01 Dezember 2012

You can do what you want (YES, I CAN!) The oppertunity's on.


 Nikolauslauf München 2012


Gewurmt hat's mich: erstens, dass ich es das Jahr über nicht geschafft hatte, weiter abzunehmen sondern - immerhin - nur das 2011 auf  um die 74kg gedrückte Gewicht halbwegs - schwankend - halten konnte. Zweitens, dass ich meine 10km-Bestzeit aus 2006 nicht toppen konnte. War einmal bis auf 38 Sekunden rangekommen - bei mehreren anderen Versuchen meist über 1,5 Minuten drunter geblieben.

Also startete nach dem etwas *hüstel* suboptimal verlaufenen München-Marathon im Oktober der Angriff. Erstmal nur auf den Speck. 4 Kilo waren innerhalb dreier Wochen dahingeschmolzen - es kam mir ein wenig zu schnell vor und beim Versuch, das Erreichte  zu halten, pendelte es sich zwischen 70 und 71 kg ein.

Greifs Gewichts-Laufzeit-Rechner prognostizierte mir auf Basis der schnellsten 10er aus 2012 und dem dabei gehabten Gewicht ein Ergebnis von um die 52 Minuten. Das wäre Bestzeit. Wobei ich davon ausgehe, dass Greif wiederum von gleichtzeitig stattfindendemTraining ausgeht.

 Bei mir aber sah es so aus, dass ich nach dem Marathon eine Woche Totalpause einschob und in den Folgewochen nur wenige meist kurze Läufchen unternahm. Der Fokus lag auf der Wiedererlangung körperlichen Wohlbefindens - das noch einige Weilchen lang angeschlagen war - und der kompletten Befriedung aller Problemstellen an Vorfuß und Piriformis, Hüftmuskel und Oberschenkel. Was gelang.

Schon wenige Wochen später fühlte ich mich fit. Den Wochenumfang von im mittigen 30km-Bereich wie Wellnessgehobbel - was für ein eklatanter Unterschied zu den Anfangszeiten meiner Lauferei, in denen dieser Bereich fast das Maximum meiner Laufmöglichkeiten darstellte!

Geschwindigkeit allerdings - zumindest das, was gemeinhin als "Training" bezeichnet wird, fand lediglich in kleinen Ansätzen auf dem Laufband des Sportvereins statt, das ich in dieser Zeit dreimal in Mittagspausen aufsuchte. Von den darauf absolvierten je 6km stellte ich einige (4 oder 5?)  400m-Intervalle in 12km/h ein, nach denen ich jeweils fast tot vom Band torkelte.

Das war's an gemessenem Tempo. Hier und da ein Sprint, natürlich die Wahrnehmung, dass mit schmelzenden Fettpolstern auch die Joggingeinheiten fluffiger und womöglich auch flotter werden. Aber kein Zwang, kein Druck, keine nennenswerte Anstrengung. Ich wollte mich erholen. Einerseits.



 Andererseits meldete ich mich mit ersten Abspeckerfolgen zum 10km Nikolauslauf an. In der festen Absicht, dort meine Bestzeit doch noch im Jahr 2012 zu vernichten. Rein rechnerisch sollte es klappen. Das Körpergefühl seit Tagen so richtig spitze und wann eigentlich bin ich zuletzt ohne auch nur das allerkleinste Zipperlein zu einem Wettkampf gegangen? Muss lange her sein - aber heute war es mal wieder genau so: fit wie der sprichwörtliche Turnschuh bewahrte ich zudem ein recht ... kurioses ... Geschehnis aus  einer Yogastunde dieser Woche in meinem Kopf. Und das ging so:

(hier kann  übersprungen werden bis zum näxten Strich - gehört eigentlich nicht zur Laufgeschichte ;)
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Der Kopfstand gilt als die "Königsdisziplin" beim Yoga. Mein Ehrgeiz, ihn jemals zu schaffen, tendierte in all den Jahren, die ich in Yogakurse gehe, gegen Null. Beim Yoga habe ich keine "Wettkampf-" und "Erfolgsambitionen". Es ist für mich Ruhepol, Ausgleich, Zugewinn. Frei von Ehrgeiz und Wettbewerb. In den meisten Kursen, die ich bisher besucht habe, war er sowieso nichtmal ansatzweise Gegenstand der Übungen.

Seit einiger Zeit aber doch. Der jetzige Lehrer ist Kopfstand-Fan, hält uns zu Vorübungen an und fragt immer mal wieder, wer ihn denn versuchen möchte. Bisher habe ich immer völlig unbeteiligt und als ginge mich diese Frage nichts an die Vorübung des Ellebogenstandes praktiziert; die beiden halbherzigen Ansätze, es doch mal zu versuchen, endeten mit ungeschicktem in-mich-zusammen-Geplumpse und der innersten Überzeugung: ich will gar nicht! Als Kind oder Jugendliche konnte ich ihn zwar und habe von damals in Erinnerung, dass es ganz leicht war. Dreißig und mehr kopfstandlose Jahre später aber fühlt es sich anders an und ich habe keine Ahnung mehr, wie das damals so leichtgängig funktionierte. Der Ansatz fehlt komplett und das Gefühl, wie es aufzubauen ist.

 Im Kurs sind immer zwischen 3 und 6 TeilnehmerInnen, vergangenen Dienstag waren wir drei Schülerinnen und der Lehrer.  Von den beiden anderen konnte die eine ihn, die zweite schaffte ihn an diesem Abend erstmals. Was den Lehrer dazu animierte, mich zu fragen, ob ich nicht doch mal wieder .... Folgender Dialog (sinngemäß) folgte meiner Verneinung:

Yogalehrer: "Komm, ein Versuch. Ich stehe daneben und helfe und halte. Du kannst nicht umfallen"
Ich: "Schon - aber ich habe immer das Gefühl, dass mir dabei der Kopf abknickt. Irgendwie Angst, dass da   was kaputt geht oder so. Außerdem muss ich das nicht können, finde ich."
Yogalehrer: "Nein, musst du auch nicht. Aber du kannst es versuchen. Du hast einfach das falsche Bild im Kopf. Mit einem Bild von Angst und Verweigerung kann's nicht funktionieren. Das gibt der Kopf an den Körper weiter und dann geht's auch nicht."
Ich (in einer Mischung aus Fröhlichkeit, Spott und Sarkasmus - grienend): "Du meinst, ich muss mich als federleichtes Schwebewesen visualisieren, dass mühelos und im Gleichgewicht gen Decke schwebt ... oder so .."
Yogalehrer (seinerseits lachend): "Naja" *g* .."so in etwa - die Richtung stimmt jedenfalls."

Plötzlicher Lach- und Witzelstop. Sekundenlanger fragender Augenkontakt. Hätte ich nur noch zwei Sekunden gewartet und nix gesagt, wäre die Stunde wie gehabt und ohne meinen Versuch weitergegangen. Aber ich - jetzt ganz ohne Frotzelei - sage kurz und schlicht:

"Okay! Ich versuch's"

Bringe mich in Positur, in meinem Kopf bildet sich - von ganz alleine und ohne mein bewusstes Zutun - das Bild eines Stricks, wie ihn Zauberkünstler manchmal schwebend nach oben streben lassen. So wie dieser Strick schweben - das ist noch leicht - meine Beine in Hüfthöhe. Ich überwinde die Beugung, gehe in die Beinstreckung und stehe mit einem Mal - als wäre es nix - im Kopfstand.

Als ich realisiere, was ich da gerade tue, erschrecke ich mich und plumpse folgerichtig wie ein nasser Sack - zum Glück gehalten und gebremst von Lehrerhänden - wieder zu Boden.

Sage: "Moment. Nochmal. Bitte nicht helfen und nur halten, wenn ich umzufallen drohe."

Baue wieder die Figur mit Hilfe des Kopfbildes vom wie von Zauberhand schwebenden Strick auf - und stehe - diesmal einige Sekunden lang - wieder  gerade im Kopfstand. Kann dann geregelt wieder umdrehen, schaue - wieder in Kopf-nach-oben-Stellung am Boden hockend in drei erstaunte Augenpaare. Selber nicht minder erstaunt. Aber irgendwie auch doch wieder nicht. War ja ganz einfach eigentlich. Ich hänge keinen Versuch mehr dran - die Yogastunde geht weiter und ich weiß: ich kann ihn wieder, den Kopfstand.
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Diese Episode - und daher gehört sie hier irgendwie doch in den Laufbericht - führte dazu, dass ich mich nahezu sicher fühlte, die Bestzeit zu knacken. Ich brauchte einfach nur das richtige Bild im Kopf und ich bekam es hin ;-)

Sah mich - innerlich und völlig unberührt vom dazu nicht wirklich passenden BMI von immer noch über 27 *g* - als schlankes sportlich-dynamisches Wesen pfeilschnell und mit eleganten Laufbewegungen durch den Olympiapark fliegen.

Startschuss. Nach 5 Sekunden schon war ich über der Startlinie - prima!: Bei Kilometer 1 komme ich nach 5:15 Minuten an. Das läuft wie geschmiert, so hatte ich es vor. Merke aber auch: schwer! es ist schwer! Total schwer. Kann das Tempo ziemlich genau halten und laufe nach 25 Minuten und 41 Sekunden über die "erste-Runde-Halbzeit-Matte".

Denke: "Teufel - fühlt sich an als würde ich gleich tot umfallen!"

Das innere Bild verschwimmt hinter Hirnwabern, Lungenpfeifen, Beinschmerzen ... Ich halte kurz den Finger auf den Uhr-Fingersensor und bekomme eine Pulsfrequenz von 180 angezeigt. Erschrecke mich mörderisch. Denn: vor etwa einer Woche habe ich mal wieder einen Maximalpuls-Test versucht auf Privatstrecke. Als ich es schaffte, mich bis zur fast-Kotz- und Herzklabastergrenze hochzulaufen, zeigte die Uhr 178 an. Was ich daher für meinen Maximalpuls hielt.

Jetzt - auf HALBZEIT - des 10km-Wettkampfs lag ich zwei Schläge drüber. Und fühlte mich auch so. Dachte: "unhaltbar! ich kann nicht mehr!" Wusste aber: wenn doch, dann schaffe ich nicht nur die - inzwischen eigentlich ziemlich sichere - Bestzeit. Sondern sogar sub 52 Minuten. Das wäre Wahnsinn. Damit hatte ich in meinen kühnsten Visualisierungen nicht gerechnet.

Hier  - bei Kilometer 6 - höre ich, wie ein älterer Mann, der Ordner und Streckenposten ist, mir zuruft - JA! eindeutig MIR, dabei laufen hier wirklich noch viele andere. Er schaut mich direkt an als er sagt: "Das ist ein toller Rhythmus, den du da drauf hast! Toll! Sieht wirklich ganz toll aus!" Ich schaffe es, mein gekniffenes Kampfgesicht zu einem strahlenden Dankeslachen zu erhellen. Und stelle fest: so läuft sich das wieder leichter!

Versuche, das Lachen - wie künstlich und gequält auch immer - im Gesicht zu behalten und heize, heize, heize. Alles tut weh. Das Herz fühlt sich an, als würde es gleich aus dem Brustkorb purzeln. Ein kleiner Moment der Angst und Unsicherheit, den mir eine innere Teufelchen-Stimme kommentiert mit: "Scheiß drauf! Wenn schon beim Laufen sterben, dann wenigstens mit 'ner neuen Bestzeit!"

Zielfoto

Statistik:


Eigene gelaufene Zeit:  51:42   Pace: 5:10min/km   VDOT: 38.5 (neuer Rekord auch hier)

Platzierung gesamt: Platz 600 von 972
Platzierung Frauen gesamt: Platz 99 von 309
Platzierung W50: Platz 3 von 19     :-O

Du bist 10000m in 51:42 gelaufen. Dabei hattest Du ein Gewicht von 71.0kg, entsprechend einem BMI von 27.1. Das ergibt eine korrigierte Zeit von 41:38 bei einem Wettkampfgewicht von 55.1kg.  

Sieger: Johannes Hillebrand (M30) in 32:13
Siegerin: Thea Heim (W20) in 35:49
Siegerin W50: Gabriele Schneider in 44:45 



 Im Olympiabad, in dem ich anschließend ein paar Bahnen schwimme möchte, quittieren meine Muskeln dieses Ansinnen auf Bahn 2 mit einem Crescendo an Müskelchenkrämpfen durch alle Beinpartien. Es zuckt und krampft und sieht aus, als würden sich gleich eine Horde Aliens aus meinen Beinen schälen. Die Zehen schnicksen bei beiden Füßen klickend übereinander - ich könnte schreien vor Schmerzen. Keine Chance, noch bis zum Treppenausstieg oder einer der Leitern am Beckenrand zu kommen. Mit Armeskräften hieve ich mich aus dem Bad, sitze auf den Schwimmbadkacheln, beruhigend auf alle Muskeln einstreichelnd. Bis ich es schaffe aufzustehen und zur Dusche zu humpeln. Dort - unter dem Strahl heißen Wassers - ist der Spuk glücklicherweise flott wieder vorbei.

Später dann, auf dem Weg zur U-Bahn, fühlen sich Beine und Körper wieder federleicht an. Beschwingt und glücklich tanze ich zur Musik aus dem mp3-Player durch den dunklen Olympiapark. Hüpfe im Kreis, tanze, lache ... und bin doch mal froh, in einer Großstadt zu leben. Zwar gucken auch hier einige Menschen recht merkwürdig, wenn sie eine Frau gehobenen Alters, die sonst eigentlich relativ normal aussieht (würde ich jedenfalls so behaupten ..), hoppsend, springend und lachend zur U-Bahn tanzen sehen. Alkoholfrei und ohne Drogeneinfluss - naja, ein paar Endorphine vielleicht. Aber selbst produziert - alles ganz legal ;-)  Aber sie holen nicht gleich irgendwelche Männer mit weißen Jacken. So ein paar Irre und Durchgeknallte gehören in einer Großstadt schließlich dazu. Weiß doch jeder.

Das Singen habe ich mir noch verkniffen - bis aus dem Player Cat Stevens meinte:

You can do what you want.
The opportunity's on.
And if you find a new way

you can do it today.
You can make it all true.
And you can make it undo
you see.
Ah
it's easy.
Ah
you only need to know.

 if you want to sing out
sing out.
And if you want to be free
be free. 

Da musste ich dann doch ein bisschen mitplärren :o)  Ist das schön!

Und erstmals denke ich selber: ich könnte es packen, das Vorhaben: "Mit 50 unter 50"

Müsste - laut Greif - einfach nur nochmal 3 kg abspecken. Würde schon reichen so rein theoretisch. Oder alternativ ein bisschen trainieren. Oder aber vielleicht zur Abwechslung sogar mal beides?!


30 Oktober 2012

Let's do the Time warp - total BallaBalla im Zeittunnel

noch 1,5 Minuten bis zum Start

Wie verrückt muss jemand sein, der in der Nacht der Zeitumstellung im schneevermatschten, einsam-dunklen Ostpark Münchens  einen (Bestzeit-)Marathon mitten im Zeittunnel läuft? Total Balla-Balla natürlich.

Und weil ich selber grundsätzlich vernunftgesteuert agiere im Leben :-|  bin ich nicht mitgelaufen sondern habe nur ein bisschen angefeuert, zum Buffet beigetragen, fotografiert und den andren dumm vor den Füßen rumgestanden.
da es sich offensichtlich um flüchtige Sträflinge handelt, wurden die Gesichter z. T. unkenntlich gemacht

Um der Wahrheit die Ehre zu geben - so war es wirklich: vor einigen Wochen erzählte mir der Organisator Chief-Balla von der schrägen Idee, im Münchner Ostpark nachts einen Zeittunnel-Privatmarathon zu veranstalten und fragte, ob ich nicht Lust hätte, mitzulaufen. Weil ich mir sicher war, nur zwei Wochen nach dem München-Marathon nicht schon wieder einen laufen zu wollen, lehnte ich für mich ab. Kündigte aber an, mich am Buffet zu beteiligen, vielleicht etwas nützlich mitzuhelfen und zu fotografieren.

Bei dieser Ankündigung war es mollig sommerwarm, ich selber noch ziemlich fit und der Termin weit weg.

Sprich: als es an diesem Tag schneeregnete, fror, ein Temperatursturz von goldenem Herbst zu frostigem Matschwinter just am Tag des Laufs bzw. am Tag vor der entscheidenden Nacht so ziemlich jede Lust nahm, überhaupt einen Schritt ins Freie zu tun, verfluchte ich mich sehr ob meiner Zusage. Zumal meine Körperbefindlichkeit nach dem Grusel-München-Marathon ein bisschen noch dauerangeschlagen ist, was sich durch die Dauerneigung zur Schwächlichkeit und ein extrem hohes Schlafbedürfnis bemerkbar macht.

Zudem hatte sich für Sonntag Besuch angekündigt, kistenweise Äpfel warteten in meiner Küche auf Verarbeitung ... ich verspürte den Riesendrang, mich klammheimlich aus meiner - wie ich inzwischen fand sowieso nicht allzu bestimmten und verbindlichen ... Zusage rauszustehlen. Haderte mit meiner Neigung, überall meine Nase reinstecken zu wollen, immer sofort "Ja" zu plärren und "ich bin dabei" und ohne altersgemäßen Verstand auch noch die verrücktesten Ideen erstmal  toll zu finden, wenn sie nur neu und mit Begeisterung vorgetragen um die Ecke biegen.



technische Ausstattung vom Feinsten!


Wie also wieder rauskommen aus der Nummer? Antwort: gar nicht. Salzstangen, diverse Nüsse, einen Teil der Äpfel und Schokolade sowie eine Thermoskanne mit warmem Tee einpacken, in drei Jackenschichten wickeln, Mütze, Handschuhe, Schal aus den Tiefen der Winterschubladen kramen und kurz vor Mitternacht am Startpunkt auflaufen. Fest entschlossen, dort die Mitbringsel abzuliefern, den Start zu beklatschen, ein paar Wörtchen zu wechseln und sofort wieder nach Hause ins warme Bettchen zu entschwinden.

Was ich dort vorfand, im tiefen Dunkel des winterlich eingeschneiten Ostpark verschlug mir die Sprache. Ein aufgebauter Pavillon, darin Tische, Bänke, technisches Equipment zuhauf. Versorgungskisten mit allen erdenklichen Dingen, die eventuell gebraucht werden könnten ... es sah derartig professionell organisiert aus, mit so viel Mühe, Arbeit und Organisationstalent gestaltet, dass sich auch manch angemeldete Profiläufe ein paar Scheibchen davon abschneiden könnten.

Wer würde erwarten, für ein Starterfeld von sage und schreibe sieben Personen folgendes vorzufinden:

  • professionelle Zeitnahme mit Zeitmessmatte (in jeder gut 2km-Runde einmal zu überlaufen)
  • autarke Strom- und Notstromversorgung
  • Echtzeitübertragung der Rundenzeiten auf den gut sichtbar im Zelt aufgestellten Monitor und auch ins Internet
  • ein beleuchtetes Dixiklo am Wegesrand (wenn auch nicht selber aufgestellt, so doch sinnvoll einbezogen ;)
  • eine mit Leuchtstäben und diversen anderen Utensilien bestens markierte Strecke - ordentlich und akribisch vermessen, versteht sich
  • Streckenversorgung mit kalten und warmen Getränken jedweder Couleur von Wasser über Isogemisch (gerne auch auf persönlichen Wunsch eines Läufers individuell zubereitet und an die Strecke gebracht in folgender Runde), Tees, Cola, Bier ... jeder bekam jeweils das, wonach ihm gelüstete. 
  • Ein Versorgungsbuffet mit frischem Obst, Kuchen, Nüssen, Salzstangen, gesalzenen Nüssen, Müsliriegeln, Gels, Schokolade und nach Zieleinlauf heiße Tütensuppe (frisch zubereitet auf dem eigens mitgebrachten Gaskocher).
  • Individuelle Startnummern mit Vereinsangabe und Namensaufdruck
  • liebevoll gestaltetete  Medaillen mit Platzierungsangabe und auch DNF-Medaillen für die nur Teilstrecken-Mitläufer
Es war der absolute Wahnsinn. Komplett Balla-Balla eben.




Der spätere Sieger - vor 4 Wochen erst in Berlin einen Marathon in unter 3 Stunden gelaufen, ist er hier schon wieder total flott und immer vorne.

Beim Start um Mitternacht waren viele der Teilnehmer schon lange vor Ort. Bei denkbar unwirtlichen Bedingungen mit zunächst Schneeregen, dann nur noch Schnee, der aber am Körper sofort schmolz.

Während der gesamten Nacht zeigte sich sage und schreibe nur ein einziger Mensch auf der Strecke, der NICHT zum Marathonteam gehörte. Nichtmal Hundeausführer waren bei diesem Mistwetter in der Nacht unterwegs. Niemand. So hatten die 7 Starter auch nur uns 3, zeitweise 4 weiteren Personen, die am Stand verblieben, als Zuschauer und Jubelpublikum.


Sie begaben sich auf die einsame, nachtdunkle Strecke mit Laub und Pfützen übersät und zunehmend hoch bedeckt von pampigem Schneematsch. Widerlicher geht kaum.


Ein einige-Runden-Dreher, der dann per Rad nach Hause ins Warme entschwand.


Ein immer fröhlicher Weihnachtsmann im Lichterkostüm. Auf den Fotos kommt es nicht wirklich zur Geltung weil die Schneeflocken im Blitzlicht reflektieren. Real war es immer eine herrliche Show, wenn die Lichtgestalt, die mit SantaClaus-Glöckchenkette am Fuß wie ein himmlischer Rentierschlitten bimmelnd daherkam und - immer gut gelaunt, immer fröhlich - die Matte überlief. Trotzdem war für ihn nach der HM-Distanz Schluss. Alle waren schon zu diesem Zeitpunkt komplett durchgefroren und fertig.


Profibetreuung am Stand. Meine Wenigkeit stand eigentlich nur unnütz im Weg rum und tarnte diesen Umstand durch gelegentliches Schälen von Äpfeln und Bananen.


Der Versorgungstisch wurde gut frequentiert. Die Kälte fordert Energienachschub.

eine Sekunde nach dem Zeitsprung - die Läufer mit tollen Zeiten auf schwieriger Strecke

Der Leser hat es schon bemerkt: das mit dem "nach einer Höflichkeitsstunde wieder entschwinden" wurde später ausgeweitet auf: "wenigstens bis zum Time Warp, also der Zeitumstellung durchhalten".  Wanderschuhe mit zwei Paar Socken, lange Skiunterhose unter Thermohose, ungefähr 3 Klamotten- und fünf Jackenschichten sowie jedes erdenkliche Winterzubehör, warme Getränke und reichlich Süßes hatten dafür gesorgt, dass mir immer noch mollig warm war. Abwechslungsreich genug, um jede Müdigkeit zu vergessen.


so kreiseln die Balla-Ballas nimmermüde ihre Runden


mal ohne, mal mit Blitz - es hat schon Stimmung in der Winternacht





fast verschluckt von der Dunkelheit



auch einen HM zu laufen unter diesen Bedingungen: super Sache!


die 3 Marathonfinischer - wohlbehalten zurück aus dem Zeittunnel

von den 7 Startern drehte einer nur einige Runden mit, zwei beendeten nach HM, einer nach - wenn ich mich recht erinnere - 30km.

Auf dem Foto oben zu sehen: die drei bejubelten Marathon-Finisher. Eine unglaubliche Leistung, wie ich finde. Und weil ich das schon auch in der Nacht fand, konnte ich mich nicht früher loseisen und blieb so meinerseits bis zum Ende der Veranstaltung im Park. Wo die komplett geschafften Läufer dann auch noch abbauen und einpacken mussten. Daran beteiligte ich mich nicht. Schnappte mir lediglich die von mir mitgebrachten Utensilien, tätigte noch eine "Taxi-Heimfahrt" bei glatten, schneevermatschten Straßen ans andre Ende Münchens und kam tatsächlich um 6 Uhr,  also gut 7 Stunden später - es wurde schon wieder hell draußen - zu Hause an und konnte noch ein paar Stündchen ins Bett kriechen.

Mein Fazit: was ich anfangs für eine zwar lustige und engagierte "dumme-Jungs-Idee" gehalten hatte, ist für mich inzwischen ein perfekt organisierter Privatlauf, bei dem wirklich ALLES bedacht wurde. Diese Mühe, dieses Engagement und diese Begeisterung hätte - samt Equipment - mindestens auch für einen öffentlichen Lauf mit mehreren hundert Teilnehmern gereicht.

Und ich denke: sowas ließe sich daraus durchaus machen. Die Idee hat Pepp, die Lokalität ist perfekt und es wird doch nicht jedes Jahr Ende Oktober zur Zeitumstellung das ekelhaftest denkbare Wetter sein ...

Vielleicht könnte man die Verantwortlichen des Zeittunnels aber auch dazu überreden, die Zeitumstellung auf eine zivilere Mittagszeit zu verlegen, dann würde sogar ich mir überlegen, da mal mitzulaufen irgendwann ;-)

29 September 2012

Karwendelherbst




Ein Donnerstag Ende September. 4  Busse voller Münchner Betriebsausflügler fahren in die Eng im Karwendel. In einem von ihnen sitzt: Lizzy. Geschultert der Rucksack für bis zu 3 Bergtage. Fast alles ist möglich.

Das Wetter an diesem Donnerstag im September ist hässlich für eine Wanderung im Gebirge: grau, nass, Dauergefiesel und -geniesel.

Viele derjenigen, die sich ebenfalls angemeldet hatten zum alljährlichen Betriebsausflug versuchten schon im Vorfeld und angesichts dieser desaströsen Wettervorhersage, ihre Karten - die Fahrt muss mit 12 Euro selber bezahlt werden, den freien Arbeitstag gibts gratis - zu verkaufen. Nicht so die Lizzy. Die - ganz im Gegenteil - sah, dass für den folgenden Freitag ein schöner Herbsttag vorausgesagt war, nahm sich einen zusätzlichen Tag frei und hoffte auf einen dann eben nach hinten verschobenen Herbsttag im Karwendel.

Doch zunächst blieb erstmal der Donnerstag auszufüllen, der sich an seine hässliche Wettervorhersage hielt. Viele der Businsassen blieben in der Nähe der Einkehrziele rund um den Ahornboden. Doch einige unermüdliche Kollegen hatten sich klamottentechnisch für das nasse Wetter gerüstet und zogen los in Richtung der diversen näheren und ferneren Almen und Hütten.  

So begleitete ich während der ersten Stunde noch eine kleinere Kollegengruppe, die sich in Richtung Lamsenjochhütte aufmachte ... allerdings nach einer Stunde im Regen, die Binsenalm lockte am Weg mit warmer trockener Stube und darin diversen Leckereien, die Regenwanderung abbrach und auf Einkehrjause umschwenkte.



Mir war das doch zu früh für eine Aufgabe der gefassten Wanderpläne. Nur knapp zwei weitere Wanderstunden später - inzwischen alleine in Regen und unwirtlicher Bergwelt fast ohne Fernsicht - erreichte ich die Lamsenjochhütte.

Von hier gäbe es mehrere schöne Gipfel zu besteigen. Doch alle gelten eher als kniffelig und sind von der "schwarz" markierten Sorte der Schwierigkeitsstufe "hoch". Nicht empfehlenswert im Alleingang bei glitschigen Steinen und rutschigen Steigen. Soll niemand behaupten können, die Lizzy sei gänzlich lernresistent. Außerdem: was soll eine z. B. auf dem "Sonnjoch" bei Regen und Null Aussicht? Die leise Resthoffnung auf späteres Aufklaren noch am Donnerstag wurde von den Hüttenangestellten endgültig zunichte gemacht.





Nach einem warmen Kakao in der Lamsenjochhütte brach ich also auf und wanderte zurück. Alle anderen Alternativen würden ins Inntal - nach Schwaz oder sonstwo da unten - führen und raus aus dem Karwendel. Für andere Gegenden - wie schön auch immer - hatte ich aber keine Ideen und Offlinekarten dabei.



Auf dem Rückweg begegneten mir noch einige kleinere Kollegengruppen mit Ziel Lamsenjochhütte. Doch ich blieb auf dem Rückweg. 

Latsch' ich eben wieder runter.



Irgendwann - angekommen in der Wolken-Zwischenweltenschicht - zeigte sich, dass es unten tatsächlich etwas klarer und trockener sein könnte und netter als hier oben im nassen Nebelregen.

Wandern im Nebel kann aber auch einen ganz eigenen Reiz entfalten. Und für mich tat es das heute nach einer Weile - zumal meine neu erstandene Regenjacke sich als Volltreffer erwies: bequem, dicht und trotzdem atmungsaktiv -  und mir der Regen nicht viel anhaben konnte.

Zieht sich die Außenwelt mit ihren Gipfeln hinter blickdichte Nebelmauern zurück, dann bleibt beim gleichmäßigen Wandern immer auch der Weg nach Innen. Zu den Gipfeln des eigenen Wesens. Den Höhen, Tiefen, Abgründen. Schwindelfreiheit und Trittsicherheit sind auch hier nicht selten vonnöten ;-)

Neue und bisher nur aus der Ferne erspähte Höhen lassen sich ausgiebiger und mit viel Gelassenheit erforschen, scheinbar bisher unüberwundene Schluchten lassen sich mit ein bisschen Wagemut plötzlich doch bewältigen. Mit ein wenig Übung wird mensch vertraut mit der Orientierung im inneren Labyrinth, findet neue Wege und Schlupflöcher, Freude an Stellen, die ehemals Furcht auslösten. Es kann jedem nur geraten sein:  das gelegentliche Wandern im äußeren Nebel auf inneren Pfaden.



Wieder im Tal angekommen: Nässe auch hier - aber tatsächlich freier die Sicht.


Für die volle Herbstfärbung scheint es noch zu früh im Jahr. Lediglich einige wenige bunte Herbstfarbinseln lassen sich mit der Kamera herauspicken und heranzoomen.

Inzwischen bin ich zwischen drei und vier Stunden wandernd unterwegs - überlege, ob ich später doch mit dem Bus zurückfahren und das Verlängerungsvorhaben aufgeben soll. Entscheide mich dagegen und breche in die andere Richtung auf zur Falkenhütte.



Latsch' ich eben wieder rauf!

Auf dieser Seite des Tals sind die hohen Felswände und Bergmassive zwar ebenfalls in den Wolken versteckt, die Sicht ist insgesamt aber besser und es hat aufgehört zu regnen.

Ich durchwandere den "Märchenwald" mit hübschen Anblicken und Baumformationen.


Erreiche größere Höhen und gelange auch hier zu wunderbaren und abwechslungsreichen Aus- und Fernblicken unterhalb der Wolkendecke.

Auch auf diesem Weg begegnen mir einige Kollegengrüppchen, die die Falkenhütte direkt als Ziel hatten und sich nun auf dem Rückweg zu den Bussen befinden. Irritierte Reaktionen angesichts meiner für die Busrückfahrt viel zu späten Wanderung gen Hütte und jeweils meine Erklärung zum um mindestens den Folgetag "verlängerten Betriebsausflug". Fast jedesmal die identische Reaktion: "DAS ist ja eine gute Idee - Morgen soll's ja schön werden!" gefolgt von meiner immer identischen Antwort - ein fröhlich triumphierendes: "Eben drum!" :-D

Irgendwer weist mich auf die mit Busabfahrt endende Versicherung über die Firma hin. Weil ich aber bei meinen sonstigen Wanderungen im Gebirge auch eher nicht über selbige versichert unterwegs bin - außerdem über den Alpenverein eine sehr umfangreiche Berg- und Unfallversicherung besitze, sehe ich dieser Tatsache gelassen ins Auge und wandere - irgendwann alleine und ohne weitere Menschenbegegnung - weiter Richtung Falkenhütte.



Als diese nach ca. 6 Tages-Wanderstunden und ca. 1.200 Tageshöhenmetern - weit sichtbar vor mir in der Ferne auftaucht (s. o. im Bild rechts), entfährt mir laut ein erstauntes: "na, das war ja jetzt einfach!" ... wobei es von der Fotostelle aus dann doch nochmal eine gute Stunde bis zur Hüttenankunft brauchte.

Tatsache bleibt: "einfach" und "schwierig" sind auch in den Bergen relativ. Und mitten im Marathontraining (ja, ich weiß: ich sollte eigentlich lange Läufe absolvieren anstatt im Gebirge rumzukrauchen ... aber wenn doch die Gelegenheit so günstig ist und dann noch im Herbst... ;), nur knapp zwei Monate nach einer Weitwanderung mit gut 14kg auf dem Rücken, fühlt sich ein kühler, feuchter Wandertag mit ca. 7-8 kg Gepäck auch bei mehr als 1.200 Höhenmetern noch "einfach" an.


Die Falkenhütte mit ihren 28 Zimmer- und 120 Matratzenlagern ist stark frequentiert. An einem regnerischen Donnerstag im Herbst, außerhalb aller Ferienzeiten, waren die Zimmerbetten alle belegt und lediglich im Matratzenlager, dort aber noch recht viele, Plätze frei. Es werden  an diesem Abend wohl zwischen 30 und 40 Übernachtungsgäste gewesen sein. Viele von ihnen Biker, die in dieser an Mountainbike-geeigneten Strecken reichen Gegend stark umworben werden und hier oben auch im Bedarfsfall fachkundige Hilfe und Reparaturmaterial finden.

Der Hüttenwirt telefoniert nahezu pausenlos mit Voranmeldern, die Angestelltentruppe (bestehend aus Betreiberfamilie + einigen serbischen und einigen tibetischen Mitarbeitern) ist unentwegt dabei zu kochen, zu bedienen, zu putzen und zu organisieren. Es sieht nach viel Arbeit aus hier oben und ist nicht vergleichbar mit der ruhigen Abgeschiedenheit des Piemont. Wer an einem GutWetterWochenende im Karwendel übernachten möchte - womöglich sogar in Ferienzeiten -  dem sei angeraten, sein Bett vorzubestellen.

Im Matratzenlager, in das ich einquartiert werde, kann ich trotzdem einen "Dreierabschnitt" ganz alleine belegen und stelle fest: die Handgriffe sitzen noch! Tüten ausgepackt und aufgereiht, Klamotten an Haken und auf Regalen verteilt, Kissenbezug und Kissen bezogen.  Inzwischen habe ich mich - und diese Tour ist eine Art Testlauf für einige der Neuerwerbungen - mit diversen speziellen Profi-Wanderartikeln eingedeckt: neuen Wanderblusen im Ultraleichtmaterial, trotzdem super angenehm auf der Haut, in Kurz- und Langarmvariante zu tragen, großem Reisehandtuch, so klein zusammenfaltbar wie eine Faust und trotzdem irre Wasseraufnahmekapazität ... und ähnlichem teuren aber wie sich heute zeigt: sehr nützlichem "Wandererschnickschnack". Alles zeigt heute Sinnhaftigkeit und bewährt sich.

Abends in der Stube, nach dem reichhaltigen Essen + Weizenbier, lade ich die Fotos des Tages aufs iPad, lese die offline-Süddeutsche (am Vortag zu Hause schon runtergeladen - hier oben gibt es weder Internet- noch Handyempfang) und begebe mich - nun doch rechtschaffen müde - gegen 21:00 Uhr ins Schlaflager.

Stelle liegend fest: die Höhe (auf fast 1.800m) und etwas über 7 Wanderstunden führen zu den bei mir in diesem Fall typischen - aber diesmal nur sehr leichten - Kopfschmerzen. Ich gehöre zu den glücklichen Menschen, die fast NIE Kopfschmerzen haben. Aber doch ab und zu ganz spezielle in speziellen Situationen, die ich auch an der jeweiligen Schmerzform gut erkennen kann. Da gibt es die "Koffein-Entzugs-Kopfschmerzen", die "ich-werde-oder-bin-krank-Kopfschmerzen" und eben die "es war vielleicht doch ein bisschen viel Anstrengung heute"-Kopfschmerzen, die sich besonders gerne nach schnellem Höhenmeter-Zugewinn ohne Gewöhnungszeit einstellen und das Ein- und Durchschlafen erschweren.

Da gilt es, den beschleunigten Puls runterzubringen und so übte ich mich liegend in der aus dem Yoga bekannten "Tiefenentspannung" per Körperreise. Bei Kopf, Gehirn, Ohrläppchen und irgendwo in Zungengegend angekommen spürte ich, wie ich - begleitet vom aufs Hüttendach trommelnden Regen und Hagel - langsam und sanft in die Welt des Schlafs hinüberglitt. Nur kurze und als eher angenehm, warm und heimelig empfundene Wachmomente während der Nacht zeigten das seltene Glück:  keiner der ca. 10 Mitbeleger des Schlaflagerraumes schnarchte :o)

Bis auf den Regen außen war es still und friedlich, so dass ich - sonst ausgesprochene Kurzschläferin - am Freitag  nach ca. zehnstündigem Schlaf erholt und frisch erwachte und - im Gegensatz zu meinen sonstigen Gewohnheiten bei Wanderungen - nicht sofort aufstand, nicht zu den ersten im Frühstücksraum gehörte, nicht in Aktionismus verfiel ... sondern eingekuschelt in meinen Hüttenschlafsack unter den warmen und sehr gemütlich-weichen Alpenvereinsdecken den Geräuschen der wach werdenden Hüttenbelegschaft und Mitwanderer lauschte.


Als dann aber durch's Dachfensterchen des Hüttenlagers rötliches Morgenlicht drang, konnte ich der Neugierde nicht widerdstehen. Stand auf und sah auf eine in Morgenrot getauchte klare Bergwelt, wie sie schöner kaum denkbar ist. Die Luft noch frisch und kalt, die Berggipfel von Schnee überzuckert, die Sicht frei und klar. Nur einige kleine Wölkchen an einigen Berggipfeln verankert.

Dafür liebe ich Hüttenübernachtungen am meisten: die Morgenstimmung so hoch im Gebirge mit Klarheit, Morgengeräuschen von Vögeln, die am Tag schweigen. Eine Luft, so sauber, klar und frisch wie sie sonst unerlebt bleibt, die findet sich nur in den ganz ganz frühen Morgenstunden hier oben. Bergwanderungen von irgendwo unten gestartet mögen auch ihren Reiz haben. Ja, haben ihn mit Sicherheit. Aber DAS, dieses Morgengefühl in Frische und Stille, das erlebt nur, wer auch oben übernachtet hat.



Nach ausgiebigem Frühstück in der Gaststube der Hütte breche ich zu einer frühen Wanderung ohne Rucksack auf.


Weite Sicht rundum - ausgeschlafen, gut gefrühstückt, ohne Rucksack, der in der Hütte auf mich wartet, fühle ich mich kraftstrotzdend und stürme los gen Mahnkopf.



Um aber schon nach kurzer Zeit - die Hütte liegt noch im rötlichen Morgenlicht in Sichtweite -unter mir -  mein Tempo wieder zu verlangsamen. Bleibe immer wieder stehen. Geniesse. Fotografiere. Schaue einfach nur. Statt die Kraft gleich wieder nach außen zu schleudern, habe ich im Gegenteil das Gefühl, noch mehr davon in mich aufzusaugen. Durch die Schönheit, die Klarheit, die Weite.

Warum nicht ein paar Kraftdepots anlegen für "schlechte Zeiten"?! Muss ja nicht immer gleich wieder alles verausgabt werden. Wer weiß, wie viele innere Tiefen und Abgründe - noch unbekannt und in der Ferne der Lebnszeit wartend - sich damit lockerer und geistig leichtfüßiger  werden bewältigen lassen?



Der Mahnkopf ist ein kleiner runder Gipfel. Leicht zu erwandern und hervorragender Aussichtsgipfel mit weitem Rundumblick.


Einige Gemsengruppen weiden an den Hängen, lassen sich von den wenigen Frühwanderern kaum beeindrucken.


Tirilierende Finkenschwärme fliegen im Auf- und Abschwung vom Baumgipfel zu Baumgipfel, lassen sich nieder, verweilen, schwingen sich auf zum nächsten - über Tag habe ich sie so noch nie zu Gesicht bekommen.



Zwar ist der Gipfel einfach zu besteigen, doch gibt es heute einge Tücke, die im Bild nicht wirklich eingefangen ist: der starke Regen am Vortag hat die Wiesen und Wege verschlammt, die Nacht mit Schnee und leichtem Frost diesen Schlamm mit einer dünnen gefrorenen Schicht überzogen. Diese Kombination macht die Wege ganz ganz extrem rutschig. Leicht angefrorener Schlamm ist glitschig wie Seife, so dass ich doch hier und da vorsichtig gehen und auf die Schritte achten muss. Dabei trotzdem schonmal ins Schlingern und Trudeln gerate.



Auf Seiten der Eng ziehen dichte Morgennebel auf - doch die Gipfelwanderer, drei sind es heute früh - stehen über den Wolken.



und knippsen sich gegenseitig ;)


Zur andren Seite hin, die Seite, über die ich heute wieder runterwandern werde, ist es klarer und freier. Wunderbare Aussichten.



"Na du zweibeiniger ungeschickter Tölpel, soll ich dir mal zeigen, wie das geht?!" ... "Wart's du nur ab, du vorlaute Gams. In einem unserer nächsten Leben sehen wir uns wieder und dann bist du der Mensch und ich die Gemse ... ;-p"



Zurück an der Hütte werden dem dort abgeholten Rucksack die Sommerklamotten entlockt. Der Blick in den Spiegel zeigte zwar schon jetzt eine Gesichtsrötung - aber sei's drum. Wann wenn nicht heute wäre je wieder so eine gute Gelegenheit, Endorphin-, Dopamin- und VitaminD-Depots für den dunklen Winter aufzufüllen. Fühlt sich zwar noch etwas kühl an die Luft aber nichtsdestotrotz wird die Trekkinghose auf kurzbeinig entzippt, Socken und Wanderschuhe verschwinden im Rucksack genauso wie Regenjacke, Weste und andere Kalt- oder Schlechtwetterutensilien. Die Füße stecken strumpflos in neuen Trekkingsandalen, die Wanderbluse ist auf kurzärmlig hochgeknöpft.



Und los geht's auf den langen Weg durchs Johannestal über den kleinen Ahornboden nach Hinterriss.


Es ist ein Herbsttag so schön, wie er schöner kaum sein könnte. 

Hat der Frost die Blätter über Nacht stärker eingefärbt? oder liegt es nur daran, dass ich jetzt auf der anderen Bergseite wandere? Denn: plötzlich und über Nacht ist Herbst geworden im Karwendel.


Bunte Farbtupfer und Augenschmaus überall an der Strecke


Es leuchtet herbstlich in der Sonne und eins ist gewiss: heute ist sicher einer der schönsten Herbsttage diesen  Jahres hier im Karwendel.

Ich frage mich, ob ich vielleicht doch irgendwann früher im Leben einer guten Fee begegnet bin, dir mir Wünsche freistellte. Und - anders als in den meisten Märchen - habe ich das richtige gewünscht, so dass die schützende Feenhand jetzt über mir schwebt und immer wieder derartig wundervolle Erlebnisse und Gefühle möglich macht. Eine Geschichte ganz ohne mahnenden Moralinhalt und daher nach außen nicht erzählenswert, die aber für mich umso märchenhafter endete. Denn: ich fühle mich beschenkt. Erinnere mich aber leider nicht bewusst an die Feenbegegnung und daher auch nicht daran, wie der geäußerte richtige Wunsch gelautet haben mag.



Mit vielen Foto- und sonstigen Verweilpausen ganz ohne jede Eile schaffe ich es, die eigentlich nur ca. 3stündige Wanderstrecke auf gut 5 Stunden auszudehnen :o)



Wie es sich für ein ordentliches Bergtal gehört, ist auch hier viel Wasser von Bergwänden und in rauschendem Bach zu sehen, zu hören, zu fühlen.



Von Stille kann angesichts der Wassermassen kaum noch die Rede sein. Diese Art von "Lärm" lasse ich mir jedoch gerne gefallen.


Kann es auch wie immer nicht lassen, das Wasser zu erfühlen. Der ein oder andere Leser mag ahnen oder wissen, WIE kalt die Wasser solcher Bergbäche sind, die sich aus Schneefeldern des Vorjahres speisen oder heute nacht vor einigen Stunden noch als Hagelkörner vom Himmel gefallen sind.



diverse weitere Eindrücke ...



... und herbstliche Farbspiele später ...



erreiche ich kurz vor Hinterriss den Ausgang des Johannestals, wo die junge Isar noch frei und ungezähmt vor sich hinmäandert. Angesichts der für den nächsten Tag wieder schlechten Wetterprognosen beschließe ich, es bei den zwei Tagen zu belassen und keinen weiteren Bergwandertag anzuhängen.

In Hinterriss die Wartezeit auf den Bus nach Lenggries mit gutem Essen und Trinken - auffüllen der Speicher ganz leiblicher Art also - verbracht, ist es zwar eine kleine ewig dauernde Weltreise mit Bus, BOB und S-Bahn von der Eng bis zurück nach München. Aber eine, die sich allemal gelohnt hat.