11 Oktober 2018

Herbstlauf im Tegernseer Land mit zwei Gipfeln und einem Softwarefehler im Hirn. Eine Bildergeschichte.



Mittwoch 9:00 Uhr morgens. Der Bus hält in Bad Wiessee am Tegernsee und ohne langes Zögern begebe ich mich auf den Weg zum Gipfel, dem Fockenstein.


Etwa eine Stunde später verlasse ich - immer im Wechsel joggend und stramm wandernd - die zunächst kühlen herbstlichen Waldwege ..


 um auf lauschig-leicht zu laufenden Bergwegen dem nun sichtbaren Zielgipfel entgegenzustreben.


Ein bisschen Fels mit zum Teil bizarren Formationen ist noch zu durchqueren


und schon ist der Gipfel erreicht. Wo ein noch früherer Loswanderer schon rastet und wir uns gegenseitig beim obligatorischen Gipfelfoto ablichten. Außerdem - manchmal ist es schon merkwürdig, wie schnell sowas geht ;-D - diverse Gemeinsamkeiten (fast Nachbarn, jeder hat drei EnkelInnen und etliches mehr) feststellen und innerhalb meiner ca. 20minütigen Gipfelrast im Schnelldurchlauf unsere Lebensgeschichten austauschen :o)


Während sich München in der Ferne unter einer Nebelschicht bedeckt hält ...


präsentieren sich die umliegende Berglandschaft


und der Tegernsee weitsichtig, klar und in voller Pracht.

Als ich mich an den Abstieg begebe, ist es nichtmal Mittag. Viel zu früh, um zurück nach Bad Wiessee zu joggen und so beschließe ich, vom Hirschtalsattel aus noch einen Abstecher auf den dort ausgeschilderten Kampen zu machen. Checke flüchtig (ein wenig zu flüchtig, wie sich schon wenig später herausstellen wird - der korrekte Weg hätte eine Wiese gequert) die Richtungsschilder und marschiere auf breiten Waldwegen los.


Wie ich anfangs noch meine, führen diese breiten und komfortabel zu joggenden Wege zum Kampen. Doch ich habe mir eine Offline-Wanderkarte runtergeladen und stelle auf dieser mittels GPS schon bald fest, dass der Kampengipfel immer weiterabdriftet bzw. ich selbiges tue und nun unterwegs bin ... ja, wohin eigentlich ...? Es tauchen zwei Weggabelungen auf, an denen aber nur jeweils für Mountainbiker recht weit entfernte Ziele ausgeschildert sind, die für mich nicht in Frage kommen. Ich muss um 16:00 Uhr wieder in Bad Wiessee am Bus sein. 

Am Weg, der weiterhin immer komfortabel bergauf führt,  sind keinerlei Wegweiser. Ein Weg ins Nichts? Meine Offline-Wanderkarte verrät auch nicht mehr. Nur, dass dieser namenlose Weg zu einem namenlosen (zumindest steht auch auf der Karte von Outdooractive keiner) Gipfel führt. Bzw. bis nahe daran - der Weg zum namenlosen Gipfel mit Höhenangabe über 1600m ist dort dünn gestrichelt. Aber es scheint einen Weg zu geben.


Es zieht sich ... und zieht sich .. bis irgendwann ein Schild des Alpenvereins auftaucht,  das Mahnungen und Erfordernisse bereithält. Und hinten durch die Bäume sticht endlich ein felsiger  Gipfel - mit Gipfelkreuz sogar - aus den Bäumen hervor.


Ich bin alleine. Weit und breit kein weiterer Mensch und in Anbetracht der Wegschilderfreiheit auch niemand zu erwarten. Hier könnte (oder sollte?) ich umdrehen ... eigentlich ... denn meine Trittsicherheit hat sich schon häufiger als nicht lückenlos erwiesen. Schwindelfrei bin ich erst recht nicht. Alpine Erfahrung muss reichen ... zum Weiterkommen. Oder wenigstens mal gucken, wie das da weitergeht. Nicht selten übertreiben solche Schilder eindeutig ...


Es dauert nicht lange und die ersten steilen Hänge ohne Halt tauchen auf. Schmale Felswege, neben denen es schroff bergab geht. Bisschen schwindelig wird mir schon beim Umgucken - ausgesetzte Stellen sind nicht gut bei mangelhafter Schwindelfreiheit.

Es ist nicht direkt gefährlich. Jedenfalls nicht, wenn man hier nicht stolpert oder ausrutscht. Das allerdings wäre an einigen Stellen fatal. Und ich weiß ja: hoch ist leicht. Aber ich muss das alles auch wieder runter - es gibt keine Alternative. Andererseits: runter kommt man ja immer irgendwie. Ich vergewissere mich, dass mein Handy geortet werden könnte und gehe weiter.


Es sind nur kurze glatte Stellen mit Eisengriffen im Fels


und auch die urige Holzleiter ist so gesehen kein Drama ... hochzu jedenfalls nicht ...




und tatsächlich ist es recht flott erreicht, das Gipfelkreuz des Spitzkamp, wie der für mich zu diesem Zeitpunkt noch namenlose Gipfel heißt (DANKE, Hans, für's rausfinden!). In der Tourenbeschreibung heißt es dazu:

"Nur die letzten 20 Minuten zum Gipfel sind ansatzweise ausgesetzt und erfordern etwas Geschick im ganz leichten Fels sowie eine saubere Gehtechnik. Hier muss man kurz mal mit der Hand hinlangen. Da dieses Finale also nicht ganz einfach ist, stufen wir die Tour als mittelschwere bis anspruchsvolle Bergwanderung ein. Das Schlussstück macht aber auch den besonderen Reiz der Tour aus." 

Es gab für mich schon schwierigere Situationen, ich will das gar nicht übertreiben. Mir war und ist aber auch bewusst, dass ein bisschen Leichtsinn schon dazugehört, in absoluter Einsamkeit so ein Ding alleine zu machen. Im Grunde war mir bewusst, dass das so ist. Es war ja auch nicht das erste Mal ...  
Schon beim Aufstieg - und erst Recht beim Abstieg - murmelte ich in die Beschwörungsformeln nach brenzligen Stellen immer wieder ein deftig fluchendes "Scheiße, verdammt!  Jetzt ICH wieder ... wieso eigentlich  drehe ich nicht um?!" ... und kraxelte stumpf weiter.

Auf dem Rückweg habe ich mich gefragt, ob irgendjemandem oder irgendetwas, der oder das mich zusammengschraubt und mir die Software ins Hirn gespielt hat, dabei ein Fehler  unterlaufen ist. Da wurde die Abbruchfunktion vor erreichen eines als "Ziel" erkannten Punktes schlicht vergessen! 

Die kann aber schon hier und da auch mal nützlich werden und ich sollte mich im Laufe des weiteren Alterungsprozesses umhören, ob sich evtl. updates einspielen lassen. So mit Wenn-Dann Ausstiegsoption. Eventuell nach Abrüfen diverser Einzelpunkte (anwesende Personenanzahl? Sicherungsvorrichtungen? Wetter? Tagesverfassung? konkrete erkannte Risiken etc.?) 



Aber geil war die Sicht von da oben schon. Hier auf den nun entfernt deutlich sichtbaren Fockenstein und die Strecke dazwischen, die ich hinter mich gebracht habe.


Überall Berge und das Wissen: inzwischen wird's eng mit der Zeit zum Bus! Ab Hirschtalsattel, zu dem ich zurück muss und von dem aus ich bis zu meinem Standort deutlich über eine Stunde unterwegs war, sollten es laut Ausschilderung noch 2,5h sein. Inzwischen ist es nach 13:00 Uhr.

Nach dem Abstieg - gut, dass niemand sehen konnte, wie ich in Kleinstkindmanier rückwärts die Holztreppe runtergehangelt bin ;o) - verfalle ich ins Joggen, erreiche schon eine halbe Stunde später den Abzweig zum Stinkergraben, der mit starkem Schwefelgeruch seinem Namen alle Ehre macht.


Inzwischen zwicken zwar Knie und Oberschenkel ein bisschen aber im lockeren Trab geht's durch Wald und die Hänge bergab


Es wird wieder herbstgoldiger


Der breite, von Mountainbikern recht stark frequentierte Weg entlang des Söllbachgrabens zieht sich mit müden Beinen gewaltig, doch die vielen schönen An- und Ausblicke halten die Stimmung aufrecht.


Tatsächlich war der Tegernsee in Bad Wiessee schon um 15:30 Uhr erreicht, so dass noch Zeit für einen leckeren Krokanteisbecher blieb, den ich mit Blick auf den See und in der Luft baumelnder Seele genoss.


Nachtrag für Hans und mögliche weitere mit Interesse an Details:  nachfolgend ein Screenshot der Outdooractive-Karte, die ich offline dabeihatte. Den Weg, den ich entlanggegangen bin von Hirschtalsattel bis Spitzkamp (von mir rot umkringelt), habe ich mit feiner roter Linie neben dem dunklen Kartenweg (übrigens dieser uneingeschränkt Bike-tauglich) eingezeichnet. Ich wusste also die ganze Zeit: da ist ein Weg und er führt auf irgendwas gipfelartiges, die Diensthütte habe ich unter mir am Abzweig gesehen; ich wusste ímmer, wo ich mich befinde.

Man sah aber wirklich erst kurz vorher, wie dieser Gipfel und das Ende des Weges wirklich aussieht. Davor ging ich kurvenreich im Wald und ohne Möglichkeit, auch nur zu erahnen, was kommen würde. Dass dort ein Gipfelgrat mehrere Gipfel verbindet, das war mir natürlich auch gänzlich unbekannt. Ich habe auch keinen Abzweig dahin gesehen; natürlich auch nicht darauf geachtet ...


Wie das mit öffentlichen Verkehrsmitteln, BOB, Bussen und Fähren bestellt ist, das kann ich dir nicht sagen, da muss auf die bestimmt gut abrufbaren Seiten der dortigen Gemeinden und Verkehrsbetriebe verweisen. Ich war mit der Firma dort: Betriebsausflug ;-)





10 Kommentare:

Hans hat gesagt…

Hallo Lizzy,
die Tour interessiert mich in vielerlei Hinsicht! Um 9 geht's schon los; 9 in Bad Wiessee? Mit dem Bus? Was ist mit der BOB? Schafft die das, rechtzeitig für den Bus in Gmund zu sein?
Das zweite Bild ist doch die Neuhüttenalm, da muss gerastet werden! Zwingend!
Beim Beschluss, zum Hirschtalsattel zu laufen, steht nicht dabei, wie weit das ist (es ist keine Lappalie)!
Das Foto nach dem Kampen-Absatz: Da bin ich auch schon gelaufen, als Abkürzung, weil's oben rüber zu lang geworden wäre. Oben wäre der Ochsenkamp, hübscher Gipfel, der Weg rauf steil und ruppig, aber kurzweilig.
Danach gerate ich ins Schlingern, wo du dich wohl herumgetrieben haben könntest, denn, wenn du die Treppe auch rauf gegangen bist, musst du ja erst einmal ganz herumgegangen sein. Und danach die Treppe wieder runter, statt am Grat ganz schnell zum Ochsenkamp zurück?
Meine Güte! Immerhin bist du dann durch den genialen Stinkergraben runter (und hast ihn wohl im Gegensatz zu mir neulich) auf Anhieb gefunden!
Magst mich nicht einmal mitnehmen oder begleiten?
Berg frei!

lizzy hat gesagt…

Moin Hans,

du findest Antworten und Screenshot nun als Nachtrag im Blogeintrag :-)

Stinkergraben war vom Hirschtalsattel nicht zu verfehlen, wenn man denn wusste, dass er dort ist. Geht man über die Aueralm zurück, findet man das nicht so automatisch. Ich habe den Eindruck, dass gerade in letzter Zeit viele früher auch ausgeschilderten Wege nicht mehr an die große Glocke ge- und die Wegweiser zum Teil abgehängt werden. Angesichts der oft empfindlichen Wege und der immer größer werdenden Menschenmengen dort auch irgendwie verständlich. Die Masse wird ein bisschen in verträglichere Bahnen gelenkt ...

Das mit dem Mitnehmen ist so eine Sache. Im Prinzip immer gerne aber dieses Jahr kam ich selber kaum in die Berge. Das am Mittwoch war ein Betriebsausflug (s. Textnachtrag), davor war ich mal am Herzogenstand aber das auch mit zwei Besuchern aus der alten Heimat, mit denen ich auch auf ihren Wunsch hin einen Tag von Herrsching nach Andechs marschiert bin ... alle anderen Touren, die überhaupt stattfanden, führten eher mit angegliederten eigentlichen Gründen in den Bayerischen Wald (bin gerade schon wieder gestiefelt und gespornt), wo ich mich immer bemühe, zwischen der Pflicht noch etwas Kür unterzubringen.

So ganz locker eine längere Tour planen und ganz ohne Drumherum an freiem Tag auch durchführen ... das hatte ich dieses Jahr glaube ich noch gar nicht :-( Ich mache nur immer das Bestmögliche aus den gegebenen Umständen ;)

lizzy hat gesagt…

Nachtrag:

SELBSTVERSTÄNDLICH! habe ich eine Rast auf der Neuhüttenalm gemacht :-D und ein Spezi getrunken. Dort isses ja mal wirklich total genial klasse. Kurz war da die Versuchung, doch nicht weiterzulaufen den Abzweig entlang - der genau dort ja abzweigt ....

Jörg hat gesagt…

Wenn man immer vernünftig ist, würde man viel verpassen.

Grüße

Jörg

regenfrau hat gesagt…

Liebe Lizzy,
hach, diese Anblicke, diese Ausblicke, diese Farben! Wer könnte da schon nein sagen? Ich jedenfalls nicht! :)
Nur eine Frage noch: wie denn sonst, außer rückwärts sollte man so ein Höllending, wie die Holzleiter wieder runter kommen??? ;)

lizzy hat gesagt…

Jörg, das ist so schlicht wie wahr! Und nicht nur in Bezug auf die Lauferei :)

Aber ich bin die Leiter teilweise sogar auf dem Hintern runtergehangelt, Doris ;)

Elke hat gesagt…

Liebe Lizzy,
wunnnnnderbare Fotos! Und normal Berg hoch kann doch jeder, Du hast echte Berggeissenqualitäten bewiesen, auch wenn vielleicht nicht ganz freiwillig ;-) Mir scheint, kleinen Abenteuern bist Du nicht ganz abgeneigt! Und hat sich ja auch für die schöne Aussicht gelohnt!
Liebe Grüße
Elke

lizzy hat gesagt…

Liebe Elke, das mit der Abenteuerlust haben wir aber gemeinsam ;)

Volker hat gesagt…

Liebe Lizzy,

ich liebe diese Tourenberichte von Dir. 1.: Wunderschön, 2.: nie langweilig.

Und wenn man in Kleinkindmanier die größten Risiken minimiert ist doch alles in bester Ordnung.

War aber auch ein strammes Tages-Programm!

Liebe Grüße
Volker

lizzy hat gesagt…

Danke dir für den dicken Blumenstrauß, lieber Volker :o) Tatsächlich hatte ich eine Rekordschrittzahl auf dem Zähler - mehr als 30 Tageskilometer, behauptete das Teil (das ich seit ca. 8 Wochen besitze). Fand ich jetzt auch nicht ganz wenig und muss vermutlich nicht extra betonen, wie froh es mich macht, wieder ziemlich fit zu sein.