10 August 2014

Panoramatour Sächsische Schweiz - ein Etappenlaufversuch

Im hintersten Winkel Sachsens, eingeschlossen zwischen hauptsächlich tschechischen Wäldern und mittelgebirgigen Hügeln liegt das kleine Dörfchen Hinterhermsdorf. Schon das Hinfinden bereitete Navi und mir einige Probleme: wegen Baustellen komplett gesperrte Zufahrtsstraßen ohne Alternativausschilderung, winzige Waldwege als einziger Zugang - viel zu klein für die sie verstopfenden Erntefahrzeuge mit gigantischen Ausmaßen.

Irgendwann doch glücklich am Ziel angekommen: die kleine aber heimelige Pension “Sonnenhof”, mitten im Wald gelegen und bar jeder technischen Außenanbindung. 

Zumindest gibt’s hier nicht nur keinen Internetzugang -auch eine Handyverbindung kommt nirgendwo zustande. Abends nach einem Spaziergang - Grillen verbreiten einen ohrenbetäubenden Lärm, Rehe springen und äsen in Wiesen und an Waldrändern - ins ca. 2,5 Kilometer entfernte Dörfchen stelle ich fest: 
 
Handyverbindung funktioniert immerhin zumindest am höchst gelegenen Punkt notdürftig - am iPad eine Internetvebindung aufbauen zu wollen, das ist hier durchgängig vergebliche Liebesmüh’ und mir schwant, warum Hinterhermsdorf reihenweise Preise mehrfach für “das schönste Dorf Sachsens”, das schönste Dorf von allem möglichen und einmal sogar als “schönstes Dorf Deutschlands” eingeheimst hat. Nicht die nett renovierten Häuser, der schilfgesäumte Naturbadeteich im Ort, in dem sich mit den Badenden auch Ringelnattern tummeln, die hübschen Gebäude in augenweidender Landschaft war das wirklich preisverdächtige - die idyllische Ruhe vor Technik und Kommunikationsoverkill, die wird es gewesen sein.

Verstörend: das Dorf ist zugepflastert mit Plakaten der NPD. Zwei, drei Wahlplakate “der Linken” mache ich auch noch aus - darüber hinaus existiert in Hinterhermsdorf offensichtlich keinerlei Parteienlandschaft. Es sieht nach relativem Wohlstand aus, nach Idylle, Raum und durchaus auch florierenden touristischen Betrieben. Ich frage mich, welche Faktoren es sind, die nicht nur hier sondern scheinbar in der Umgebung die NPD dominieren lassen? Vor Ort bekomme ich es nicht heraus - sehe in Hinterhermsdorf vier Jugendliche am Sträßchenrand vor einem Haus grillen, deren Outfit, Körperbemalung und Musikbeschallung darauf schließen lassen, dass sie aktiv an dieser “politischen Orientierung” mitwirken. 

Wechsele unverfänglich so rechtzeitig die Straßenseite, damit nicht zu auffällig wird, dass ich es nur wegen ihnen tue. Weil ich gerne direkt durch das Grüppchen durchschlendern und den jungen Leuten ins Gesicht sehen möchte. Was ich tue. Wie in kleinen Dörfern üblich, wird jeder gegrüßt, der einem über den Weg läuft und so sage ich auch zu den Vieren freundlich “Hallo”, lächele sie an. Werde höflich zurück gegrüßt und ich denke mir: “Wären da nicht diese heiser brüllende Musik und die eindeutigen Insignien an Körper und Kleidung, es könnten genausogut Mitglieder der kirchlichen Dorfjugend sein, die hier am Straßenrand grillen”.

Analysieren werde ich das alles hier nicht. Könnte ich ohnehin nicht und schon gar nicht vollständig, umfassend und einigermaßen sinnig. Halte auch Internetplattformen für zu platt und zu anonym, um solche “Phänomene” umfassend und für mich angemessen auseinanderzuklamüsern. Schon ganz und gar, weil es sich doch um einen Laufbericht handeln soll. Verstörend fand ich es allemal. Ignorieren ging gar nicht. Und fast genauso verstörend, dass mir die braune Plakatierung nach drei Tagen schon kaum noch ins Bewusstsein drang. Ich hatte mich fast daran gewöhnt.

Zum Lauf 

(alle genannten Läufe können jeweils auch einzeln gelaufen werden. Nicht alle Starter sind Läufer der Panoramatour - also aller drei Läufe)

Die Panoramatour Sächsische Schweiz  ist ein Etappenlauf, der aus drei Läufen in drei Tagen besteht. Als er mich im Internet ansprang als perfekt geeignet, Sachsen im “Lauf-die-Länder-Spiel” zu erlaufen, hielt ich zunächst die Etappenlängen von 7.8km, 30km und 16km für recht harmlos. Wollte mich schon immer mal an sowas mit Tagesetappen wagen und hielt diese - wie ich naiverweise annahm - eher “pupsigen” Tageslängen für einen geeigneten AnfängerInnen-Einstieg. Wie naiv ich doch war!
  1. Festungslauf in Königstein, Freitag den 8. August 2014.
Freitag um 18:30 Uhr: 7,8km mit 255 Höhenmetern von  Königstein auf die wunderschöne, prächtige Festung vor Ort. Irgendwie war mir im Vorfeld durch die Lappen gegangen, dass ich hier tun würde, was ich niemals tun wollte: eine Art Berglauf laufen. Nungut - ein Bergläufchen vielleicht. Schlimm genug! Ich sollte dazu übergehen, mir die Ausschreibungen der Läufe zu denen ich mich anmelde auch durchzulesen *narg*

Vor Ort traf ich Tati - wieder eine langjährige Internetbekanntschaft, die nun auch eine reale Stimme bekommen hat. Auch einige aus ihrer Laufgruppe, “bekannt” schon von Blogberichten und auch “Forengesichter” tauchten auf. Viele Leute mit Ehrgeiz hörte und sah ich .. im Gegensatz zu mir, die sich weit hinten im Feld positionierte und glücklich war, aufgrund vieler Engstellen zunächst nichtmal die Möglichkeit zum Überholen zu bekommen. Später dann doch - die steilsten Anstiege (und die WAREN steil, mein lieber Herr Gesangsverein ...) wurden von den meisten - auch von mir - erwandert und hier zog ich im zügigen Walkingschritt dann doch an nicht wenigen Teilnehmern noch vorbei.

Es tat mir schnell leid, keinen Fotoapparat mitgenommen zu haben denn dieser Lauf mit extrem steilen Passagen beinhaltete neben für mich ungewohnt steiler BergaufAnstrengung wunderbare Ausblicke. Insbesondere die Plateau-Abschlussrunde um die Festung bietet gigantische Weitblicke auf Elbe,
Festung Königstein
Elbsandsteingebirge und das weite Umfeld mit Wäldern, Hügeln und Felsformationen - wer dort angekommen ist, ist redlich erschöpft und zumindest ich genoss diese noch knapp 2 Kilometer lange flache Burgstrecke unglaublich.

Daten und Fakten:
(7,8km - 255 hm)

Meine Zeit: 53:54
Frauen: Platz 81 von 144
AK W50: Platz 14 von 24
gesamt: Platz 388 von 495



2. 30 Kilometer Panoramalauf  mit 620  Höhenmetern durch den Nationalpark sächsische Schweiz von Bad Schandau nach Hinterhermsdorf am Samstag den 9. August 2014:

 Auch hier waren mir die Höhenmeter im Vorfeld nicht in vollem Umfang ins Bewusstsein gedrungen. Dennoch hoffte ich, dass sich das auf den 30 Kilometern einigermaßen erträglich verteilen würde. Was es  leider nicht tat. Die ersten Kilometer völlig flach - die restlichen 24 Kilometer ein streckenweise äußerst knackiges Hoch- und Runtergelaufe mit z. T. deftigen Anstiegen und Gefällen.

 
Im August muss mensch damit 
rechnen, an einen Hitzelauf zu geraten. Klar. Aber schon die ersten 6 flachen Kilometer an der Bad Schandauer Elbe entlang in praller Sonne bei hochsommerlichen Temperaturen und drückender Schwüle nahmen mir jegliche Lust auf den Rest des Laufes. Obwohl diese durch den Nationalpark Sächsische Schweiz führte mit tollen Ausblicken auch auf die berühmten Felsformationen, entlang lauschiger Flüsschen, schöner Wälder mit abwechslungsreichen Fels- und 

Steingebilden.

Mein schon seit längerem ab und zu meckerndes Knie legte leider auch frühzeitig Beschwerde ein. Ich hoffte, mich am hinteren Ende des Lauffeldes mit gemütlichem Tempo und vielen schönen Fotos von Leid und Mühsal ablenken und irgendwie über die 30 Kilometer retten zu können. Die Hoffnung starb in diesem Fall nicht zuletzt sondern spätestens schon irgendwo in der Mitte des endlos langen Treppenaufstieges heraus aus Bad Schandau - noch vor Kilometer 10.

Bei Kilometer 10 war dann  auch jegliche RestMoral dahin, gäbe es eine halbwegs akzeptable Möglichkeit: ich würde abbrechen. 

Jede Bergabpassage stresste mein Knie noch stärker aber bergab wandern wenn man es bei den steilen Anstiegen sowieso auch schon tut? Blöd - so käme ich ja nie im Ziel an.

Mochte aber die vielen engagierten Streckenposten - tolle Verpflegung übrigens, Ausschilderung perfekt und nix zu meckern an Orga und Ablauf - nicht nerven und stressen - mir war, als wären Abbrecher nicht vorgesehen und so quälte ich mich nach 3:41:57 mit inzwischen heftig schmerzendem rechten Knie ins Ziel. Um ein Mehrfaches vernichteter als nach den diesjährigen Marathonläufen. 


Meine Zeit: 3:41:57
Frauen: Platz 35 von 48
AK W50: Platz 8 von 12
gesamt: Platz 152 von 167 (es gab noch zusätzlich 15 DNFs)

Badete anschließend das Knie lange und ausführlich im immerhin halbwegs kühlen Badeteichwasser, entlastete, massierte, lagerte hoch … doch vergeblich:
3. der dritte Etappenlauf über 16km rund um Hinterhermsdorf

Er führt über die Landesgrenze  in die tschechischen Wälder und Hügel und ist - so wurde mir mehrfach versichert - landschaftlich wunderschön. Mehr Trail als das bisher gewesene, tolle Wege und Aussichten … und da ich schon am ersten Tag hier bei einem kleinen Rundspaziergang die Landschaft samt Blumen- und Tierwelt bewundert habe, glaube ich diesen Schilderungen unbesehen. Wäre unglaublich gerne dabei gewesen. Schon auch wegen dieser hübschen Medaillen, die nach jedem Lauf so großzügig verteilt wurden. Die dritte hätte ich schon auch gerne noch mitgenommen ;(

Doch die erhoffte Wunderheilung fand nicht statt. Mein Knie zeigte mir stattdessen schon in der Nacht, während der es mich mehrfach - schmerzend sogar in Ruhelage - weckte, wie wenig es von dieser Idee, doch noch anzutreten, hielt. Morgens musste ich vorsichtig und unter Schmerzen zum Frühstück humpeln. Jede Restidee an ein Weiterlaufen hatte sich damit erledigt.

Verzichtete aufgrund der beengten und nur kostenpflichtig zu habenden Parkgelegenheiten und extrem beengten Straßenlage im Dörfchen darauf, mich nochmal ins Sportlergetümmel zu stürzen und fuhr direkt zurück nach München bzw. machte ich aus der Not eine Tugend und genehmigte mir in der gewonnenen Zeit großzügige Pausen in netten Orten der Bayrischen Provinz.

(Tati, ich hätte dir gerne persönlich auch noch “Tschüss” gesagt. Schön, dich kennengelernt zu haben und ihr hattet hoffentlich noch ordentlich Spaß).

Mir bleibt nun abzuwarten, ob, wie und wann es mit dem Knie, dem Laufen und auch mit “Lauf-die-Länder” weitergehen wird. Kann es selber überhaupt nicht einschätzen, da ich Knieprobleme in dieser Form und Schmerzen beim Laufen (bzw. schon beim Gehen) in dieser Intensität überhaupt noch niemals hatte. Lediglich völlig andere ganz zu Anfang meiner Lauferei.

Die Panoramatour Sächsische Schweiz würde ich - trotz meiner diesjährig streckenweise misslungenen Teilnahme samt Abbruch nach zwei Läufen - sofort jedem empfehlen, der ein bisschen hitze-, höhenmeter- und etappentolerant ist und schöne Landschaften mag. Hier und da fielen - auch von mir - fragend oder suchend geäußerte Sätze wie “Stand das in der Ausschreibung?” und verwirrte, verunsicherte LäuferInnen wurstelten sich durch Informationsbausteine und -lücken. Die allerdings nur entstehen konnten weil es eine logistische Meisterleistung ist, diese drei eigentlich voneinander getrennten Läufe zu einer Etappentour zusammenzufassen. Also auch unterschiedliche Zeitnahmen und Startnummernausgaben unter einen Hut zur Gesamtwertung zu fassen, die Shuttles zu den diversen Startorten zu organisieren. Es gibt gleichzeitig zu den Läufen auch Wander-, Walk- und Radwettkämpfe bzw. -veranstaltungen und diese noch mit unterschiedlichen Distanzen und Startorten. Dafür klappt alles letztlich wunderbar, die beteiligten Helfer und Organisatoren sind gut drauf, freundlich, hilfsbereit. Die Stimmung ist - soweit ich das mitbekommen habe - überall bestens.