Antipasti bei "Carlina" |
Wer würde in einem weitgehend unbevölkerten piemontesischen Tal, in fast unbewohnten Ortschaften der Bergwelt - wer würde dort Abend für Abend ein 5-Gänge-Menü aus meist frischen und fast ausschließlich Bio-Zutaten erwarten? Wir hatten es nicht erwartet. Und was bekamen wir? Genau DAS!
Ich habe nur wenig der Köstlichkeiten geknippst. Meist essen alle Anwesenden - auch die Familie - gemeinsam. Da kam ich mir zu blöd vor, ständig mit der Kamera anzurücken. Daher nur wenige Ausnahmen von "Anfang" und "Ende". Das "Dazwischen" möge die Fantasien beflügeln - es war es allemal wert!
Birra und Dolce bei Carlina |
Auch Wein allein muss es nicht IMMER sein - aber fast immer schon ;) und ab und zu auch mal einen Grappa oder Bio-Genepy zum Abschluss nach Dolce und Espresso.
So kam es, dass ich fast alle Bio-Müsliriegel, das Studentenfutter und die Obstschnitten wieder mit nach Hause geschleppt habe. Wer gibt sich schon mit plastikverpacktem Zeug ab, wenn es abends 5-Gänge-Menüs gibt ...
... obwohl auch der selbst mitgeschleppte Luxus nicht zu verachten ist (in einen 12 kg schweren Rucksack noch Bunsenbrenner, Gaskartusche, Pozellantassen, Espressolöffelchen und braunen Rohrhzucker zu den Espressotütchen zu packen, erfordert durchaus etwas Überwindung - aber was tut frau nicht alles für einen schnöden kleinen Überraschungsmoment, in dem sie sich toll fühlen darf ;-)
Dauerhaft laufende Brunnen mit frischem Quellwasser finden sich übrgens in allen - auch den verlassenen - Ortschaften reichlich. So muss der Wanderer nicht allzu viel Getränke im Rucksack mitschleppen. Trinken und Nachfüllen ist fast überall möglich.
Maria Schneider - permanent in Aktion und gefragt |
Maria Schneider (weit über die Grenzen des Tals hinaus bekannt und geachtet) - mit einem ihrer Hunde.
Im Gebäude dahinter (dort hatte ich die Digicam nicht mit) geschmackvollste künstlerische Arrangements, eine Hightech-Industrieküche, in der allabendlich mehrere Saisonkräfte atemberaubend leckere Menüs zaubern.
Allerdings nicht "a la carte". Gegessen wird - hier wie überall unterwegs - das einzige Menü des Tages. Also das, was auf den Tisch kommt. Vorabgefragt wird lediglich, ob vegetarisch oder nicht gewünscht wird.
Voranmeldungen sind unerlässlich, werden aber gerne vom vorhergehenden Quartierwirt am Morgen für die Abreisenden - und in unserem Falle sprachlich alles andere als versierten - Gäste erledigt. Jeder kennt hier jeden im Tal.
In zwei der Quartiere waren wir - Michaela und ich - die einzigen Gäste (die Ferien sind vorbei, die Saison neigt sich dem Ende zu). Und doch wurden wir bekocht und bewirtet vom aller allerfeinsten! Da wundert es nicht, dass jemand ausgeschickt wurde, die Hänge, über die wir eigentlich ankraxeln mussten, mit dem Feldstecher nach uns abzusuchen als wir deutlich später dran waren als zu erwarten gewesen wäre.
Neben der Sorge um unser Wohlergehen - das immer und immer wieder glaubwürdig, echt und herzlich zu spüren war, hätte noch ein weiteres Problem beim Ausbleiben bestanden: "Wer soll das alles essen?!"
Restaurant und Bar "Carlina" |
Dieses Restaurant samt Bar (siehe oben) und diese Küche (siehe unten) befindet sich in Ussolo - einem Bergdorf mit nur ca. 10 ständigen Bewohnern. Jedenfalls im Sommer - im Winter ist es verwaist. Das Posto Tappa "La Carlina" hatte aber dennoch neben uns beiden einzigen Schlafgästen (die Übernachtungszimmer befinden sich etwas entfernt in einem anderen Gebäude) auch weitere einheimische Kunden, die zum Essen vorbeikamen, vorbestellte Pizzen abholten und hier die Gelegenheit nutzten, aushäusig gut bewirtet zu werden. Dafür lässt es sich auch ein paar Ortschaften weit fahren.
Wie urig und teil marode viele Häuser auch von außen aussehen mögen. Überall trafen wir auf saubere, gepflegte und zweckmäßige Innen-, Küchen-, und Sanitäreinrichtungen.
Duschen in Ussolo |
Matteo und Virginia Laugero in ihrer Posto-Tappa-Küche in Palent |
Matteo ist zuständig für die "geistreichen" Genüsse |
Posto Tappa in San Marino - im Centro Culturale von Maria Schneider |
In den meisten Unterkünften (nicht überall - aber es gibt ein vollständiges Unterkunftsverzeichnis des Mairatals, in dem man alles notwendige nachsehen kann) existieren auch (teurere) Doppelzimmer neben den Posto Tappa Betten, die Matratzenlager oder Stockbetten in Mehrbettzimmern sind.
Im Centro Culturale waren alle Zimmer auch außerhalb der Saison ausgebucht. Maria Schneiders Ruf und das des Hauses sorgt für regen Zuspruch. Nur unser "Zimmer", die Posto-Tappa-Saal war frei. Wir waren die einzigen Gäste in diesem größten und im Grunde schönsten aller Zimmer. Mit eigenem überdachtem wundervoll eingerichtetem Balkon und vielerei liebevoll bedachten "Extras".
Die Gäste - viele bleiben für Tage oder Wochen und unternehmen vom Standort aus Wanderungen - sind hauptsächlich Deutsche und Schweizer. Viele kommen schon seit Jahren immer wieder. Aber gerade jetzt beginnt es sich immer weiter herumzusprechen. Am Tag unserer Ankunft kam auch eine acht(?)köpfige Männer(Kollegen-)Gruppe aus Münster via Flug nach Nizza und von dort per Mietwagen weiter ins Mairatal, angereist. Nur einer von ihnen kannte das Tal und Marias Schneider Perle in der Wildnis. Sie kamen nach dem Motto: " Kommt doch mal mit - ich kenn' da was so irres, das MUSS ich euch zeigen ... Das ist DER Wahnsinn ...!" und auch den anderen neuen Gästen fiel - genau wie uns beiden - angesichts dieser unerwarteten Schätze in fast menschenleerer Bergwelt die Kinnlade langwierig runter und wollte sich kaum einrenken lassen. Beim Essen dann klappte es aber doch wieder ;-)
Ussolo |
Posto Tappa "L'Artesin" in Clari |
Posto Tappa in Clari bei Elva |
Posto Tappa in Palent |
der "Clint Eastwood" vom Mairatal |
für alle Wesen wird gesorgt |
emanzipierte Kater helfen bei Aufzucht ihrer Jungen und halten Wache |
Papa Mimi (der schwarz-weiße Kater) hilft beim Popo-Abputzen der Kleinen, schmust und kuschelt mit allen und natürlich bewacht er sie vor neugierigen Wandersfrauen mit Digitalkamera.
zwei von vieren |
Am zweiten Tag im Licht der Herbstsonne wird die Wohnstatt näher an die Futtertröge verlegt. In zwei "Marschschichten" mit je zwei Minimiezen. Die Katzenmama passt zwar auf. Aber sie verlangt den ca. 3wöchigen Kätzchen einiges ab. Sie purzeln fast kopfüber Hänger herunter, Treppen abwärts und müssen ziemlich unwegsame Wege zurücklegen. Dagegen waren unsere Wohnungswürfe echte Weicheier - total überbehütet vom Menschen.
auch eine neugierige Katze im Bett kann schon mal vorkommen :-) |
überall - auch hier in San Martino: Hunde und Katzen in Freundschaft und Harmonie |
Meine Vermutung: vom Menschen geklaut. Denn beide (verschwundener Hund wie verschwundene Katze - wir haben Bilder gesehen) waren ausnehmend schöne Exemplare ihrer Art.
Hütehund für Wandersfrauen. Arbeitet aus Freude und ohne Lohn. |
Diese Boardercollie-Hündin sah uns in einer winzigen Ortschaft durchwandern. Dort wurde ein altes Haus renoviert, sie schaute gelangweilt bei den Bauarbeiten zu. Entschloss sich dann, in Ermangelung von anderen zu hütenden Wesen, die beiden Wandersfrauen bis zur nächsten Ortschaft - ca. 5 Kilometer und damit eine gute Stunde lang - durch Wälder und über Hügelpfade hügelauf und hügelab - zu begleiten. Immer etwas voraussprintend, sich aber ständig vergewissernd, dass wir ihr nicht abhanden kommen, geleitete sie uns freundlichst und voller Energie des Weges, sah uns nach, wie wir im Örtchen verschwanden, dort auf zwei ansässige Männer trafen, die wir nach dem weiteren Wegeverlauf fragten.
Das schien die Hündin zu der Überzeugung zu bringen, ihren Job erfüllt zu haben. Sie drehte um und sprintete in atemberaubendem Tempo zurück in Richtung ihres Wohnortes.
Snoopy - einer von 3 Hunden Virginias. Was für ein "Hundeleben" hier in Palent ;-) |
"vendesi" |
Traumplätze für Menschen und Tiere. Wen wundert es, dass mich jeweils ein Kribbeln befiel, wenn an diesen (s. o.) "zu Verkaufen"-Schilder hingen ... ? *seufz*
Neben wenigen Kühen und Ziegen finden sich auch "wilde Tiere" im Mairatal. Hauptsächlich allerdings die kleineren Arten: es wimmelt und huscht von Eidechsen, springt, flirrt und schwirrt von bunten Grillen und vielfältigen Schmetterlingen in auch größeren Schwärmen wo man geht und steht.
Größere Tiere - Rehe, Falken, nur recht wenige Vögel ansonsten, wie ich fand - sahen wir zwar. Aber eher selten dafür, wie ruhig und weit einem die Welt dort scheint. Es ist eben auch karg. Jedenfalls auf der sonnigen Südseite. Die waldige Nordseite ist kühler, von Tieren bewohnter und hat ein etwas anderes Klima.
Zwei Nächte lang röhrte ein brünftiger Hirsch direkt hinter dem Haus, in dem wir schliefen stundenlang so laut, dass an Schlaf nicht zu denken war. Ich hab' mich aber nicht rausgetraut in die Dunkelheit - obwohl ein Foto mich schon gereizt hätte.
Habe ich es schon erwähnt? -> es ist eine kostbare Perle im abgelegenen Teil des Piemont, das Mairatal. Ich werde wiederkommen!
*