30 September 2011

nicht vom Brot allein - Antipasti und charismatische Mitwesen

Antipasti bei "Carlina"


Wer würde in einem weitgehend unbevölkerten piemontesischen Tal, in fast unbewohnten Ortschaften der Bergwelt - wer würde dort Abend für Abend ein 5-Gänge-Menü aus meist frischen und fast ausschließlich Bio-Zutaten erwarten? Wir hatten es nicht erwartet. Und was bekamen wir? Genau DAS!

Ich habe nur wenig der Köstlichkeiten geknippst. Meist essen alle Anwesenden - auch die Familie - gemeinsam. Da kam ich mir zu blöd vor, ständig mit der Kamera anzurücken. Daher nur wenige Ausnahmen von "Anfang" und "Ende". Das "Dazwischen" möge die Fantasien beflügeln - es war es allemal wert!


Birra und Dolce bei Carlina


Auch Wein allein muss es nicht IMMER sein - aber fast immer schon ;) und ab und zu auch mal einen Grappa oder Bio-Genepy zum Abschluss nach Dolce und Espresso.

So kam es, dass ich fast alle Bio-Müsliriegel, das Studentenfutter und die Obstschnitten wieder mit nach Hause geschleppt habe. Wer gibt sich schon mit plastikverpacktem Zeug ab, wenn es abends 5-Gänge-Menüs gibt ...


... obwohl auch der selbst mitgeschleppte Luxus nicht zu verachten ist (in einen 12 kg schweren Rucksack noch Bunsenbrenner, Gaskartusche, Pozellantassen, Espressolöffelchen und braunen Rohrhzucker zu den Espressotütchen zu packen, erfordert durchaus etwas Überwindung - aber was tut frau nicht alles für einen schnöden kleinen Überraschungsmoment, in dem sie sich toll fühlen darf ;-) 

Dauerhaft laufende Brunnen mit frischem Quellwasser finden sich übrgens in allen - auch den verlassenen - Ortschaften reichlich. So muss der Wanderer nicht allzu viel Getränke im Rucksack mitschleppen. Trinken und Nachfüllen ist fast überall möglich.


Maria Schneider - permanent in Aktion und gefragt

 Maria Schneider (weit über die Grenzen des Tals hinaus bekannt und geachtet) - mit einem ihrer Hunde.

Im Gebäude dahinter (dort hatte ich die Digicam nicht mit) geschmackvollste künstlerische Arrangements, eine Hightech-Industrieküche, in der allabendlich mehrere Saisonkräfte atemberaubend leckere Menüs zaubern.
Allerdings nicht "a la carte". Gegessen wird - hier wie überall unterwegs - das einzige Menü des Tages. Also das, was auf den Tisch kommt. Vorabgefragt wird lediglich, ob vegetarisch oder nicht gewünscht wird.

Voranmeldungen sind unerlässlich, werden aber gerne vom vorhergehenden Quartierwirt am Morgen für die Abreisenden - und in unserem Falle sprachlich alles andere als versierten - Gäste erledigt. Jeder kennt hier jeden im Tal.  
In zwei der Quartiere waren wir - Michaela und ich - die einzigen Gäste (die Ferien sind vorbei, die Saison neigt sich dem Ende zu). Und doch wurden wir bekocht und bewirtet vom aller allerfeinsten! Da wundert es nicht, dass jemand ausgeschickt wurde, die Hänge, über die wir eigentlich ankraxeln mussten, mit dem Feldstecher nach uns abzusuchen als wir deutlich später dran waren als zu erwarten gewesen wäre.

Neben der Sorge um unser Wohlergehen - das immer und immer wieder glaubwürdig, echt und herzlich zu spüren war, hätte noch ein weiteres Problem beim Ausbleiben bestanden: "Wer soll das alles essen?!"


Restaurant und Bar "Carlina"
 
Dieses Restaurant samt Bar (siehe oben) und diese Küche (siehe unten) befindet sich in Ussolo - einem Bergdorf mit nur ca. 10 ständigen Bewohnern. Jedenfalls im Sommer - im Winter ist es verwaist.  Das Posto Tappa "La Carlina" hatte aber dennoch neben uns beiden einzigen Schlafgästen (die Übernachtungszimmer befinden sich etwas entfernt in einem anderen Gebäude) auch weitere einheimische Kunden, die zum Essen vorbeikamen, vorbestellte Pizzen abholten und hier die Gelegenheit nutzten, aushäusig gut bewirtet zu werden. Dafür lässt es sich auch ein paar Ortschaften weit fahren.




Wie urig und teil marode viele Häuser auch von außen aussehen mögen. Überall trafen wir auf saubere, gepflegte und zweckmäßige Innen-, Küchen-, und Sanitäreinrichtungen.



Duschen in Ussolo


Matteo und Virginia  Laugero in ihrer Posto-Tappa-Küche in Palent

Matteo ist zuständig für die "geistreichen" Genüsse

Posto Tappa in San Marino - im Centro Culturale von Maria Schneider

In den meisten Unterkünften (nicht überall - aber es gibt ein vollständiges Unterkunftsverzeichnis des Mairatals, in dem man alles notwendige nachsehen kann) existieren auch (teurere) Doppelzimmer neben den Posto Tappa Betten, die Matratzenlager oder Stockbetten in Mehrbettzimmern sind.

Im Centro Culturale waren alle Zimmer auch außerhalb der Saison ausgebucht. Maria Schneiders Ruf und das des Hauses sorgt für regen Zuspruch. Nur unser "Zimmer", die Posto-Tappa-Saal war frei. Wir waren die einzigen Gäste in diesem größten und im Grunde schönsten aller Zimmer. Mit eigenem überdachtem wundervoll eingerichtetem Balkon und vielerei liebevoll bedachten "Extras".

Die Gäste - viele bleiben für Tage oder Wochen und unternehmen vom Standort aus Wanderungen - sind hauptsächlich Deutsche und Schweizer. Viele kommen schon seit Jahren immer wieder. Aber gerade jetzt beginnt es sich immer weiter herumzusprechen. Am Tag unserer Ankunft kam auch eine acht(?)köpfige Männer(Kollegen-)Gruppe aus Münster via Flug nach Nizza und von dort per Mietwagen weiter ins Mairatal, angereist. Nur einer von ihnen kannte das Tal und Marias Schneider Perle in der Wildnis. Sie kamen nach dem Motto: " Kommt doch mal mit - ich kenn' da was so irres, das MUSS ich euch zeigen ... Das ist DER Wahnsinn ...!" und auch den anderen neuen Gästen fiel - genau wie uns beiden - angesichts dieser unerwarteten Schätze in fast menschenleerer Bergwelt die Kinnlade langwierig runter und wollte sich kaum  einrenken lassen. Beim Essen dann klappte es aber doch wieder ;-)


Ussolo


Posto Tappa "L'Artesin" in Clari

Posto Tappa in Clari bei Elva


Posto Tappa in Palent

der "Clint Eastwood" vom Mairatal
 Das Bild von mir nur abfotografiert von einer im Gastraum in Ussolo aushängenden Fotoausstellung mit "Gesichtern des Valle Maira". Tolle Fotos - und tolle Gesichter. Die (überwiegend recht betagten - Familien mit Kindern finden hier kaum die nötige Infrastruktur - noch nicht) Bewohner des Tals fast alle in bewusster Entscheidung und Stadtabwendung hier (wieder)angesiedelt. Engagierte, idealistische und vielseitig interessierte Menschen. Wie mir schien: überdurchschnittlich offen und vorurteilsfrei, selbstbewusst und voller Visionen.


für alle Wesen wird gesorgt

emanzipierte Kater helfen bei Aufzucht ihrer Jungen und halten Wache
 In Palent war fast das erste, was wir noch vor Einchecken im Posto Tappa entdeckten, eine Katzenfamilie, die heute - so erfuhren wir erst später von Virginia, der Besitzerin mehrerer Katzen und Hunde - zum ersten Mal aus ihrer Geburtshöhle ins Licht geführt wurden.

Papa Mimi (der schwarz-weiße Kater) hilft beim Popo-Abputzen der Kleinen, schmust und kuschelt mit allen und natürlich bewacht er sie vor neugierigen Wandersfrauen mit Digitalkamera.


zwei von vieren



Am zweiten Tag im Licht der Herbstsonne wird die Wohnstatt näher an die Futtertröge verlegt. In zwei "Marschschichten" mit je zwei Minimiezen.  Die Katzenmama passt zwar auf. Aber sie verlangt den ca. 3wöchigen Kätzchen einiges ab. Sie purzeln fast kopfüber Hänger herunter, Treppen abwärts und müssen ziemlich unwegsame Wege zurücklegen. Dagegen waren unsere Wohnungswürfe echte Weicheier - total überbehütet vom Menschen.


auch eine neugierige Katze im Bett kann schon mal vorkommen :-)

überall - auch hier in San Martino: Hunde und Katzen in Freundschaft und Harmonie
Mieze und Hund sind gleich alt. Leider verschwinden auch hier gelegentlich die Tiere. Jedes der beiden hatte einen gleichaltrigen Gefährten gleicher Art. Und beide werden vermisst. Ein weißes Kätzchen und ein Boarder-Colli-ähnlicher junger Hund. Von Greifvögeln gefangen? Oder von Wölfen? (die es angeblich im Valle Maira geben soll - gesehen oder gehört haben wir aber nix davon. Vorstellen konnte ich es mir auch nicht wirklich).
 Meine Vermutung: vom Menschen geklaut. Denn beide (verschwundener Hund wie verschwundene Katze - wir haben Bilder gesehen) waren ausnehmend schöne Exemplare ihrer Art.

Hütehund für Wandersfrauen. Arbeitet aus Freude und ohne Lohn.

Diese Boardercollie-Hündin sah uns in einer winzigen Ortschaft durchwandern. Dort wurde ein altes Haus renoviert, sie schaute gelangweilt bei den Bauarbeiten zu. Entschloss sich dann, in Ermangelung von anderen zu hütenden Wesen, die beiden Wandersfrauen bis zur nächsten Ortschaft - ca. 5 Kilometer und damit eine gute Stunde lang - durch Wälder und über Hügelpfade hügelauf und hügelab - zu begleiten. Immer etwas voraussprintend, sich aber ständig vergewissernd, dass wir ihr nicht abhanden kommen, geleitete sie uns freundlichst und voller Energie des Weges, sah uns nach, wie wir im Örtchen verschwanden, dort auf zwei ansässige Männer trafen, die wir nach dem weiteren Wegeverlauf fragten.

Das schien die Hündin zu der Überzeugung zu bringen, ihren Job erfüllt zu haben. Sie drehte um und sprintete in atemberaubendem Tempo zurück in Richtung ihres Wohnortes.


Snoopy - einer von 3 Hunden Virginias. Was für ein "Hundeleben" hier in Palent ;-)

"vendesi"

Traumplätze für Menschen und Tiere. Wen wundert es, dass mich jeweils ein Kribbeln befiel, wenn an diesen (s. o.) "zu Verkaufen"-Schilder hingen ... ? *seufz*





Neben wenigen Kühen und Ziegen finden sich auch "wilde Tiere"  im Mairatal. Hauptsächlich allerdings die kleineren Arten: es wimmelt und huscht von Eidechsen, springt, flirrt und schwirrt von bunten Grillen und vielfältigen Schmetterlingen in auch größeren Schwärmen wo man geht und steht.

Größere Tiere - Rehe, Falken, nur recht wenige Vögel ansonsten, wie ich fand - sahen wir zwar. Aber eher selten dafür, wie ruhig und weit einem die Welt dort scheint. Es ist eben auch karg. Jedenfalls auf der sonnigen Südseite. Die waldige Nordseite ist kühler, von Tieren bewohnter und hat ein etwas anderes Klima.

Zwei Nächte lang röhrte ein brünftiger Hirsch direkt hinter dem Haus, in dem wir schliefen stundenlang so laut, dass an Schlaf nicht zu denken war. Ich hab' mich aber nicht rausgetraut in die Dunkelheit - obwohl ein Foto mich schon gereizt hätte.

Habe ich es schon erwähnt? -> es ist eine kostbare Perle im abgelegenen Teil des Piemont, das Mairatal. Ich werde wiederkommen!

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29 September 2011

Hauptsache grün! Oder doch lieber Gelb? -> Sentieri silenziosi - Percorsi Occitani - Valle Maira im Piemont


Oft gesucht - meist (aber eben nicht immer ;) gefunden  : der gelbe Balken, der den Rundwanderweg des Mairatal markiert. Den "Percorsi occitani" (übersetzt etwa: okzitanische Durchgangswege), der in zwischen 12 und 15 Einzeletappen durchs Mairatal im Piemont führt.







Es gibt diverse Alternativrouten, Zusatzschlenker, Überschneidungen mit anderen und weiteren markierten Wegen. Für uns blieb mit 8 Urlaubs-, davon 6 Wandertagen (es ist ein bisschen umständlich hinzukommen, ins abgelegene menschenarme und fast touristenlose Tal im Piemont) nur Zeit für einen kleinen aber doch recht umfassenden und vor allem wunderschönen Gesamteinblick.Die Gebiete im Hochgebirge allerdings haben wir nicht touchiert und so fanden die 6 Wandertage auf einer Höhe zwischen 1.000 Meter über Null und fast 1.900 Metern statt. Die - mit meist mehreren hundert Einwohnern etwas größeren  - niedrigen Talorte des Valle Maira liegen auf einer Höhe von ca. 1.000 m ü.nN.



Alte Dörfer und kleine Ansiedlungen. Lange komplett verlassen gewesen - in den letzten Jahren wieder langsam teilbevölkert - finden sich zwar viele menschliche Spuren am Wege. Selten jedoch die dazugehörigen Menschen, da fast alle Häuser insbesondere außerhalb der Ferienzeiten leer stehen.

Die meisten verfallen weiterhin - inzwischen scheint aber angekommen zu sein, dass es sich um einmalige Schätze handelt und so sind viele Renovierungsarbeiten, Erneuerungen, Wiederbesiedlungen, Unterkünfte unterschiedlicher Komfortstufen und Verkaufsschilder zu finden an Häusern und Ruinen, die jahrzehntelang ein verfallendes und unbeachtetes Dasein im abgelegenen Tal führten, das zu den am dünnsten besiedelten Regionen Europas zählt und bis vor kurzem eine mit Alaska vergleichbare Bevölkerungsdichte (oder -dünne?) aufwies. Doch wie erwähnt: momentan findet eine sanfte Wiederbesiedelung und ein wachsender "sanfter" Tourismus statt und wer den jetzigen - unglaublich verzaubernden - Charme noch erleben möchte: JETZT bzw. bald oder nie mehr (denk' ich mal so ...).



 Die sonnige Südseite jetzt im Herbst mit nur wenig Farbe gesprenkelt.Bei näherer Betrachtung finden sich eine unglaubliche Vielzahl an Kräutern und Blumen: Lavendel in großen Flächen (jetzt zwar verblüht aber noch sichtbar), mehrere Thymiansorten, Oregano, Schafgarbe,  Rosmarin, Salbei und viele viele andere. Wermut wird in großen Flächen auch zur Ernte und Weiterverwertung kultiviert. Ganze Hänge sind übersät mit Hagebuttenbüschen.Hasel- und Walnüsse säumen die Wegesränder in tieferen Lagen.

Auf jeden Fall werde ich in einem Frühling wiederkommen, in dem das Tal ein einziges duftendes Blütenmeer sein soll voller wilder Rosen, blühender Kräuter, wilder Narzissen und  allem, was Auge und Herz begehren.




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Über die Unterkünfte möchte ich später noch ausführlicher schreiben. Vorweg erwähnt die "Erscheinung in der Wildnis", in der wir uns nach einer ersten langen und anstrengenden Tagswanderung wiederfanden: das "Centro Culturale Borgata San Martino"  von Maria Schneider.




Hier weiterzuziehen in dem Bewusstein, dass es kaum wahrscheinlich ist, nochmal eine solche Perle, ein solches "Wunder" (Kunstinstallationen, freundliche, witzige, geistvolle Menschen, verspielt-verhätschelte zutrauliche  Tiere, exquisite Küche, liebevollst gestaltete Schlafgelegenheiten, eine Gästebibliothek und nicht zuletzt einen Fön in der Dusche ;)  inmitten der Einsamkeit zu finden, das fiel schon ein bisschen schwer. War aber die absolut korrekte Entscheidung. Denn: hier im Valle Maira muss dem lieben Gott eine kostbare Perlenkette zersprungen sein. Kostbarkeiten und immer wieder wenn auch immer wieder unterschiedliche Perlen finden sich an vielen Wegen. Die früheren Bewohner haben es erkannt und liebem Gott samt Gottesmutter eine Vielzahl an Kirchen, Kirchlein und Bildstöcken an Wege und Häuser gebaut und gemalt (siehe vorherigen Beitrag).



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Noch andere Wege verlaufen im bzw. durch das Mairatal. Zum Beispiel der "gta" (Grande Traversata delle Alpi). In ihn erstmal vorsichtig "reinzuschnuppern" war einer der "Hintergrundgedanken" im Vorfeld des Valle Maira - Wanderurlaubs. Und JA - der Funke glimmt nun auch diesbezüglich stärker ...



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Kein einziges "Steinmanderl" ist mir im Valle Maira zu Gesicht gekommen. Erstaunlich, da sie überall im Alpengebiet immer ausufernder vor sich hinwachsen. Also hab' ich die Gelegenheit wahrgenommen, diese importierte (Un?- ;)-sitte auch hier vorsichtig einzuführen und mein allererstes eigenes Steinmanderl selbst gebaut  :-D



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Hier und da auch einige "größere" Ortschaften in den etwas höher gelegenen Regionen. Meist nur von wenigen Menschen dauerbewohnt. Wenn überhaupt.



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28 September 2011