Manchmal vor Reisen und längeren Unternehmungen - ach was, nicht manchmal .. eigentlich immer - fällt es mir vor und bei der Abfahrt etwas schwer, loszulassen.
Obwohl ich mich lange mit ansteigender positiver Energie darauf vorbereitet habe, sicher weiß, dass mir unterwegs vieles Freude machen wird, auch das Alleinsein aber besonders das vollkommen selbstbestimmte Streunen, fühlt sich kurz vor Abfahrt alles schwer und duster an. Dunkle Phantasien von so ziemlich allem, was passieren könnte (und z. T. unwahrscheinlicher ist als der Einschlag eines Blitzes neben mir) drücken auf Kehle, Kopf und Stimmung. Gleichzeitig verfalle ich in die Hektik des „alles noch schnell erledigen, vorbereiten, bevorraten, absichern Wollens“. Die Katzen werden verhungern und leiden vor Sehnsucht (der Mann eher nicht ;), die Pflanzen verdorren, der Sauerteig sterben … ich fühle mich unabkömmlich (was ein Blödsinn! Und ich weiß das auch).
Kaum sitze ich am Mittwoch den 23. April mittags im Mobil und fahre los, löst sich alles wie nie dagewesen auf. Der Sinn richtet sich nach vorne. Erste Station wird Bad Zurzach in der Schweiz sein, wo das lithiumhaltige Mineralwasser die gute Stimmung für unterwegs noch etwas festigen soll.
Die RoamingTücken des nicht-EU-Landes (eine eSim nur für zwei Tage des Durchfahrens auch noch zu besorgen, erscheint mir zu umständlich. Für die Navigation habe ich offline-Karten geladen und außerdem einen guten alten Straßenatlas gekauft. Was früher funktionierte, sollte es auch heute noch tun.) sorgen dafür, dass ich - die Abendkarte für die Therme gibt‘s nur online und WLAN natürlich keins dort *narg* - noch zweimal hin und herpendele. Deutschland ist nur einen guten Kilometer entfernt und dort übernachte ich dann auch nach einem äußerst entspannenden und wohltuenden Thermenbesuch.
Die Fahrt durch herrliche Schweizer Landschaften bis zum ersten angesteuerten
ZwischenÜbernachtungsZiel auf Französischer Seite am Genfer See, das ich schon kurz vor Mittag erreiche, verläuft problemlos und voller innerer Gelassenheit. Scheint zu wirken, das Lithiumwasser 😜
Nach einem kleinen Nickerchen breche ich zu einem Strandspaziergang auf. Bekomme unterwegs, als ich mich an einer Bank gründlich dehne, strecke und einige Mobilisierungsübungen absolviere, meine erste kleine „Sprachunterrichtsstunde“ auf Französisch. Eine Frau etwa meines Alters fragt, ob sie sich auf die Bank setzen darf. Ich verstehe die Frage zwar aber als Antwort fällt mir zunächst nur ein schlichtes „Oui“ ein, das mir in diesem Moment selber zu nackt und hart klingt. Glücklicherweise fällt mir auch noch das etwas höflichere „
bien sûr“ ein und ich setze es nach.
Die Frau realisiert, dass sie es mit einer Deutschen zu tun hat (Einschub: spontan wurde ich bisher noch nie für eine Deutsche gehalten. Früher nicht und heute noch weniger. Die erste Vermutung ist immer: Französin bzw. „Einheimische“. Ich werde sogar recht häufig nach dem Weg oder anderen Dingen gefragt. Bis ich den Mund aufmache 😁). Sie stellt einige höfliche Fragen und ich radebreche zusammen, dass mein SchulFranzösisch von vor ungefähr fünfzig Jahren absolut vergessen ist, ich aber ein paar Wörter verstehe. Und schon ist ihr Ehrgeiz geweckt. Sie ergänzt meine Lückentexte mit den korrekten Begriffen, erklärt, hilft, versteht … eine Lehrerin? Oder einfach nur freundlich.
Überhaupt sind bisher alle zu mir total freundlich und hilfsbereit. Von den Kindern über die mir überdurchschnittlich locker und gut gelaunt wirkenden jungen Erwachsenen bis zu den Alten. Grüßen, lassen mich an der Kasse vor, geben gute Tipps, gehen zur Pantomine über wenn erkennbar wird, dass ich nix kapiere, leiten mich zum absolut besten noch freien Stellplatz auf dem Campingplatz (was bei den beiden vor mir an der Rezeption nicht der Fall war - zum gleichen Preis), strahlen mich an. Auch dann noch, wenn rauskommt, dass ich Deutsche bin … Die grauen Haare? Meine eigene lockere Stimmung?
Einige im Hirn vergrabene Vokabeln tauchen wieder aus der Versenkung auf, es macht Spaß und wieder einmal wird mir eine schöne französische Aussprache bescheinigt. Ob ich mit meinen Sprachlernbemühungen von Spanisch auf Französisch umschwenken sollte? Die Sprache ist doch toll, es gibt - wenn auch wenige - verschüttete Reste im Jugendgedächtnis, die - wenn sie denn reaktiviert werden könnten - sicher haltbarer sind als das erst im Alter gelernte Spanisch, das sich schwer damit tut, in den Hirnwindungen Halt zu finden. Frankreich hat irre schöne Ecken und ist auch nicht so weit weg … Wir werden sehen. Aber für dieses Mal ist wieder Spanien angesagt.

Für den ersten Tag belasse ich es bei einem Spaziergang am See mit nur Wasserberührung bis zu den Oberschenkeln. Vorgenommen habe ich mir - ohne sklavischen Zwang dazu - jeden Tag in Wasser einzutauchen. Wenn nicht ganzkörperlich, dann doch mindestens mit den Beinen und Armen. Am ersten Tag die Therme, am zweiten etwas Kneippen im Genfer See, wo nachts sowohl im als auch außerhalb des Mobils die Temperaturen in den einstelligen Bereich abrutschen. Und ich hatte mir doch für den Morgen ein Bad im See vorgenommen. Gleich an Tag drei kneifen?
Ohne langes Nachdenken ziehe ich mir einen Badeanzug drunter, schnappe Klamotten, Handtuch und marschiere an den noch menschenleeren nahen Strand. Absolviere einige Dehn- und Atemübungen. Die Sonne ☀️ erscheint und erwärmt sofort Luft und Gemüt. Also nix wie rein ins gar nicht mal so kalte Wasser. Ein Thermometer habe ich nicht dabei aber meine inzwischen halbwegs zuverlässigen Schätzungen liegen bei ca. 14°C. Für eine, die auch bei einstelligen Temperaturen ins Wasser geht, schon fast angenehm warm.
Meine nächste Station ist
ein recht großer Campingplatz an der Dròme bzw. an der Mündung des Flüsschens „La Gervanne“ in die Dròme , nahe dem kleinen
Städtchen Crest. Ich bekomme einen der drei wirklich schönsten Plätze mit eigenem Holztisch-Bank-Arrangement und Blick auf den Fluss, zu dem ich nur wenige Meter zu gehen habe. So kann ich täglich unkompliziert darin baden. Sie führt nach langen heftigen Regenfällen in dieser Gegend noch viel schnell fließendes türkisgrünes Wasser (bis vor kurzem herrschte Hochwasser; einige Stellplätze sind noch aufgeweicht - meiner mit Kiesuntergrund zum Glück nicht mehr), dessen Temperatur ich auf ebenfalls ca. 14°-15°C schätze. Wärmer als gedacht. Südfrankreich eben 🤗

Schon am ersten Tag (Freitag) starte ich zu einer kleinen Wanderung, die mir von der Campingplatzmitarbeiterin neben zwei weiteren - die ich an den Folgetagen absolviere -empfohlen wird. Sie sind auf dem Plan des Campingplatzes grob beschrieben; Ausschilderungen gibt es keine. Nirgendwo! Trotz herrlichster Wandermöglichkeiten null komma null Wanderausschilderungen. Ich lobe mir die App „Topo Maps“ incl. gekauftem Kartenmaterial. Nie war sie so hilfreich wie hier! Die fehlenden Ausschilderungen haben auch deutliche Vorteile: fast niemand ist hier wandernd unterwegs.

Es ist ein herrlich sonnig-warmer Tag. Hier duftet, blüht, sirrt und tiriliert es, was das Zeug hält. Meterhohe in voller Blüte stehende Rosmarinsträucher, beherrschend überall der ebenfalls blühende und insektenumschwirrte Thymian. Aber auch Melisse, Salbei, Pimpinelle und viele weitere Kräuter und lassen sich am Wegesrand nicht nur bewundern sondern auch direkt vernaschen oder für den abendlichen Tee mitnehmen. Vor Husten und anderen Erkältungsproblemen sollte ich angesichts der hohen konsumierten Kräuterdosis für diesen Urlaub hoffentlich gefeit sein.
Am ersten Tag begegnet mir genau EIN Trailbiker, der genauso erstaunt über mein Erscheinen in der Wildnis ist wie ich über seins. Wir grüßen uns freundlich.
Überhaupt ist in Frankreich der Radsport eindeutig populärer und unterstützter als das Wandern. An mehreren Orten begegnen mir solche „Servicestationen“ mit Reparaturwerkzeug und Luftpumpe für den Pannenfall. Auch das Radwegenetz scheint ansehnlich und in gutem Zustand zu sein. Und auch ich habe mein Birdy-Rad ja dabei. Eine gute Gelegenheit, es am zweiten Tag auszupacken und damit nach Crest zu radeln. Wo an Samstagen in der Altstadt ein wirklich schöner Markt stattfindet

Knappe acht Kilometer sind es auf dem Radweg entlang der Dròme bis Crest. Frohgemut strampele ich los. Obwohl ich in München so viele Vorräte eingepackt habe, dass ich vermutlich eine Hungersnot damit überstehen könnte. Möchte nicht so viel aber gesund essen. Auch vom kaukasischen Kefir reist wieder ein Portiönchen mit und möchte alle drei bis vier Tage neues Futter -> Milch. Davon gedenke ich, ein Literchen frische zu besorgen. Wenn ich Strom habe - und auf dem Platz habe ich - ist auch der Kühlschrank im Mobil angeschaltet. Beim Fahren oder für Zwischenplätze wandern die zuvor gefrorenen Kühlakkus in die Kühlbox im Heck, darin Kefir, Milch, Käse und ggf. andere zu kühlende Lebensmittel.

Mehr brauche ich nicht … also: eigentlich … Aber seit ich hier bin, umweht mich Grillduft der anderen Campingplatzgäste (Franzosen - etwas entfernter dominieren die Holländer, Deutsche sind nur wenige da. Der Platz ist jetzt in der Vorsaison zu max. 1/3 gefüllt). Auch auf dem Markt gibt es Stände mit leckersten Köstlichkeiten. Die längsten Schlangen stehen bei Fleisch- und Käseverkäufern.
Eigentlich brauche ich nix … paar Mitbringsel vielleicht .. Honig, Maronicreme … und die Erdbeeren 🍓, die sind frisch und von hier … im Freiland blühen sie, unter Folie gibt‘s auch reife. Okay - frisches Obst kann ja nix schaden. Ein Schälchen geht schon .… und überhaupt:
wie kommt es eigentlich, dass sowohl in Frankreich als auch in Spanien so viel Fleisch gegessen wird. Ich bemühe Google mit der Frage, wo die beiden Nationen im Ranking liegen. Jedenfalls über Deutschland👆
Gibt‘s ja gar nicht … beide haben auch gleichzeitig eine höhere Lebenserwartung … *grübel* … vielleicht mal die anderen verdächtigen Faktoren überprüfen: auch der Alkoholkonsum - behauptet Google bzw. die von mir gefundene Statistik - liegt über dem der Deutschen … Sehr seltsam! Wo uns doch immer verschärfter presseseitig gebetsmühlenartig vorgebetet wird, dass jeder Alkoholtropfen und jedes Stückchen Wurscht nahezu umgehend in die verfrühte Grube führt. Kann das stimmen? Wurstgerichte, Wurststände, Wurst- und Weinspezialitäten allüberall in Frankreich wie in Spanien. Es mag ja nicht der Grund für die Langlebigkeit sein … zu verhindern scheint es sie aber demnach auch eher nicht.
Umgehend spinnt mein Hirn eine neue (oder gibt‘s die schon?) Verschwörungstheorie zusammen:
will womöglich eine Rentenmafia uns viel zu personenstarke Babyboomergeneration mit der Mär des angeblich gesunden Essens unter Umdrehung der Wahrheit ins vorzeitige rentenkassenschonende Grab buggsieren? 🕵🏻♀️ (muss ich mal undercover in meiner Firma nachrecherchieren - das müsste dort doch jemand wissen .. 🤔).
Soll ich daran glauben? Wie auch immer … auf jeden Fall kaufe ich gleich noch neben den Tomaten und Erdbeeren, dem Käse und Honig französisches Baguette - helles Mehl versteht sich - und auch etwas Salami. Es ergibt sich ein heiteres Gespräch mit zwei Radlern aus dem Ruhrpott, nur wenige Jahre älter als ich. Wir fachsimpeln über Honig, Räder, Campingplätze und blödeln blöde rum. Ich radle dann noch zum Supermarkt für die Milch, wo ich - sicher ist sicher 😜 - auch ein Fläschchen Wein erstehe.
Und wenn‘s doch das Olivenöl ist? Null Problem. Hab‘ ich gutes dabei und auf dem Markt in Crest eine Unmenge dieser lecker eingelegten Oliven in gleich mehreren Geschmacksrichtungen gekauft. Inzwischen gerüstet für mindestens gleich zwei Hungernöte.
Rentenmafia⁉️ diesen hier ➡️ 🖕aber sowas von! Der Abend samt Aussicht auf ein langes Leben kann kommen und ist erstmal gesichert 🍷🥩🥖
Der nächste Tag - ein Sonntag (heute also) - startet wieder sonnig. In der Nacht hat es etwas geregnet aber ansonsten blieben die von der WetterApp hartnäckig immer wieder prognostizierten Regenschauer komplett aus. Hier und da Durchzug von Wolken ☁️ und die taten eher gut. Zuviel Sonnendröhnung gleich zu Beginn, wo ich mich doch den ganzen Tag im Freien aufhalte, könnte auch nachteilig sein. So ist es perfekt! Heute blieb es bei einer nur realtiv kleinen ca. zweistündigen Wanderung und einem Bad in der Dròme. Zum Kühlen der dummweise etwas muckenden Muskeln, Schleimbeutel in der Hüfte oder was auch immer es sein mag, das das Gehen erschwert und die Kraft im linken Bein mindert. Bisschen schmerzen tut‘s jetzt nach der Wanderung auch. Die Radtour auf lange nicht genutztem und nach den Einkäufen ordentlich beladenen Birdy?

An fehlenden Dehnübungen kann es nicht liegen. Kein Tag ohne mindestens eine Stunde mit Ausgleichsdehnungen, Faszientraining und Atemübungen. Die auch merkbar gut taten. Der lange muckende Fuß mit dicker Ferse und Achillesreizung ist komplett befriedet und wandert brav alles mit. Und so bin ich guter Dinge, dass auch die Hüfte sich wieder beruhigt. Morgen ist ohnehin Fahrtag angesagt. Dann geht‘s weiter - nach Spanien 🇪🇸 (oder konkreter geschrieben: nach Katalonien 😉) An‘s Meer!
🌊 🏖️ 👙