genau so lange, bis wir auf die andere Seite sehen können. Immer wieder sieht es danach aus, als müsse hinter der nächsten Biegung ein Pass auf eine  Art erreicht sein, dass es uns den Blick zur anderen Seite des Berges öffnet.


Doch da kommt immer noch ein die Sicht versperrender Felsen, noch eine Biegung, noch eine steile Windung ... bis wir sie endlich sehen können: die andere Seite. Sieht eigentlich ziemlich ähnlich  aus. Andere Perspektive, andre Sichtachsen. In der Ferne erkennt man einen canyonartigen Einschnitt, aus dem trotz weiter Entfernung starkes Rauschen von Wasser - klingt nach Wasserfall -  zu hören ist. Sehen  kann man ihn nicht.


Nach einer Rast begeben wir uns auf den Rückweg. Stellen fest, dass es nicht derselbe Weg zu sein scheint wie der Hinweg. Klar: bergab geht leichter. Die Sonne ist auf einem anderen Stand. Der Blick  richtet sich auf  vorher nicht wahrgenommene Dinge.

Viel wichtiger aber: die ihn Gehenden haben sich geändert. Haben - redend, nachdenkend, oft auch schweigend, philosophierend, politisierend, argumentierend, frotzelnd und witzelnd - andere Seiten  gesehen und gefühlt. Unerwartete. Neue. Insbesondere an sich selber. Eingefahrene für wahr gehaltene und  vor allem auch selbst gewählte Verhaltens- und Denkmuster  gedanklich nochmal befreit. 

Zum eigenen und gegenseitigen Erstaunen festgestellt: das geht auch noch im fortgeschrittenen Alter und mit etwas exzentrischer gewordenen Charakteren, was mensch fast verloren glaubte: urplötzlich tiefe  Nähe erleben, sich gegenseitig wichtiges geben können. Besonderes fühlen. Es zulassen.

Nein, keine Sorge: ich vorenthalte  den Lesern keine  Erotik- oder Lovestory. Es gibt Ebenen, bei denen die Tiefe  nicht bei Hormonen stoppt sondern weiter geht. Gibt's nicht nur im höheren Alter - dann aber vielleicht sogar besser. 

Aber bevor ich endgültig in esoterisches Geschwurbel abgleite, belasse ich es mit der Erkenntnis: es gibt wunderbare Tage im Leben, die manchmal genau dann stattfinden, wenn es in keiner Weise zu erahnen war und genau dort, wo keine Wegweiser  und Hinweisschilder  auf irgendwas existieren.