29 Juni 2024

der Tramp in mir. Alte Lieben neu belebt.

fragt man Wikipedia nach der Bedeutung „Tramp“,  liest mensch viele Begriffe und Herleitungen; eine weibliche Form dieser Gestalt wird nicht angeboten. Die „Tramperin“ bzw. das „hitchhike baby“ beziehen sich schon nur noch auf die Fortbewegung per Autostop. Die zugrunde liegende Bedeutung des „wanderns“ oder „streunens“ ist nicht mehr enthalten. Und obwohl ich fast dreißig Jahre meines Lebens als Angestellte im ö.D. zugebracht habe, fühle ich mich tief im Herzen weiterhin ein bisschen als genau das: eine Streunerin, die - bevorzugt alleine und selbstbestimmt unterwegs - nicht bis ins Detail plant, wo die Wege hinführen. Überraschungen inbegriffen.

Aber auch der Part des Autostop-Reisens gehörte in Jugendjahren zum eigenen Selbstverständnis. Zunächst aus praktischen Gründen der eine auswärtige Schule besuchenden Schülerin, die mit dem schnellen Daumen flotter vorankam und Monatskartengelder in die eigene Tasche wirtschaften konnte, wurde es zur bevorzugten Fortbewegungsform auch aus erlebnistechnischen Gründen. Nur selten gab es für mich einige kniffelige, unheimliche oder gar zwei bis drei bedrohliche Situationen. Immer gut ausgegangen.

Zu den prägendsten, berauschendsten und erhebendsten Erinnerungen meines Lebens gehört: mit Rucksack im August an einer staubigen Wüstenstraße im Sinai (1981 noch zu Israel gehörend) zu stehen und auf anhaltende Autos zu hoffen. Auf die Ladefläche zu springen oder einzusteigen und immer wieder lustige, interessante, seltsame aber auf jeden Fall andere und neue Begegnungen zu erleben.

Man hört oft die Empfehlung, immer mal wieder ganz was neues zu unternehmen. Ist sicher prima für‘s frisch fühlen und Hirnwindungen geschmeidig halten. Aus eigener Erfahrung erweitere ich auf: „Mach‘ doch mal was altes wieder jung!“ 

Das mit dem Trampen entsprang bei mir eher dem Zufall und den Wirren des vor vier Wochen in Bayern herrschenden Hochwassers, das mich in Folge der Nahverkehrs-  und eigener, nicht näher auszführender Blödheitsverwirrungen, nicht wie geplant in Plattling sondern im mir bis dato unbekannten Osterhofen (Niederbayern) aus einem Zug an einen extrem verlassenen Bahnhof spülte, von dem aus laut Anzeigetafel in absehbarer Kürze kein Zug mit Anschluss an die Waldbahn losfahren würde. Was tun?

GoogleMaps zeigte eine Bundesstraße in der Nähe und Plattling keine 20 Kilometer entfernt an. Kurz überlegt und *Daumen raus* erstmal von einem älteren Herrn bis ins Zentrum mitgenommen, von dort an der Bundesstraße keine Minute warten müssend, hielt in Rekordgeschwindigkeit ein etwa Gleichaltriger im weißen SUV, der Trampen noch kannte und mein Erscheinungsbild als „so verloren und harmlos aussehend“ betitelte.. Weswegen er ohne langes Nachzudenken einfach hätte halten müssen.

Ich: „DARAUF habe ich gebaut: dass erstens noch jemand weiß, was so ein rausgestreckter Daumen bedeutet und ich zweitens mit grauen Haaren NOCH harmloser aussehe als vor 40-50 Jahren :o)“

Es war die anregendste, beschwingendste, nachdenklich machendste und unterhaltsamste halbe Stunde seit langem. Ich wurde direkt vor dem etwas außerhalb liegenden Bahnhof Plattlings quasi nahtlos in die dort wartende Waldbahn entlassen und beide Beteiligten waren sich einig: „Man sollte doch häufiger mal wieder alte bzw. für heute ungewohnte Dinge tun: z. B. trampen oder TramperInnen mitnehmen!“ (o. a.)

Gestern dann geplant: eine weitere Liebe - nicht ganz so alt aber doch auch fast schon 25 Jahre Traditon - nach Jahren der Pause neu aufleben zu lassen: eine Wanderung zum Jochberg am Walchensee. Anfahrt mit Zügen und Bus. Im Prinzip gut gedacht - durch Zugverspätung dummerweise den stündlich fahrenden Bus in Kochel knapp verpasst. Hier eine Stunde rumstehen für die knapp 10 Kilometer bis zum Kesselbergpass? hmmm … doof … also mal wieder: *Daumen raus* und *zack* .. drittes oder viertes Auto hielt. Der Fahrer (Segler am Walchensee)  wieder so etwa meine Generation gleich ganz locker (klar - so im Wanderoutfit und in für Autolose schlecht angebundenen Berggegend weiß jede/r sofort, was die Seniorin mit Rucksack plant): „Na, welche Tour hast du vor? Jochberg oder Herzogenstand?“ 

Jochberg. Noch eine „Liebe“, die vermutlich ewig währt. Auch wenn dort inzwischen sogar wochenmittig ordentlich was los ist, die Wege - den Massen geschuldet - fast wie eine durchgängig befestigte Holztreppe daherkommen und sich von Mal zu Mal einiges verändert: die Aussicht von oben: DER Hammer! Immer wieder erhebend, demütig und dankbar machend für alles. Und überhaupt.




Mehrere kleine oder mittelgroße Dialoge unterwegs. Freundlich-fröhliche Gesichter, Offenheit. Urlaubende aus Norfolk (UK) und Fulda in Hessen boten anregende Urlaubs- und Lebensanekdoten und ein junger Mann mit Kinderkraxe auf dem Rücken, der locker an mir vorbeiziehend meine Bewunderung sicher hatte mir die Erkenntnis: aus der früher ziemlich locker runtergehoppelten „Halbtagestour Jochberg“ mit knapp 10 Streckenkilometern und gut 700 Höhenmetern ist für mich inzwischen eine gar nicht mal so unanstrengende *Schnauftour* geworden. Die  kühlende Abschluss-Schwimmeinheit im Walchensee bringt verlorene Frische sofort zurück. Alte Lieben halten eben frisch :o)





In Urfeld angekommen die Erkenntnis: die App hat Unsinn erzählt oder ich die falsche Richtung geguckt? Der angepeilte Bus nach Kochel fährt zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht. Der Aushangsfahrplan möchte mich wieder fast eine Stunde warten lassen. Die App spuckt inzwischen wilde Umleitungsmeldungen aus.  Aber inzwischen sogar ganz ohne „komisches Gefühl“ halte ich mal eben den Daumen raus und wieder *zack* hält keine fünf Autos später ein VW-Bus  mit einem von Hüttenurlaubstour auf der Rückreise nach Hessen befindlichen Pärchen. Jünger und laut eigener Aussage auch heute gelegentlich gerade im ländlichen Nordhessen per Anhalter unterwegs. Echt? Gibt‘s das noch? Sollte es jedenfalls auch weiterhin. Diese Art der Fortbewegung und ungeplanten Begegnungen sind es wert, als so eine Art „immaterielles Kulturerbe“ erhalten zu werden. Ich tue mein Bestes dazu ;-)





09 Juni 2024

den Bergsommer einläuten per Arbeitseinsatz über den Wolken

Nach einigen Jahren ohne Mitgliedschaft im Alpenverein sind wir ihm wieder beigetreten, dem DAV. Diesmal allerdings nicht der größten Sektion München-Oberland mit zwar vielen Angeboten und großer Infrastruktur aber auch sehr anonymem und firmenartigemAufbau. Im Gegenteil haben wir die zwar sehr alte und traditionsreiche aber auch sehr kleine Sektion Achensee ausgewählt. Durchaus auch in dem Gedanken, dadurch nicht nur geringere Mitgliedsbeiträge zu zahlen, da wir weder die Kletterhallen noch die meisten anderen der vielen Angebote der an Infrastruktur großartig ausgestatteten großen Sektionen nutzen werden sondern in erster Linie auf die dann günstigeren Hüttenübernachtungen und in allererster Linie die umfangreiche Bergunfallversicherung (die im Bedarfsfall auch Hubschraubereinsätze umfasst) des DAV aus sind.

Als möglichen Zusatzbonus erhofften wir uns von der kleineren Sektion eine persönlichere Anbindung und besuchten daher auch als Neumitglieder gleich die im ersten Jahresquartal stattfindende Hauptversammlung. Ließen uns dort als Interessenten für den im Frühjahr anstehenden Arbeitseinsatz eintragen, bei der die einzige Hütte des Vereins, die nahe Achenkirch auf knapp 1600m gelegene Seewaldhütte, startklar für den Sommer gemacht wird.


Die Seewaldhütte ist eine recht kleine und vergleichsweise neue Selbstversorgerhütte mit 16 Schlaflagerplätzen in herrlicher Hanglage oberhalb des Achensees. Sie kann nur gelegentlich auch von „Aussenstehenden“ der Sektion genutzt werden. Immer dann, wenn Wochenendbetreuung anwesend ist und noch Lagerplätze frei sind. Dann erfolgt auf der Außenterrasse auch eine kleine quasi halbprivate aber durchaus DAV-konforme Getränkebewirtung des jeweilig anwesenden Hüttenverwalters, was schlicht ein Vereinsmitglied ist, das in diesem Moment ehrenamtlich dort ein Wochenende verbringt oder nach dem Rechten sieht. Verlassen sollten sich Wanderer, die hier vorbeikommen, aber nicht darauf.



Da die Sektion nicht über Angestellte verfügt, kann die Hütte nicht durchgängig geöffnet sein und alle notwendigen Arbeiten erfolgen ehrenamtlich. Sie verfügt über eine wunderschöne Ausnahmelage mit grandioser Sicht auf Guffert, Rofangebirge und Zillertaler Alpen. Da sie aber weder einen Trinkwasserzufluss noch eine für „Normalfahrzeuge“ nutzbare Anfahrtsmöglichkeit verfügt, fällt einiges an Arbeitsnotwendigkeiten an: sich ums Spezialtransportfahrzeug kümmern, Holzbearbeitungsgeräte beschaffen, warten, anwenden (nur wer einen „Derf-Schein“ dafür hat, darf - selbstverständlich nur in den dafür TÜV-geprüften Klamotten - die Motorsäge verwenden). 

Es wurde Baumholz aus schwieriger Hanglage zum Haus transportiert, gespalten (erst mit einem Spalter grob, dann per Äxten stapeltauglich als Heiz- und Herdbetriebsvorrat), Zäune und Tore aus dem Winterlager geholt und gesetzt damit das demnächst auf die umgebenden Almen getriebene Vieh außerhalb des Hüttenbereichs bleibt. Ablaufrinnen wurden gereinigt, das Brauchwasserreservoir und dessen Quellbereich kontrolliert, ebenfalls gereinigt, Rohre neu befestigt und gewartet, Elektrokleinigkeiten ausgebessert, die Innenräume auf Hochglanz gebracht, ausgeschüttelt, ausgeklopft und immer und alles geputzt, geputzt und nochmal geputzt.



Insgesamt haben sich an der Aktion ca. 20 Personen beteiligt. Einige lediglich einen der zwei Arbeitstage und einige ohne dortige Übernachtung (es war auch so ziemlich rappelvoll im Lager), so dass die Arbeiten erstens flott erledigt war und zweitens noch reichlich Zeit für gemeinsame Mahlzeiten und gesellige Abendrunden blieb. 

Und eine Wanderung zum dortigen “Hausberg”, der 1813m hohen “Hochplatte” saß für mich auch noch drin. Herrlich!



Tolle Rundumsichten von hier oben. Adlerschreie meinte ich zu hören (und aufzunehmen) und man soll sie hier auch relativ häufig sehen, wurde mir gesagt. Mir haben sie sich aber nicht gezeigt. Es wird hoffentlich weitere Gelegenheiten dazu geben.



Das Wetter hielt sich zu unserer großen Freude nicht an seine regenreiche und gewitterlastige Vorhersage sondern erfreute uns mit morgendlich romantischen Nebelblicken über’s Achenseetal, angenehmem Freitagnachmittag, strahlesonnigen Samstag ohne jeglichen Regen bis zum späten Nachmittag (dann regnete es los und durfte das auch)  und auch der Frühstücks- und Abstiegsmorgen am Sonntag war dann zwar gewächshausdunstig schwül aber wir konnten trockenen Fußes und Hauptes die fünf Kilometer mit ca. 700 Höhenmetern  bis zum geparkten Auto bergab wandern.