Endorphine? Kann ich! Muskelkater aus der Hölle? Auch ;o)
13 Jahre ist es her, dass ich an der zweiten Austragung des Bad-Staffelstein-Marathons teilnahm und dort meinen zweiten Marathon lief. Und erstmals die volle Wucht der Endorphine erlebte.
Meine Wiederholneigung beim Laufen ist an sich eher gering. Noch dazu, wenn die Strecken kürzer, die Höhenmeter weniger werden (beim Marathon knapp 700hm, der Halbmarathon bietet nur 120 davon) und ich mich deutlich langsamer als damals wähne. Wie gut, dass ich Ausnahmen zulasse!
Nach einem wunderbaren Kurzurlaub mit Tag-Nacht-Stopps in Nürnberg und Bamberg, steuerte ich das Mobil gen Bad Staffelstein, holte meine Unterlagen ab, besuchte die Läufermesse in der grandiosen Basilika Vierzehnheiligen, gönnte mir eine ausufernde Brotzeit mit frisch gezapftem Rauchbier (nicht zum ersten Mal an diesem Wochenende im Brauereienparadies Oberfranken mit seinen viel zu vielen herrlichen Gasthäusern) und nächtigte an einer Ortsrandstraße nahe den Mainauen.
Um 8:45 Uhr sollte der Halbmarathon gestartet werden. Draußen herrschten noch kühle 8°C aber da der Tag sonnig und wärmer werden sollte, wollte ich in kurz-kurz laufen. Verließ erst um 8:30 Uhr das inzwischen auf dem Parkplatz der Obermain-Therme geparkte kuschelig warme Mobil und sprintete von dort zum ca. 1 Kilometer entfernt gelegenen Start. Schon wenige Minuten später ging's los. Was hatte ich geplant? Hatte ich Pläne? Wechselhafte ... eigentlich nicht aber vielleicht doch ...?
Stellte mich zwischen den Zugläufern für 1:59 Stunden und 2:14 Stunden auf. Sie standen erstaunlich nah beieinander angesichts der 1000 Halbmarathonis am Start. Das Display meines Schrittzählers ist bei Sonneneinstrahlung nicht ablesbar. Gedankengang also: "Halte dich an die sub2-Pacemaker und bleib so lange dran, wie es geht. Wenn es nicht mehr geht, lässt du dich zu den sub 2:15-Pacemakern zurückfallen, mit denen es eigentlich ins Ziel zu schaffen sein sollte. Denken, selber kontrollieren: dadurch unnötig!"
Gedacht, getan. Immer schön bei dem jungen Pacemakerpärchen geblieben und mir von ihnen das Tempo vorgeben lassen. Es knubbelte sich dort zwar ordentlich, doch die Laufwege sind breit und komfortabel. Ungefähr bei Kilometer 3 kam der Gedanke auf: "Ist mir zu schnell, kann ich nicht länger mitgehen." Kaum gedacht, sagt der männliche Part des Duos zum weiblichen Part: "ich glaube, wir sind etwas zu schnell unterwegs und müssen ein bisschen langsamer werden."
Na prima! Zu schnell loslaufen kann ich auch alleine - dafür brauche ich keine Zugläufer :p
Sie werden geringfügig langsamer. Eigentlich ist mir das immer noch zu flott aber ich schaffe es, dranzubleiben. Es tut weh. Die Beine werden hart, hintere Oberschenkel und Po meutern schon früh. Als wir beim Kilometerschild 13 eine schöne Bergabstrecke laufen und ich es nicht schaffe, dort wie üblich rollen zu lassen und das Tempo anzuziehen weil meine Muskeln strikt dagegen sind, ist mir klar, dass ich überziehe. Und weil ich die Zielzeiten der Vorjahre aus meiner Altersklasse kenne, weiß ich auch: HIER lande ich auf keinem Siegertreppchen. Aber mein Muskelkater, DER wird Chancen auf einen persönlichen Treppchenplatz bekommen.
Bis Kilometer 16 schaffe ich es irgendwie, an den sub2 Pacemakern dranzubleiben. Dann ist der Ofen aus und ich muss abreißen lassen. Kämpfe weiter unter Schmerzen in fast allen Gliedmaßen, widersetze mich jedem, der zum Überholen ansetzt. Warum das? Keine Ahnung! Vielleicht aus der Erfahrung heraus, dass Glück und Schmerz nur im Doppelpack mit Härte und Leiden zu haben sind. Nicht unbedingt gleichzeitig und leider lässt sich auch keine Gesetzmäßigkeit ableiten. Nicht jede Härte beschert auch Endorphine, nicht jeder Schmerz führt auf den Weg zum Glück. Doch zeigt die Erfahrung des Lebens: diejenigen Dinge, die zur höchsten Freude und Glückseligkeit beitragen, haben auch ihren Anteil am tiefsten Leid und Schmerz in diesem irdischen "Jammertal".
Irgendwann kommt Gegenwind auf, er killt mich nahezu. Die Beine sind Blei, die Füße kleben am Boden, es fühlt sich an als käme ich nicht mehr vorwärts. Dafür und für die wie Schneckentempo empfundenen letzten Kilometer finde ich meine Zielzeit von netto 2:02:30 (5:48min/km) schier unglaublich!
Und es hat funktioniert: Endorphine satt! Wie damals anno 2006 nach dem Marathon, so fluteten sie mich auch heute. Reichten noch für die fast dreistündige Rückfahrt, reichten sogar noch für die Tanzstunde am Abend. Lediglich die Treppenstufen, die sind ein wenig kritisch. Auch beim Aufstehen und aus dem Auto steigen entfleuchen mir Ächzen, Stöhnen und es sieht eher unelegant aus inzwischen. Ob der Muskelkater einen Treppchenplatz ergattert hat ... das weiß er dann vermutlich morgen ;)
Platz 128 von 250 bei den Frauen - Siegerin: Sandra Haderlein (Jg. 84) in 1:20:39
Platz 6 von 20 der AK W55 - Siegerin: Heike Niggemann (Jg. 63) in 1:50:14
Fazit und Plan: das Gequatsche von "nur noch Genussläufe", "keine Tempoambitionen", "auf's Altenteil zurückziehen" .. verschiebe ich nochmals auf unbestimmte Zeit. Es macht mir wieder Spaß und ich denke: mit ein bisschen gescheitem Training, hier und da wieder mehr Tempo, längeren Läufen, ein bis zwei Kilo weniger auf den Rippen - da sollten die sub 2 Stunden beim Halbmarathon nochmal drinsitzen. Auf flacher Strecke auch schon in diesem Jahr. Wir werden sehen ...
8 Kommentare:
Liebe Lizzy,
nochmals an dieser Stelle ganz herzliche Glückwünsche! Gekämpft, gebissen, gewonnen - an Lauffreude. Letzteres lese ich aus Deinen angriffigen Schlussworten deutlich heraus. Sehr gut hast Du die Leiden dr Halbmarathonista beschrieben, ich kann sie sehr deutlich nachvollziehen, auch wenn mein Muskelkater schon einen Tag mehr Zeit zur Rekonvaleszenz hatte. Ja so ist es, auf Knopfdruck läuft es nicht immer so. Aber vielleicht werden wir in ein paar Jährchen Sagen "Man, was war ich damals flott..."
Mit einem WoMo zum Lauf zu rollen ist natürlich auch purer Luxus!
Liebe Grüße
Elke
Vielen Dank, liebe Elke :)
Absolut gewonnen! Wenn ich mich heute auch kaum rühren kann und dem Muskelkater die verdiente Medaille umgehängt habe: nicht erst in ein paar Jährchen sondern schon heute darf ich staunend sagen: „War ich gestern flott!“ Es ist Jahre her, dass ich dieses Tempo laufen konnte und damals stand wesentlich konsequenteres Training im Vorfeld. In Anbetracht des Alters und der dazwischen vollendeten Wechseljahres-Hormonabbrüche, dazu der ständigen Ärzte-Herz-Warnzeigefinger hätte ich nicht gedacht, nochmal so flott laufen zu können. Mein Fazit: es hängt mehr am Körpergewicht und an der psychischen Grundeinstellung dazu als an den anderen Komponenten. Jedenfalls bis zur AK .... ? Wir werden es beide austesten ;o)
Du hattest einen Erholtag länger? Dann sind wir ja doch nicht „zusammen gelaufen“ wie ich dachte sondern auch tagversetzt. Bedeutet aber auch, dass dein Muskelkater gerade auf dem Höhepunkt stehen und triumphieren müsste meiner Erfahrung nach ;) Genieße ihn und die Erholungszeit!
Das Wohnmobil als Auffangstation vor und nach Läufen, Brauereigaststättenbesuchen, zu Weltkulturerbe-Besichtigungen ist tatsächlich ganz extremer Luxus. Weil abeer so viele damit unterwegs sind und das ganze sehr trendy, haben sich die touristisch frequentierten Orte an jeder Ecke mit allen Tricks gegen die Wohnmobilisten geschützt. Die offiziellen Stellplätze sind knackenvoll und meist schon jetzt vor Saison überfüllt, die Parkplätze von Vereinen etc. schützen sich mit Höhenschranken und Verbotsschildern . Ich kann das verstehen aber es war schon oft ein mühsames Rumgegurke mit der Kiste, bis ich was zum Stehenbleiben gefunden hatte.
Back on the track mit Pauken und Trompeten, liebe Lizzy, herzlichen Glückwunsch zum furiosen Finish.
Da läßt man jahrelang nahezu nichts vom Laufen bei Dir und dann läßt Du so die Kuh fliegen, sehr beachtlich.
Die psychische Grundeinstellung ist das Ah und Oh, ich kann ein Lied davon singen.
Auf die Sub2 noch in diesem Jahr und Glückwunsch auch an Deinen Muskelkater, selten das der eine Medaille umgehängt bekommt :-)
Liebe Grüße
Volker
Liebe Lizzy,
ich sehe, Du ordnest das Ergebnis des Tages ganz genau richtig ein :-)! Das Alter bringt nicht nur Falten, sondern auch ein wenig mehr Weisheit. ;-)
Genau, mein Lauf war Samstag, aber der Kater hält sich im Rahmen. Meist ist gleich der Tag des Laufs schlimm, und der Morgen des Folgetags. Aber gegen Abend merke ich meist, dass es schon nur noch ein "Katerchen" ist, das geht recht flott bei mir.
Ah, ok, klar, wenn es noch mehr WoMo-reisende Läufer gibt, könnte es dann doch wieder schwierig werden mit Park-/Stellpatz. Und so ein Gerät fahren wäre ohnehin nicht meine Sache...
Liebe Grüße und schwindenden Kater
Elke
Hey Barfuß-Volker!
auf dich habe ich ein bisschen gewartet - weil ich dir erzählen wollte, dass vor mir und auch vor den sub2-Zugläufern ein Barfußläufer (Barfuß-Joe) https://www.facebook.com/joe.barefoot.16 deutlich schneller unterwegs war. Auf ganzer Strecke mit auch teilweise unasphaltierten Anteilen und Steinchenkrams. Er war eine Weile lang Thema derjenigen um mich herum, die genug Luft zum Sprechen hatten (im Gegensatz zu mir).
Und über deinen Glückwunsch zur fliegenden Kuh freue ich mich natürlich besonders!
Aber um das mal klarzustellen: ich bin zwar überrascht und hatte kein spezielles Training auch nur wenige Läufe bis 18 Kilometer in der Vorbereitung. Aber es war jetzt auch nicht NICHTS, mit dem ich mich auf den Halbmarathon vorbereitet hätte: immerhin ein Wochenlaufschnitt von 42 Kilometern in 2019 und ein paarmal auch auf dem Laufband gelaufen, dort vertreibe ich mir aufkeimende Langeweile immer mit Tempospielchen. Außerdem bin ich seit Jahresanfang wieder nitkotin-clean - was in vielen früheren Laufphasen (auch zu Bestzeitenzeiten) leider nicht komplett der Fall war. Und vermutlich der wichtigste Teil: ich wiege nochmal ein, zwei Kilo weniger als damals zu diesen Laufbestzeiten in 2014. Da war ich zwar jünger, habe aber ein bisschen geraucht und war ein, zwei Kilo schwerer. Und nicht zu vergessen: damals lief ich den Halbmarathon in 1h:48min *g* Mit ein bisschen Rumgerechne hätte man evtl. sogar darauf kommen können, dass ich das können kann ...
Liebe Elke,
das WoMo ist ja eigentlich gar kein richtiges: es ist ein umgebauter Kastenwagen mit Hochdach und läuft in den Papieren als PKW. Fahren lässt sich der gut - aber Platz findet man trotzdem schlecht ...
Die schnellere Regeneration kenne ich aus früheren häufig-Wettkampfzeiten und hoffe, dass ich da auch nochmal hinfinde ;o)
In gemeinsamer Altersweisheit und gespannt darauf, was uns die Altersklassen noch lehren werden grüßt
Lizzy
Toll gemacht und ich ärgere mich jetzt ein bißchen, dass ich statt am Obermain an der Werra gelaufen bin.
Hätte ich gewußt....
Herzlichen Glückwunsch, liebe Lizzy! :D
Da haut die junge Frau einfach so (jaja, ich weiß schon, von der Couch zuhause aus lässt sich das leicht sagen und dass du gelitten hast - und ich beim Lesen mitgelitten, steht außer Frage) eine super HM-Zeit raus!
Ich kenne auch einige Läufer / Triathleten, die die Vorteile der WoMos sehr schätzen. Wenn auch aus anderen Beweggründen hatte ich ja selbst schon öfter mal ein klein wenig mit einem langen Kastenwagen geliebäugelt, diesen Plan aber mittlerweile wieder fallen gelassen.
Tja Jörg, ich hatte auf deiner Blogseite irgendwann gelesen, dass du zwischen Obermain und Werratal schwankst. Wollte dich aber nicht beeinflussen und den Gedanken aufkommen lassen, ich wolle dringend die 10 Euro zurückhaben, die du mir noch schuldest :-D Das hat Zeit und vielleicht schaffen wir es ja in diesem Jahr zur gemeinsamen Saarschleife? Mir fehlt aus dem Saarland immer noch eine Medaille (als letztes Bundesland ohne).
Liebe Doris,
danke dir für den Glückwunsch :) Ich bin gespannt, wie die Zeiten sich zur W60 hin entwickeln. Auf jeden Fall werde ich weiterhin vorsichtig bleiben und nicht zuviel laufen, damit dann noch Pulver übrig ist für nochmal ein paar Treppchenplätze anvisieren. Ich glaube, eins meiner "Geheimnisse" besteht darin, immer lange Lauf- und Wettkampfpausen (manchmal erzwungene, manchmal von Unlust vorgegebene) einzulegen. Danach kamen IMMER Phasen, in denen es wieder so richtig gut lief.
Und noch etwas, das bisher unerwähnt blieb: seit Jahresanfang mache ich ab und zu - wenig, nur einmal pro Woche im Durchschnitt - ziemlich forderndes Krafttraining im Fitnessbereich meines Sportvereins an Geräten. Meist so 30 Minuten lang für Oberkörper: Arm-, Bauch-, Rückenmuskeln. Besonders der Schulterbereich mit den "überkopfheb-Muskeln" (keine Ahnung, wie die richtig heißen) waren anfangs total schlapp und sind seitdem deutlich kräftiger geworden.
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