15 April 2012

Führwahr, so wechselt Pein und Lust ..

..Genieße, wenn du kannst, und leide, wenn du mußt. (Goethe)

AOK-Straßenlauf Augsburg (5km)


Bei einem 5km-Bestzeitenversuch lassen sich Pein und Lust kaum voneinander trennen. Sie verschmelzen mit- und ineinander und klug tut die Läuferin daran, in beidem hingebungsvoll aufzugehen ohne zwischendurch langatmig (der Atem wird anderweitig dringend gebraucht) zu hinterfragen, analysieren oder gar ins zweifelnde Grübeln zu verfallen.

Weil: dann kann's klappen! :-)

6°C und Nieselregen. Frau Lizzy steht schlotternd im viel zu dünnen Hemdchen im Siebentischwald und überlegt, ob es sinnvoll sein kann, sich bei diesen herrschenden Verhältnissen warm zu laufen. Oder ob es nicht eher bedeuten würde, endgültig in Froststarre zu verfallen.

Mitleidige und fragende Blicke einiger Umstehender - allesamt langärmlig, langhosig gewandet, viele mit Regenschutz, Mützen, Handschuhen ... - streifen mein Outfit. Gerne hätte ich jetzt ein Schild mit der Aufschrift:


"In München hat's nicht geregnet und da war's auch 6° wärmer zum Teufel!"

Nützt ja nix. Ich habe keine Alternativ- oder Vorsichtsklamotten einstecken und muss nun durch. Laufe einen langsamen Kilometer. Warm ist anders. Dann zwei weitere im 6erSchnitt (so weit ist es mit mir schon gekommen, dass ich sogar das Warmlauftempo stoppe *argh*). Es kommt mir verflixt schnell vor, ich bin außer Atem, der Puls ist hoch. Frieren tu' ich trotzdem immer noch ...

Um die Bestzeit vom Januar (5km in 25:47) zu knacken, muss ich nachher nochmal fast 'ne Minute pro Kilometer schneller laufen. Kommt mir unschaffbar vor.

Andererseits: sich an einem eher schlechtwettrigen Aprilsonntagmorgen um 5 Uhr aus dem Bett zu katapultieren, noch im Halbdunkel mit S- und  tuckeriger Regionalbahn per Bayernticket nach Augsburg zu gondeln, dort wieder bei Regen mit der Straßenbahn raus in den Siebentischwald, nachmelden trotz Scheißkälte und Dreckswetter ... das beinhaltet - fand ich - eindeutig die ausdrückliche Verpflichtung, es wenigstens zu versuchen.

Zumal ich weiß: diese Strecke ist sowas von amtlich vermessen, vermessener geht's nicht mehr. Jeder winzige Kilometer exakt am richtigen Punkt ausgeschildert. Flach wie ein Brett, durchgängig asphaltiert, im Wald und windgeschützt. Keine Über- oder Unterführung, keine Brücke - kein gar nix. Lediglich die Kehre auf halber Strecke. Sonst gilt: einfach nur heizen, heizen, heizen!

Jou - mach' ich. Heize los wie angestochen. Bei Kilometer 1:  4:50min ---  *Aaahhhhh* *Schnauf*  zu schnell. Das Übliche eben.

Doch diesmal verfalle ich nicht in Schreckstarre sondern sage mir schlicht: "Gut, versuchste eben das Beste draus zu machen und unter 25 Minuten zu bleiben" Nur noch 4 Kilometer schließlich:



Trotzdem werde ich langsamer. Gefühlte Minuten. Alles ist schwer, alles tut weh. Hier fällt mich das Goethe-Mantra aus dem Nichts heraus an: ".. und leide, wenn du musst ..." Dann muss ich jetzt eben mal und genieße gleichzeitig die Erfahrung, dass ich es kann. Das Leiden akzeptieren. Bloß kein Kampf. Der gern benutzte Begriff: "mentale Härte" passt bei mir nicht. Nach Härte fühlt sich in diesen Momenten nichts an. Eher nach konzentrierter Ganzheit und Zustandslosigkeit. Einfach geschehen lassen, nicht gegensteuern, nicht zu sehr forcieren. In den Flow kommen trotz Leid und Schmerz und Lungenbrennen.

Kilometer Zwei:  9:50min. Zwar langsamer geworden. Aber noch im Rahmen.


Irgendwo nach der Halbzeitkehre fällt mich ein Schmerz an. Die Achillessehne zwickt ohne Vorwarnung. Ich erinnere mich an den Schmerz, den ich im Jahr 2005, zu Beginn meiner Lauferei, beim ersten Halbmarathon im Siebentischwald habe liegen lassen. Ob er all die Jahre dort auf mich gewartet hat?

Einen kurzen Gedanken widme ich ihm und der Sehne, heiße ihn herzlich Rewillkommen und lade ihn ein, ein Stückle mitzulaufen. Ein bisschen langsamer werde ich dadurch vielleicht. Aber minimal - er macht sich leicht, der kleine Schmerz und schon kurz darauf ist er wieder vergessen und nicht mehr spürbar. Bis zum nächsten Lauf im Siebentischwald?

Ich beachte die Uhr länger nicht mehr. Meine Augen sind vom Regen verschleiert, alle Konzentration fließt in die Bewegung. Als der letzte Kilometer auftaucht, riskiere ich wieder ein Blickchen und stelle fest: mit richtig Karacho könnte ich die sub 25 noch packen. Schwer - aber nicht unmöglich.


Hat's geklappt? Nee - hat's nicht. Aber nur knapp daneben. Der Sprecher sucht bei meinem Anblick nach der Nummer (ich war ja Nachmelderin), findet sie noch rechtzeitig, kündigt mich mit Namensnennung an, um dann nachzusetzen: "aus München". Schon das "aus München"  hat einen fragenden Unterton.

Beim nochmal nachgeschobenen: "aus der Landeshauptstadt" - wird die Intonation nach hinten hin immer höher und offener und mündet also in einem riesigen erstaunten Fragezeichen, das ich mir innerlich mit einem: "Welche nichtmal-Vereinsläuferin verirrt sich denn in dieser Herrgottsfrühe  bei Regenwetter aus München ausgerechnet hierher, um die popeligen fünf Kilometer im Siebentischwald zu laufen? Wieso macht ein Mensch sowas...?" fülle. Antwort meinerseits: "bisschen bekloppt musste dafür schon sein" ;-)

Wie so oft muss ich die genaue Zeit nachliefern. Bin mit dem Bericht zu ungeduldig, um auf offizielle Ergebnisse zu warten. Sub 25 wurde es nicht. Aber neue Bestzeit allemal. Und weil ich ja bis zum allerletzten Schluss dachte, es könne vielleicht noch klappen, habe ich mir alles, was an Seele in mir drin gewesen sein mag, bei der Aktion vermutlich aus dem Leib gelaufen.

Ich weiß nicht, wo genau die Zeit genommen wurde und wie lange ich brauchte, bis ich endlich den STOP-Knopf der Uhr gefunden hatte. Es müsste irgendwo im 25:10 Bereich liegen. Vielleicht auch ein paar Sekündchen drunter. Wir werden sehen.

Der Hauptlauf über 10 km sollte um 10:00 Uhr gestartet werden und ich überlegte kurz, noch zuzugucken. Aber meine Klamotten - auch die mitgenommenen für hinterher - waren eindeutig zu dünn. Es regnete weiterhin, ich fror. Also saß ich beim Anpfiff des Zehners schon wieder in der Straßenbahn, wenige Minuten später im Regionalzug nach Münchenn, noch vor Mittagsgeläut am heimischen PC. Auch nicht schlecht eigentlich ;-)

Bis zum Einsteigen in den Regionalzug begleiteten mich heftigste Hustenattacken, die schon kurz nach Zieleinlauf begonnen hatten. Wollten gar nicht mehr aufhören: Schleim und Bröckchen, Keuchen, Bronchienbrennen und Kratzen - die übrigen Fahrgäste hielten angesichts meines vermutlich leicht desolaten Aussehens und der röchelnden Geräusche misstrauischen Abstand. Einige Lungenbläschen sind der heutigen Aktion vermutlich zum Opfer gefallen ... Besser hier als durch's Rauchen ;-)

Inzwischen stelle ich fest: der kleine Schmerz hat mich doch nicht komplett verlassen. Hat mir ein kleines Andenken an die Achillessehne gepappt. Sie zwickt je nach Bewegung in kurzen Intervallen auf und auch das Fußgelenk fühlt sich etwas instabil an.

Werde ich diese Woche wohl langsamer angehen lassen. Keine 15 flotten Kilometer  mit der relativ neuen Lauftreffgruppe, die mich die letzten beiden Dienstage ganz schön gefordert hat aber sicher mitverantwortlich für den heutigen Erfolg zeichnen darf.



DAS ERGEBNIS:

diesmal nicht ein paar Sekündchen unter dem selbst gemessenen Wert sondern ein paar drüber. Und trotzdem:


BESTZEIT  - und neuer VDOT-Höchstwert :-D


offizielles Ergebnis:   25:13 damit eine Pace von 5:02min/km  und  VDOT: 37.9

Von 52 Teilnehmern starteten 11 in der Klasse "W" (AKs werden beim 5er nicht berücksichtigt. Aber die Jahrgänge stehen in der Ergebnisliste. Ich war die zweitälteste).



Meine Platzierung: Platz 8 von 11 bei den Frauen (wie schon angedeutet: hier starten hauptsächlich VereinsläuferInnen und die sind verflixt flott!)


Die Gesamtauswerterei bzw. die anderen nicht-w's zu berücksichtigen lasse ich mal sein, da alle Teilnehmer: Schüler, Jugend etc. in gesonderten Listen geführt werden.Ist mir zu kompliziert und gilt ja auch eigentlich eh nicht.


Und jetzt noch extra für Ralf:

Freitagsberechnungen

Du bist 5000.0m in 25:13 gelaufen. Dabei hattest Du ein Gewicht von 74.3kg, entsprechend einem BMI von 28.3.
Das ergibt eine korrigierte Zeit von 19:34 bei einem Wettkampfgewicht von 55.1kg.


und mal angenommen, das wäre Realität *g* ... nein, ich glaube das NICHT, dass es möglich wäre *g* - auch noch die altersbereinigte Zeit:

Ihre altersbereinigte Zeit: 17:05
Weltrekord: 14:17 

Reicht nicht. Müsste ich ja doch auch noch trainieren ...