Nein, wir sind den Harzer Hexenstieg nicht zu zweit auf Besen entlang geflogen sondern haben die fast hundert Kilometer in fünf Tagen auf Schusters Rappen erwandert.
Aus unterschiedlichen Richtungen mit Auto (meine Freundin bzw Mitwandererin) und Zug (ich) angereist, trafen wir uns am Mittwoch den 16. Juli in Osterode im Harz, von wo aus wir am Folgetag zur fünftägigen, vom
Reiseveranstalter mit Hotels und Gepäcktransport wunderbar organisierten Wanderung nach Thale aufbrachen.
Während es am Mittwoch noch wie aus Kübeln schüttete und die drei von uns verwendeten Wetter-Apps ähnliches Wetter für die Folgewoche prophezeiten (ich war mir nicht sicher, ob ich das besser oder schlechter fand als die noch eine Woche vorher angekündigte durchgehende Extremhitze), blieb es bei zwei Stunden moderat-leichtem Regen am ersten und ca. einer Stunde erträglichem Leichtregen am letzten Wandertag.
Ansonsten hatten wir - und dieser Faktor ist im Urlaub und speziell beim Wandern schließlich kein kleiner - nahezu perfektes Wanderwetter mit Temperaturen zwischen 20°C - 25°C. Sonne-Wolken-Wechsel-Himmel und dass es zuweilen drückend und schwül wurde, ist im Hochsommer vermutlich unter “denkbar kleinster Wetterbelästigung” zu verbuchen.
Die vom Borkenkäfer zu Baumskeletten kahl gefressenen Fichtenreste mit neu wachsender Vegetation - viel Rot, viel Blumen, viele Him-, Heidel- und sonstige -beeren an den Füßen bestimmten in den ersten Tagen die Wandereindrücke.
Auch der am ersten Abend nach 14 Wanderkilometern vororganisierte Shuttle klappte nach wie vereinbart vorherigem Anruf im etwas abseits des Weges gelegenen Quartier minutengenau. Alle sechs Quartiere waren genau wie das Essen jeweils wunderbar. Frühstück und Lunchpaket sind im Preis enthalten, das Abendessen läuft extra und gelegentlich hat man diverse Restaurants zur Auswahl.
An Tag zwei führten uns 17 Wanderkilometer über Hochebenen mit viel aus Hochmooren abgeleiteten Wasserkanälen wieder durch die nach SciFi anmutenden Baumgerippelandschaften mit Holzstammmikado. Rotes Wasser, rote Erde - die Eisenerzvorkommen der Gegend bestimmen die Farben.
Der dritte und mit gut 26 Kilometern längste, schattenloseste, drückendste und anstrengendste Tag führte uns über den legendären Brocken
Große Wegeanteile dieses Abschnitts muteten wie Waldautobahnen an, die - auch dem guten Wetter am angebrochenen FerienWochenende geschuldet - von Wanderern und motorisierten wie unmotorisierten Rad-Brocken-Pilgern geradezu überflutet wurden. Die weitaus meisten Strecken und auch die an diesem Tag zeigten sich aber menschenarm. Seltene Begegnungen, nur gelegentliche weitere Wanderer. Kaum Zivilisationsberührung. Auch fast keine Einkehrgelegenheiten unterwegs. Bis auf einige Kilometer rund um den “Brocken” herrscht naturidyllische Einsamkeit.
An diesem Abend brannten meine Füße mit ihren Problemfersen und krummen Zehen schon ordentlich. Gut, dass ich - ein “Hoch” auf den Gepäcktransport - mehrere Schuh-Optionen jeweils zur Auswahl hatte und zwischen Trekkingsandalen und geschlossenen Schuhen mehrfach wechseln konnte.
Wandertag vier war nochmals fast genauso lang. Wieder wurde - wegen eines kurzfristigen Quartierwechsels - geshuttelt. Langsam wechselte die Landschaft von Hochebenen mit Borkenkäfer-Überresten zu felsigen Waldlandschaften.
Weiterhin mit vielen Aussichtspunkten
Am letzten Tag auf dem Hexenstieg wurde uns mit einer canyonartigen Schlucht an der Bode die “dramatischste” Landschaft geboten. So eine Art furioses Finale zum Abschied.
In der letzten Wanderstunde endete die Wanderung, wie sie begonnen hatte: mit Regen.
Schon gegen Mittag in Thale, dem Endpunkt des Hexenstiegs, angekommen, schlossen wir noch einen Besuch des dortigen “DDR-Museum” an.
Für mich - die zu DDR-Zeiten nahezu jährlich dort bzw. in Thüringen (genauer: Eichsfeld) einen längeren Verwandtschaftsbesuch (beide Elternteile stammten aus Thüringen) verbracht hatte und viele Produkte von dort auch in im heimischen West-zu-Hause besaß, die Uniformen, Besuchsvorschriften, Möbel, das Outfit, ja sogar der Geruch … vieles kam vertraut vor und weckte längst verschollen geglaubte Erinnerungen in Kopf und Gefühl. .
Unser letztes Übernachtungsquartier befand sich in Quedlingburg - auf meinen besonderen Wunsch hin. Auch Thale wäre möglich gewesen. Doch dieses
UNESCO-Weltkulturerbe-Städtchen stand schon lange auf meiner Besichtigungs-Wunschliste.
Es hat sich gelohnt. Tolles Ambiente! Der spätnachmittägliche Bummel mit reichhaltigem Gaststättenbesuch war unglaublich stimmungsreich.
Nach einem ausgiebigen Frühstück endete am kommenden DienstagMorgen der gemeinsame Urlaubspart. Meine Wanderbegleiterin wurde vom Veranstalter wie verabredet zurück nach Osterode zu ihrem Auto geshuttelt, während ich mit dem Zug den Weg ab Quedlinburg zunächst nach
Halle an der Saale nahm, wo ich wegen einiger eingeplanter Aufenthaltsstunden diese wunderschöne Stadt auch noch besichtigen konnte.
Eine lebendige, bunte, vielsprachige und wie mir schien “junge” Stadt, aus der so viele bekannte Persönlichkeiten stammen. Die gut drei Stunden, die mir für die Besichtigung blieben, kamen mir fast zu wenig vor. Aber genug, um mich mit Kaffee aus einer kleinen Rösterei, einigen Mitbringseln aus einem Schokoladen-Fabrikverkauf mit Produkten von dort sowie weiteren Mitbringseln einzudecken und ein auf der persönlichen Eis-Lecker-Skala sehr weit oben rangierendes Eis aus kleiner Manufaktur zu essen.
Es war eine dichte, erlebnisreiche, einerseits entspannende, andererseits aber auch anstrengende Woche.
Meine Ferse mit wieder größer gewordener Haglundschwellung meckert und wünscht eindeutig, in den Folgetagen gehätschelt und befriedet zu werden. Was mir hoffentlich gelingen möge 🙏 Denn es soll die letzte (Weit)Wanderung nicht gewesen sein, so hoffe ich! Doch jetzt steht erstmal wieder Broterwerb an … und Erholung … vom anstrengenden Urlaub 😄
🧙🏻🪄
2 Kommentare:
Oh wow, was für eine tolle Wanderung! 100km in 5 Tagen ist nicht ganz ohne, super gemacht!
Die Borkenkäfer-Fichtenwälder sehen ja dramatisch aus! 😱Wachsen da andere, Käfer-resistente Bäume wieder nach oder wird es für immer so karg bleiben?
Zum Glück hat das Wetter über die meiste Zeit gut mitgemacht und schön, dass der Gepäcktransport so gut funktioniert hat, sonst wären die Problemfüsse sicher noch zäher geworden.
Quedlinburg sieht wunderschön aus! Was für ein krönender Abschluss!
Ich hoffe, du kannst deine Ferse jetzt gut pflegen, damit die nächste Weitwanderung nicht lange auf sich warten lässt.
Eine gute Erholung, liebe Lizzy!
Das mit dem Borkenkäfer-Management ist eine Art Wissenschaftszweig für sich mit sehr unterschiedlichen Herangehensweisen, Notwendigkeiten und Philosophien. Letztlich ist der Borkenkäfer nicht der “Schuldige” an den toten Waldpassagen sondern das sind Luftverschmutzung, Monokulturen und Klima. Der Borkenkäfer frisst nur, wo Natur es wegen Schwächung zulässt.
https://www.bund-naturschutz.de/ueber-uns/erfolge-und-niederlagen/nationalpark-bayerischer-wald/borkenkaefer-im-nationalpark-bayerischer-wald
Im Bayerischen Wald wurde schon vor Jahrzehnten nach langen, langen Streitereien von der Landesregierung der Versuch gemacht, einen Teil einfach stehen zu lassen und auch das tote Holz nicht auszuräumen. Entstanden ist ein lebendiger Urwald; ein Paradies für Flora und Fauna- einzigartig in Deutschland. Beeindruckend auch dort, wo man die Wege betreten kann und darf.
Es gibt Filme darüber, was passiert, wenn geräumt wird (weit weniger reicher Nachbewuchs) und wie sich alles positiv nutzen lässt. Die “Steckerlwälder” waren eh nur angebaut, um Babybäume wirtschaftlich möglichst gewinnbringend schnell nutzen zu können. Mit Natur und Nachhaltigkeit hatte das nix zu tun, was der Käfer da verputzt hat zum Leidwesen der Holzindustrie. Das war die Legehennen-Käfighaltung für Bäume. Das Holz durfte nicht ein Zehntel so alt werden, wie Bäume es werden sollten und wollten. Genau wie bei den Hühnern. Das war mindestens genauso schädigend und was mich angeht, halte ich den hungrigen Käfer für einen Segen! Aber wie gesagt: ein weites Thema!
Die Problemfüße sind leider noch zäher als beschrieben 😌 nur will ich es nicht unnötig stark betonen … die nächsten Wanderungen (schon geplant) sind auch deutlich kürzer.
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