starke Gewitter und Regen waren vorausgesagt für das Wochenende, an dem wir im Ötztal unseren erwanderten "Höhenrekord" aufstellen wollten. Entsprechend unsicher brachen wir also am Samstag Morgen zum Treffpunkt auf: 6:00 Uhr in der Früh' am Münchner Ostbahnhof. Hier startete ein Tourenbus des Alpenvereins, der mehrere unterschiedliche Gruppen in knapp 4 stündiger Fahrzeit zu Wanderungen bzw. Hochtouren im österreichischen Ötztal brachte.
Am Beginn des Ötztales hingen auch noch schwarze Wolken an den Bergen. Aber je tiefer und länger (1,5 Stunden) wir in das wunderschöne Tal vordrangen, desto vielversprechender hellte es auf und Hoffnung keimte, dass das Wochenende mit all seinen hochfliegenden Plänen gelingen würde.
In Vent, der letzten Ortschaft im Ötztal, die mit dem Bus zu erreichen ist (auf ca. 1800 m), schulterten wir die Rucksäcke und machten uns auf Wanderschuhe und Socken.
2, 5 Stunden lang ging es sacht bergann durch Latschenkiefer, Blumenwiesen und über noch sehr komfortable Wege, in der Ferne schon die ersten Gletscher in Sicht, ließen die Baumgrenze hinter uns, bis wir unser erstes Etappenziel und heutiges Nachtquartier erreichten.
Die Martin-Busch-Hütte von der Alpenvereinssektion Berlin. Auf 2500 m Höhe gelegen, groß, Ausgangspunkt für viele attraktive Wanderungen und Gletschertouren, ging es hier zu wie im Taubenschlag und wir reservierten fluggs Zimmer für die Nacht und räumten unnötigen Ballast aus den Rucksäcken.
Eigentlich hätte man auf der Sonnenterrasse mit Gletscherblick den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und faul genießen können. Aber alle 8 Mitglieder unserer Gruppe waren sich einig: das war für heute noch nicht alles. Weiter geht's!
Viele Blümchen findet man in fast allen Alpentälern, aber manchmal und so auch hier im Ötztal, finden sich einige, die ich zumindest vorher noch nicht gesehen habe.
Die Landschaft wird mit zunehmender Höhe immer karger, die Schmelzwasser der Gletscher rauschen, vom Eis weht einem gelegentlich ein kalter Hauch herüber. Es ist beeindruckend.
Am Rand sind die Gletscher schmutziggrau. Aber es fühlt sich trotzdem ein kleines bisschen abenteuerlich an, eine kurze Strecke auf dem Eis zurückzulegen.
Die Ötzi-Fundstelle peilen wir entgegen der ursprünglichen Absicht nicht an, sondern gehen weiter geradeaus auf dem Similaun-Kamm zu.
Auf knapp über 3000 m Höhe steht sie schon auf italienischem Gebiet: die Similaun Hütte.
Hier oben auf österreichisch-italienischem Grenzgebiet pfeift der Wind recht kalt.
Aug' in Aug' mit dem Gletscher
und vorbei an schroffen Gletscherrändern, unter denen es gluckert und rauscht
führt der Weg später wieder abwärts durch Gletschwässer und Geröllfelder zurück zum Nachtquartier.
Einen neuen "Ötzi" fanden wir nicht - nur ein skelettiertes Schaf, das mir anschließend stundenlang nicht mehr aus dem Kopf ging.
In der Natur ist und war es vielleicht gar nicht das schlechteste Los, von einem Fressfeind getötet und aufgefuttert zu werden. Anstatt wie dieses Schaf und der jahrtausende alte Gletschermann dazumals verletzt herumzuliegen in dieser kalten und öden Wildnis - vielleicht tage- und wochenlang ungehört rufend und leidend - bis der Tod als Erlösung daherkam.
Nach einem ausführlichen Abendessen samt Weizenbier in der Hüttengaststätte wurden die für Hüttenverhältnisse sehr komfortablen Nachtquartiere aufgesucht.
Dennoch fiel einigen das Schlafen sehr schwer. Die ungewohnte Höhe führt bei vielen dazu, dass ihnen anfangs jeder Schlaf verwehrt bleibt. Auch Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme sind häufige Begleiterscheinung. Manch eine(r) hat gar Kopfschmerz- und Schlaftabletten im Gepäck.
Ich selber konnte auch ohne derartige Hilfsmittel zumindest ein paar Stündchen oberflächlichen Schlaf finden.
Gefrühstückt wurde um 6:00 Uhr morgens. Erste Sonnenstrahlen scheinen über die Bergkämme und tauchen die umliegenden Gipfel in morgendlich strahlendes Rot.
Wolken ziehen in unterschiedlichen Höhen und Farben von unten das Tal herauf
und um 7:00 Uhr zieht unsere Gruppe - wegen eines Höhentour-Umentscheiders heute angewachsen auf 9 Personen - die im Wortsinn "atemraubend" steilen Pfade gen Kreuzspitze.
Überall im Ötztal glitzern und glimmern Steine in der Sonne. Von der Diggicam nur schwer einzufangen, aber in Natura ein glitzriges Schauspiel aus Gold-, Silber und diversen Rottönen. Auch viele Quarzsteine säumen den Wegesrand.
Zeitweise wachsen die Befürchtungen, dass das Wetter doch noch umschlagen könnte. Wolken ballen sich drohend zusammen, gelegentlich regnet es dicke Tropfen, es wird schneidend kalt und windig ... bis immer und immer wieder die Sonne siegt.
Nah- und Fernblicke benötigen keiner Beschreibung. Außer: Grandios!
Einige zu querende Felsmeere erforden eine gewissen "gemsenhaftigkeit". Sie gehören zu meinen Lieblingspassagen, geeignet, dem Spiel- und Hüpftrieb zu frönen.
Kalt ist es am Grat und dünn die Luft. Hier treffen warme und trockene Luft von der einen Seite und kalte, nasse und undurchsichtige Nebelluft von der anderen Seite zusammen. Auch das ein interessantes Naturschauspiel.
Nur auf der letzten Strecke zum Gipfel der Kreuzspitze finden sich in diesem überdurchschnittlich warmen Jahr kleinere Schneereste.
Das Gipfelkreuz steht auf 3456 m Höhe. Mein bisheriger Rekord. Höher war ich nur mit dem Flugzeug ;-)
Die Tour ist allerdings nicht schwer im technischen Sinn. Es gibt nur wenige Berge in Europa, die bis in diese Höhe so leicht zu begehen sind. Keine ernsthaft absturzgefährdeten Stellen, keine Drahtseile oder Leitern. Steil ansteigend und dadurch anstrengend - der Weg gelegentlich wegen der Felsbrocken koordinative Fähigkeiten verlangend. Aber nichts mit "Tod im Nacken". Ein Glück - ich kann gerne auch ohne ;o) Auf der gesamten Strecke fand sich auch nur eine einzige Gedenktafel.
An den Gipfelblicken sieht man sich selten satt. Aber Kälte und dichter aufziehende Wolken trieben uns doch bald wieder nach unten, so dass wir ca. 6 Stunden nach Aufbruch wieder die Martin-Busch-Hütte erreichten, die Rucksäcke vollluden und nach einer Rast schon wieder gen Vent zum Bus wanderten.
Wir waren früh dran - mindestens eine Hochtourengruppe des Alpenvereins aus demselben Bus stand noch aus und so konnten wir uns viel Zeit für den noch verbleibenden 7 Kilometer langen Rückweg nehmen. Lediglich mein Rucksack, der zur Hälfte ausgefüllt war mit den zwei schönsten Felsbrocken, die ich finden konnte, zwang mich doch noch fast in die Knie :o)
In sanften Übergängen wandelte sich die Kargheit des Hochgebirges wieder zum pflanzenreichen Gebirgstal.
Eine Buspanne erzwang noch einen ungewollt verlängerten Aufenthalt in Vent, doch um 22:00 Uhr trafen wir erschöpft, verstaubt und voller Wochenendeindrücke zu Hause ein, wo die Kraft lediglich noch dafür reichte zu duschen und dann erschöpft ins Bett zu plumpsen.
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