Nach meinem Elsass-Marathon im Juni war ich zur Überzeugung gelangt, dass es sich bewährt hat, wenn Winzer einen Marathon ausrichten und meldete mich - folgerichtig und konsequent - zum Bottwartal-Marathon am 19.10.2008 an.
Wie ich vor Ort feststellen konnte, verbindet nicht nur der Wein die beiden Regionen Elsass und Bottwartal. Es gibt noch viele weitere Gemeinsamkeiten: den Storch als Wahrzeichen, allüberall Fachwerkbauten und auch die nichtflüssigen lokallukullischen Spezialitäten enthalten Überschneidungen (Spätzle, Zwiebelkuchen und Wurstspezialitäten z. B.). Vermutlich gibt es also geschichtliche Zusammenhänge und konkrete "Wanderbewegungen" von da nach hier oder umgekehrt.
Zeit für einen begleitenden Urlaub konnten wir diesmal nicht investieren und so beschränkten sich die Eindrücke von Ort und Umgebung auf einen kleinen Schlendergang in Kombination mit der Abholung der Marathon-Unterlagen.
Großbottwar ist auch - beim Namen ließe sich das Gegenteil vermuten - klein genug, um es in wenigen Schlenkern weitgehend komplett zu durchschlendern.
Ein schöner Marktplatz mit angrenzenden Gastronomiebetrieben - alles äußerst ordentlich, sauber und harmonisch.
Gassen und Winkel
Geschmückte und geputzte Haus- und Sträßchenanblicke mit Pflanzen, die die Weinanbau-Gegend nochmals betonen. Viele Süd- und wärmeliebende Pflanzen deuten auf mildes Ausnahmeklima hin. Und das Wetter verspricht noch Richtung Ende Oktober einen Wärme- aber auf jeden Fall Sonnenlauf für den folgenden Tag.
Vermutlich würde die Tatsache meiner Anmeldung noch aus einem Silvestermarathon einen Hitzelauf machen. Aber immer noch besser als Regen. Tatsächlich soll der im Bottwartal mein neunter Marathon werden - Halbmarathon zähle ich gar nicht mehr und noch weniger die "krummen" Läufe und Zehner ... alles in allem werde ich aber inzwischen an ca. 40 Laufveranstaltungen teilgenommen haben in den vergangenen gut 4 Jahren und noch NIE hat es bei einer davon während des Laufs geregnet. Höchstens mal ein bisschen Geniesel auf die letzten Meter und das selten genug.
Im Vorfeld hatte es bei der Zimmersuche so ausgesehen, als wäre ich deutlich zu spät dran mit den Buchungversuchen. Alles komplett belegt und es hagelte Absagen. Als ich mich schon fast damit arrangiert hatte, auch noch über 20 Kilometer entfernt unterzukommen, geschah der Glücksfall: beim Marathonstart nächstgelegenen und auch noch ganz vorzüglichen Hotel, dem Hotel-Bruker in Großbottwar - zu Fuß nur einige hundert Meter vom Start entfernt - hatte jemand abgesagt und sie stellten mir die Frage, ob ich noch an einem DZ interessiert wäre. War ich natürlich und so erhielten wir ein wirklich niedliches sechseckiges Zimmerchen im Türmchen des Hotels.
Dass der Hotelbetrieb nur ein Zweig des Familienunternehmens ist, hatte ich schon zu Hause gelesen. Hauptsächlich betreibt die Familie Bruker ein Weingut.
Die Weinlese war gerade in vollem Gange und ich fand heraus, dass dieses Weingut immer wieder hochdekorierte Weine produziert. Und auch noch Weine, die zu meinen Favoritenweinen zählen. Irgendwann sagte ich zu Volker: "Du weißt schon, was das heißt ...?!" Und er wußte: "Ist ja genug Platz im Kofferraum" ;-)
Das Restaurant des Hauses war an diesem Abend leider wegen einer geschlossenen Gesellschaft nicht zugänglich. Aber auch die später ausgesuchte Lokalität bot natürlich regionale Weine und ich konnte es mir - Marathon am Folgetag hin oder her - nicht verkneifen, ein Viertele zum Essen zu genießen. Schließlich würde es - im Gegensatz zum Elsass - unterwegs nix an alkoholischem geben ;-)
Im Hotel dann schonmal das Durchtesten der diversen Kleidungsoptionen. In der Nacht Frost, am Tag Sonne mit deutlich höheren Temperaturen ... die Auswahl war heikel und ich entschied mich für kurz-kurz mit wärmender Weste für den Rumpfbereich, was sich als perfekt erwies - das T-Shirt habe ich dann kurz nach Halbmarathondistanz ausgezogen und Volker übergeben.
Morgens am Start war es sehr kalt und der Startbereich - noch abgesperrt und leer - wirkte riesengroß. Inzwischen hatte ich erfahren, dass nur ca. 500 MarathonläuferInnen starten würden aber mehrere tausend Halbmarathonis. Die Startbereiche waren mit farbigen Luftballons markiert - als über 4:30h - Läuferin hatte ich eine entsprechend gelbe Startnummer mit dem M als Kennzeichen für "Marathon". Ich suchte später im Menschengewimmel nach weiteren gelben M's - fand nur extrem wenige und überhaupt nur eine Frau.
So konnte ich mich schon frühzeitig darauf einstellen, heute womöglich wirklich mal letzte zu werden aber zumindest ganz ganz hinten zu landen. Die eindeutig bevorzugte Distanz war der Halbmarathon. Ich hatte mich trotzdem dazu entschlossen, mit Diggicam zu laufen und Fotos zu machen. Die Strecke ist zwar nicht bergig, aber doch sehr hügelig, Gewicht und Training lassen eher keine Bestzeit vermuten und so die totale Lauflust - ich gebe es zu - vermisste ich sogar noch am Start vor Ort.
Die Blöcke wurden versetzt gestartet und jeder mit einem derartig erschütternden Kanonenböller, dass er mich beim ersten und unerwarteten Schlag fast von den Füßen riss. Druck auf den Ohren, Vibrieren im Bauch, entsetzte Schreckensblicke rundum ... bei den folgenden Donnerkrachern hielten die noch Verbliebenen sich allesamt ängstlich die Ohren zu und ich konstatierte zu einer Mitläuferin: "Das ist der Herztest und Ersatz für ärztliche Bescheinigungen. Wer den Startschuss überlebt, überlebt auch den Rest."
Auf der ersten Hälfte war die Strecke aufgrund der vielen Halbmarathonis recht bevölkert.
Gelaufen wurde hauptsächlich auf Radwegen - die Strecke ist durchgehend aspahltiert und fast immer leicht buckelig aber nie so steil, dass es für mich nötig gewesen wäre zu gehen.
Im Grunde sehr angenehm und auch die Herbstlandschaft entlang der Weinberge mit kleinen Burgen, Weingütern und Gehöften, durch Dörfer mit Türmchen und lieblichem Fachwerk bot hübsche Kontraste und gefiel mir sehr.
In den vielen Ortschaften war publikumsmäßig die Hölle los und ich gestehe, dass ich mir manchmal weniger Lärm gewünscht hätte. Auf den Fotos kann man es nicht wirklich erahnen, was für einen unglaublichen Krach die mitunter über lange Strecken Spalier stehenden Anwohner verbreitet haben: Riesenratschen, Trillerpfeifen und Getrommel auf alte Blechwannen - sowas würde ich verbieten.
Fotos existieren davon schon deshalb nicht, weil ich als relativ geräuschempfindliches Wesen an diesen Passagen schnellstmöglich vorbeigezogen bin. Bespannte Trommeln, ein virtuoser Schlagzeuger und Musikgruppen, die "richtige" Musik machen - das finde ich okay und manchmal sogar schön. Aber diese schrillen, ohrenschmerzenden Folterinstrumente, mit denen die Läufer mancherorts regelrecht aggressiv angetrieben wurden ... die waren mir schon recht lästig. Mir ist auch nicht klar, ob ich da wirklich so einen Ausnahmegeschmack habe und ob die anderen Läufer das wirklich richtig mögen ... ?
Bei der Halbmarathon-Marke, wieder im Start und Zielbereich an Ausgangsposition (die Strecke bildet zwei Schleifen. Erste Hälfte nach Norden, zweite Schleife nach Passage des Start- und Zielbereichs für die "ganzen Marathonis" nach Süden) war es psychisch mehr als nur ein bisschen schwierig, nicht in den jubelumtosten Zielkanal für die Halbmarathonis einzubiegen. Sondern sich einsam und unbeachtet - weit und breit kein Mensch mehr zu sehen - auf die volle Distanz zu begeben. Hart war das. Wirklich hart. Zumal mein Gefühl signalisierte: "Eigentlich könnt' ich jetzt auch aufhören. Wär' genug für heute!"
Die Hälfte passierte ich mit 2:16 h, wusste aber schon hier, dass ich das bisherige Tempo - obwohl es sich eigentlich ganz gemütlich und locker angefühlt hatte - nicht mehr lange würde halten können. Denn es machten sich zwei "Meckerstellen" bemerkbar. Beim Bergablaufen zwickte der hintere Oberschenkelmuskel bzw. ein dortiger Nerv? von der rechten Arschbacke abwärts gelegentlich so massiv, dass ich diese abschüssigen Passagen nicht auslaufen, sondern extra vorsichtig angehen musste. Und auch der rechte Fuß reichte alle paar Kilometer immer für eine Weile Beschwerde ein in Form eines Ziehens am Innenspann und Einschlafgefühls in den Außenzehen.
So wirklich richtig "rund" lief es also trotz moderater und moderater werdendem Tempo nicht. Die Strecke war ca. 10 Kilometer einsam und verlassen, nur selten traf ich Mit.Marathonis. Mit einem davon plauderte ich ein längeres Weilchen lang. In den Ortschaften harrte das Publikum wirklich tapfer und unbeirrt jedem Läufer aus und feuerte an. Es gab offizielle "Ansage- und Begrüßungsstellen, wo ein Moderator über Lautsprecher jeden namentlich und mit Herkunft ankündigte. Bei mir allerdings hatte sich ein Fehler beim "Verein" eingeschlichen und ich wurde immer angekündigt als "für das Bottwartal-Kellereiteam laufend", mehrmals mit dem erstaunten Zusatz: "Wie kommt jemand aus München zum Bottwartal-Kellereiteam?". Einmal hab' ich geantwortet: "Durch einen Fehler in der blöden Liste - München stimmt, der Rest ist vermutlich ein Zeilen-Verrutscher". Aber immer kannste das auch nicht machen: Anhalten und Erläuterungen der ausführlicheren Art abgeben ... und so arrangierte ich mich mit meiner angeblichen Kellerei-Zugehörigkeit, die übrigens auch in der Urkunde auftaucht ...
Wie geschrieben: es wurde einsam auf der Strecke und die Streckenposten fieberten vermutlich gelangweilt dem Ende der Veranstaltung entgegen. Ich übrigens auch. Kilometer 30 passierte ich nach 3:20 h und dann wurde es so richtig zäh. Immer mal wieder denke ich mir: "Ob ich es jemals erleben werde, auch die letzten 10 Kilometer eines Marathons so relativ 'locker' weiter durchhalten zu können wie die ersten 30? Werde ich es irgendwann dahin bringen, dass meine Form für gleichmäßige 42 reicht?"
Gestern jedenfalls hat's wieder nicht gereicht. Zwar bin ich komplett alles gelaufen. Aber ab ca. Kilometer 32 in absolutem Schnarchsacktempo. Richtig schweres Leiden war nicht dabei, nie ein Zweifel, wohlbehalten und unter 5 Stunden im Ziel anzukommen. Aber weiter schneller laufen, das ging irgendwie überhaupt nicht. Fotos vom Zieleinlauf gibt's (noch) nicht, denn Volkers Bilder sind noch nicht runtergeladen von der Kamera. Meine Nettozeit lautete jedenfalls 4:53:50 h und ist unter den genannten Bedingungen recht zufriedenstellend. Wobei ich es doch nochmal erleben möchte, beide Hälften zumindest in ähnlichem Tempo laufen zu können.
Später - irgendwo bei Kilometer 35? tauchten plötzlich massenhaft Walker auf. Einige vor mir, andere hinter mir, ich wurde überholt und überholte ... ja, wo kamen die jetzt her und wieso sind die so unterschiedlich schnell? Ich erfuhr, dass sie unterschiedliche Distanzen walkten und weil sie mit mir gleichzeitig im Ziel ankamen, wäre ich von der Marathon-Medaillen verteilenden Frau fast übersehen worden. Es brachte den ruhigen "Flow", der sich irgendwann eingestellt hatte, wieder gewaltig durcheinander, dass da so unterschiedliche Geschwindigkeiten und Stöcke etc. auf der Strecke auftauchten. Nicht behindernd. Aber für meinen Geschmack oder bei meine Stimmung des Tages war dieses Hin- und Her mühsam und verwirrend. Die erste Hälfte unterwegs mit Halbmarathonis aus dem eher hinteren Feld. Dadurch auch viele Geher und Fehleinschätzer überholend, überholt werdend von Zielsprintern ... dann über 10 Kilometer einsames Nichts und plötzlich wieder klackernde Walkerscharen um mich herum. Ja, als'n bisschen störend habe ich das empfunden und dachte ketzerisch: "Wochentags alleine um den Walchensee zu laufen, ist eindeutig harmonischer."
Und im Ziel taten mir dann doch die Beine verflixt weh. Wie gut, dass ich es zum ersten Mal erlebt habe, dass just bei meinem Erscheinen vor dem Massagezelt eine Massageliege frei wurde. Und auch noch diejenige, an der zwei ausgesprochen wohlgeratene junge (knackige ;) Masseure arbeiteten. Das hatte ich noch nie: Massage nach dem Marathon. Und dann auch noch von Profis. Das Therapie & Reha-Zentrum Bottwartal stellte gegen eine freiwillige Spende für die Mukoviszedose-Hilfe Massagen in einem Massagezelt mit Top-Leuten zur Verfügung.
Und weil die beiden jungen Männer wie gesagt nicht nur - finde ich - ziemlich ansehnlich und sympathisch sondern auch mit Wunder-Massagehändchen gesegnet waren, bekommen sie hier gleich zwei Bildchen gewidmet ;o)
Die offizielle "Ausbeute" des Tages: T-Shirt, kleine Flasche Riesling und Medaille, im Kofferraum noch zwei Kisten guten Weins, begaben wir uns dann umgehend wieder auf die ca. 250 km lange Heimfahrt.
Die Beine sind heute müde und schwer aber nicht schmerzhaft. Vermutlich ist morgen schon das Schlimmste überstanden. Und auch hinterer Oberschenkel und Fuß geben sich friedlich und stille.
Fazit: der Bottwartal-Marathon ansich ist ganz sicher ein empfehlenswerter Lauf. Vermutlich aber interessanter für Halbmarathonis. Diese Distanz ist die meist gewählte und meist beachtete von Orga und Publikum. Die Landschaft ist schön, vor Ort ziemlich viel Trubel und Geknubbel aber dabei alles gut durchgeplant und es fluppt.
Die Streckenversorgung fand ich ein bisschen trostlos: zu Essen ausschließlich Bananen. Nix als Bananen. Kein anderes Obst, keine Kekse, kein gar nix. Außer: Bananen. Naja ... steh' ich nicht so drauf - aber ein Drama ist auch das nicht. Zu trinken erst nur Wasser, dann später auch Iso-Plörre. Als es beim HM immer noch nur Wasser und Isogetränk gab, wurde ich unruhig. Ausschließlich Bananen, Wasser und Isoplörre über den ganzen Marathon ... das wäre für eine Gourmet-Läuferin wie mich ;-) doch ein bisschen vernichtend. Aber immerhin kamen ab Kilometer 25 drei Versorgungsstellen, die außerdem noch Cola im Angebot hatten. Für mich echte Lichtblicke in der Versorgungs-Eintönigkeit.
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Statistik:
meine Zeit: 4:53:50 h
Platz gesamt: 487 von 511
Platz Frauen: 53 von 59
W45: Platz 5 von 5
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