Girona ist eine Stadt mit gut 100.000 Einwohnern in Katalonien. Zu meiner rudimentär vorhandenen Reiseidee gehört: wenn schon die größeren Städte, die jeder kennt, aus zeitlichen und logistischen Gründen in dieser Reise nicht unterzubringen sind, nehme ich eben die kleinen mit, die sich mir am Wege anbieten und die niemand kennt.
Wobei ich von Girona gelesen habe, dass es als
eine Art „Geheimtipp“ gehandelt wird und man dort eins der besten Restaurants
der Welt findet. Letzteres suchte ich nicht aber einen Parkplatz, von dem aus
ich bequem die Innenstadt würde erreichen können.
Gelernt: auch kleineren Städten im Süden
sollte der ortsunkundige motorisierte Reisende nicht zu innenstadtnah nähern.
Insbesondere nicht mit einem Reisemobil von mehr als 3m Höhe.
Der Versuch, einen der Kernstadt nahen
Parkplatz anzusteuern, kostete einigen Schweiß bei der Fahrt durch verstopfte Straßengewirre,
enge Durchfahrten, hektisch abwinkenden Parkplatzwächtern. Glücklich wieder geschafft,
den Kernbereich zu verlassen, wo sich auf Kilometer nicht ein einziger
tauglicher Parkplatz egal welcher Sorte zeigte, war ich nahe daran, das
Vorhaben aufzugeben, Girona zu besichtigen.
Aber
ganz so schnell mochte ich die Flinte doch nicht ins Korn werfen.
Näherte mich nach Ortsumfahrung von der andren Seite und siehe da: hier war es um ein vielfaches ruhiger, geräumiger
und wie von Zauberhand tauchte ein riesiger
als Wohnmobilplatz ausgewiesener Sandplatz auf, auf dem auch recht viele
Mobilisten schon standen.
Einige Kilometer von der Innenstadt
entfernt. Aber wozu habe ich das Klapprad? Ausgepackt und festgestellt: die
Kette war nicht nur abgesprungen sondern hatte sich derartig hartnäckig mit dem
Hinterrad verkeilt, dass ich fürchtete, das
nicht unkompliziert konstruierte Rohloff-Konstrukt auseinanderbauen zu müssen.
Vermutlich wäre es der letzte Radeinsatz des Urlaubs gewesen. Unter Gewalteinsatz
schaffte ich es letztlich doch, die Kette zu befreien und wieder aufzuziehen, reinigte notdürftig meine
komplett ölverschmierten Hände und radelte frohgemut ins Städtchen.
Eine Stadt aus Radlerinnen- und Touristinnenperspektive
unterscheidet sich diametral von der Sicht
einer gestressten Wohnmobilfahrerin. Insbesondere, wenn es sich um eine
Stadt mit vorbildlicher Radwegeführung handelt. Der Wahnsinn! Sowas hätte ich
in Spanien nie vermutet: fast flächendeckend
vorhandene und durchgängige Radwege. Vorbildlich gekennzeichnet, großenteils
mit Abtrennbaken vor dem Autoverkehr nebenan etwas geschützt. Schilder, die
Radfahrern Vorrang einräumen, großzügige Streckenführung und für Radler freie
Einbahnstraßen.
Weitläufige Parks mit blühenden Sträuchern, Palmen und Platanen, ein Fluß, großzügige Promenaden an selbigem entlang, hübsche Brücken, Straßenmusikanten, eine alte, zwar verwinkelte aber nicht unübersichtliche Innenstadt, Kathedralen, Burg, Kopfsteinpflaster und unglaublich viele Straßencafés, Bars, Restaurants und sonstige kulinarische Einladungsstätten, in denen unglaublich viele unfassbar gelassen und fröhlich wirkende Menschen die Wärme der Sonne und vermutlich das ganze Leben genossen.
Gerade als mich der Gedanke ansprang: „Verdammt
jung sehen die Leute hier alle aus!“ stellte ich fest, dass ich mich beim
Eingang der Universität befand. Es gibt auch Touristen – hauptsächlich Franzosen
und Spanier – und Souvenirläden. Sie dominieren aber in keiner Weise das
lebendige Stadtbild.
Am Fuße der steinernen Kathedrale wurde
soeben die Freiluftbühne für ein am kommenden Wochenende stattfindendes
Theaterfestival aufgebaut. Kurz überlegte ich
zu bleiben, entschied dann aber doch anders und begnügte mich mit einem relativen Kurzbesuch, bei dem ich an den vielen vorhandenen Museen (Kunst-,
Film- und jüdisches Museum z. B.) nur vorbeifuhr. Sah mir auch die Gotteshäuser
der diversen Religionen nicht von innen an. Passierte das historische jüdische
Viertel und genoss zum guten Schluss ein bisschen von der Kulinarik dieser sympathischen
Stadt (by the way: sogar die kleine Tapas-Bar – jeder wird Verständnis dafür aufbringen, dass
es Momente, Orte und Stimmungen gibt im Leben, da ist nicht mehr die Zeit für
rohe Sellerieschnitzel mit Olivenöl zu Rote Bete Saft sondern es müssen auch
mal Tapas sein und das Glas Vino tinto dazu – auch sie akzeptierte genau wie
Campingplatzlesegerät im Nichts der Pyrenäen und die Tankstelle unterwegs meine
Geldkarte anstandslos.)
Nun bin ich am Meer. An der Costa Brava in
Palamos noch deutlich nördlich von Barcelona. Auf einem recht charmebefreiten
Wohnmobil-Einpferchplatz ohne den Hauch von Gemütlichkeit. Okay, ich kann aus dem Mobilfenster einen Zipfel des ca. 1km entfernten Meeres sehen. Immerhin. Aber straff
organisiert, gesichert, mit zwar nicht begeisternden
aber vorhandenen Sanitäreinrichtungen, überall hängen Kameras. WLAN – und zwar
ein grottenschlechtes – wieder nur an der Rezeption. Diesmal keine Bar sondern
ein schmuckloses Glashäuschen. Nicht einladend. Überhaupt: die Internetversorgung
ist eher mit Deutschland vergleichbar -
wenn nicht schlechter. Ich hatte auf perfekte Abdeckung wie z. B. in Kroatien
gehofft. Aber sei`s drum. Stört ja nur, wenn man Sachen downloaden muss – wäre für
Maps aber durchaus ab und zu praktisch – oder Blogbeiträte hochladen. Dann eben
nicht. Oder später. Im Mobil hindert es – dem schwindenden Datenkontingent
geschuldet – das sinnlose Rumsurfen und fördert das Lesen. Bill Bryson ist
durch. Mal sehen, welches der viel zu
vielen mitgeschleppten Bücher ich als nächstes greife.
Das netteste an dem Platz ist "La Paloma". Eine genau wie ich einzelreisende Taube, die mir zuverlässig Gesellschaft leistet, wenn ich das Mobil wieder aufsuche. Hier stehen ca. 40 Wohnmobile. Aber sie kommt zuverlässig zu meinem Platz getrippelt und weiß die mitgebrachten selbstgeflockten Haferflocken zu schätzen. Wir gurren uns dann gegenseitig immer was vor. Ein klassisches winwin-Verhältnis.
Die Wanderung heute entlang der traumhaften
Bilderbuchküste lässt verstehen, warum es dazu kam, dass die Costa Brava zum
Sehnsuchtsort so vieler Touristen wurde. Zum Glück ist die Umgebung hier frei von Betonwüsten und Hotelmassenbauten.
Es dominiert auch der Tourismus. Klar. Fast nichts anderes gibt es. Aber es sind eher von zu edlen
und vermutlich sündhaft teuren umgebaute ehemalige Fischerhäuschen direkt am
Meer über Ferienwohnungen, Eingentumswohnungsanlagen (die höchste, die ich
außerhalb gesehen habe, war 8 Stockwerke hoch, auf den umzäunten Anlagen
standen größtenteils französische Autos –
die meisten niedriger) kleine Hotels und Pensionen vorhanden, Campingplätze und
Bungalowanlagen.
Die wirklich schönen Strände sind – vermutlich noch – relativ leer. Es tummeln sich zwar Menschen in und am Meer aber in absolut verträglicher Zahl. Die kleinen Steinbuchten mit Kiessträndchen entlang des Küstenweges, die regelrecht einladen dazu, hier lesend, liegend und schwimmend einen Tag zu verbringen, sie sind menschenleer.
Küstenweg, auf dem ich heute eine fünfstündige
Wanderung unternommen habe, war einer der Sorte, bei denen ich wie ferngesteuert
alle paar Meter fotografieren und filmen; auf jeden Fall alles festhalten und
am liebsten mitnehmen möchte nach Hause.
Bis ich einmal mehr merke: das geht ja am
besten, wenn ich das Handy wegstecke, mich dem Ablick von bunt blühenden
Küstenpflanzen und Kakteen genauso hingebe, wie dem fast überall dominierenden
schweren Duft von Jasmin und gelegentlich auch Zitrusfrüchten. Gehe, atme,
schaue und mit nackten Füßen und offenen
Sinnen durch Sand, Meerwasser und Küstenklippen wandere.
Einen botanischen Garten habe ich auch
besucht. Der war nett aber doch insgesamt eher unspektakulär. Interessant fand
ich, dass auch hier auf den Schildern, wie so ziemlich überall und bei jeder sich bietenden Gelegenheit,
deutlich darauf hingewiesen wird, dass man sich in erster Linie in Katalonien
und erst mit sehr nachgeordneter Priorität in Spanien befindet. An allen erdenklichen
öffentlichen und auch privaten Gebäuden ist die katalanische Flagge gehisst.
Dass es da mal „Unstimmigkeiten“ gab historisch gesehen, ist mir dunkel in Erinnerung. Wenn ich wieder Internet habe,
muss ich diesbezüglich mal die
Geschichtskenntnisse auf Vorderfrau
bringen.
Morgen geht`s weiter. Ein bisschen noch nach
Süden runter.
3 Kommentare:
Liebe Lizzy,
oh ich lese zwischen den Zeilen, dass du nun schon ganz im Urlaubsmodus gelandet bist, wenn sinnloses Handysurfen durch lesen und häufiges fotographieren durch schauen und genießen ersetzt wird. ;)
Tja, die kluge Camperurlauberin hat ein Rad dabei (und nutzt es auch!).
Liebe Grüße auch an deine neue Freundin - während ich diesen Satz schreibe, sehe ich einer nahen Verwandten von ihr zu, wie sie sich dem Vogelbad auf meiner Terrasse nähert. :D
Wunderschön die Gegend wo du gerade bist, da würde ich auch gerne wandern mit meinem Bodyguard.
Stattdessen mache ich Rharbarberkonfi weil es heute regnet. Zum ersten Mal mit der Brotbackmaschine, bin gespannt ob das was wird.
Vor etwa 40 Jahren ist es mir mit meinem ersten VW-Camper passiert, dass ich auf Stadtgebiet in Flotenz gefahren bin. Noch mit Landkarte und Stadtplan. Also musste ich immer wieder austeigen und Passanten nach dem Weg fragen... und die konnten alle nicht kartenlesen, was mich enorm erstaunte. Immerhin habe ich schlussendlich den Camping in Fiesole gefunden und zur Sprachschule in Florenz habe ich dann den ÖV benützt.
Liebe Grüsse in den Süden
Trudy
Einen guten Morgen an meine beiden frühen Leserinnen Doris und Trudy,
ja, das mit den Transportmitteln ist so eine Komplikation. Alle mit Erfahrung bestätigen: rein in Städte geht nur ohne Mobil. Wenn keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, braucht es Rad, Roller o.ä. Ohne alles wäre ein Mobilist kaum noch mobil. Wobei ich mit meinem nur 5,5m kurzen Floh neben den meisten anderen sehr zwergig wirke und zumindest auch kleinere Plätze ansteuern kann und wendig bin.
Euch im Norden schöne Tage mit Touren, Hundis und Kompott:)
La Paloma war heute nur sehr kurz hier. Ich lasse ihr gleich bei Abfahrt einige Bioflocken zurück.
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