15 September 2007

Schafreuter ... jedenfalls fast ...

* * *

Die lange geplante und am letzten Wochenende wegen Schnee und Lawinenwarnung ausgefallene Tour auf den Schafreuter - auch Scharfreiter genannt - sollte an diesem Freitag und Samstag nachgeholt werden. Die ursprüngliche Teilnehmerschar zwar auf 3 Weibsleute geschrumpft, freute ich mich dennoch sehr darauf. Leider schrumpfte durch ein dummes (die Stimmung auch eine Weile trübendes) Mißgeschick in letzter Minute die Frauschaft noch um eine weitere Person und so machten sich Michaela und ich schließlich gegen 12:00 Uhr zu zweit auf den Weg.


HEY- HILFE! Wieso "Trittsicherheit und alpine Erfahrung?" Es ist doch eindeutig eine grüne Tour bei Pause ... Zwar weiß ich, dass die Bandbreite der Stellen, an denen diese Warnung auftaucht ziemlich groß ist. Von: "nojo, bisschen schwierig vielleicht - aber doch nicht gefährlich!" bis: "ich bin doch nicht lebensmüde und geh' hier durch!" Aber diesmal verunsicherte mich das Schild doppelt. Schließlich war Michaela noch nie in den Bergen unterwegs. Zwar körperlich topfit und flotten Schrittes *hinterherhechel* aber eben ohne jegliche Bergtour-Erfahrung. Mir wird etwas mulmig zumute.


In den ersten Stunden wandern wir über idyllische Wege entlang es rauschenden Krottenbachs fast eben dahin. Schöne Aussichten, überall flitzende Eidechsen, keine nennenswerte Anstrengung. Was mich allerdings etwas mißtrauisch macht. Immerhin müssen wir auf jeden Fall - auch wenn wir nur bis zur Tölzer Hütte gehen - mindestens 1000 Höhenmeter aufsteigen. Wenn in den ersten Stunden fast ebeneerdiges Gewander ansteht, birgt das den messerscharfen Schluss in sich: nachher wird's umso steiler!

Als der fahrzeugtaugliche Weg endet, passieren wir einen alten knorrigen Mann, der dort Holz auf einen Anhänger lädt und uns in urigstem Bayrisch fragt, wo's hingehen soll heut' noch. Zwar gibt's keine wirklichen Alternativen an dieser Stelle ... aber wir antworten trotzdem wohlerzogen, dass es der Schafreuter bzw. die Tölzer Hütte werden soll.

Der Blick des Mannes scannt wieselflink in Sekundenschnelle unsere Gestalt ab. Zuerst und sehr bewußt die Schuhe, dann an den Gestalten hoch, es folgt ein Lächeln ins Gesicht und der freundliche Schluss: "Ia hobt jo no den ganzen Tog vor aich und so guad wia ia beinand seids ... des werd scho. Hobts a scheenen Tog!"

Michaela echauffierte sich etwas über das "so gut, wie ihr beinand seid" aber ich versicherte ihr, dass das ein uneingeschränktes Lob und die Generalabsolution für die anvisierte Tour war. Das von einem ortskundigen alten Bayern - da kann nix mehr schiefgehen.
Allerdings hatte ich durchaus bemerkt, wie kritisch er die Ausstattung einer Musterung unterzogen hatte und dachte wieder mit etwas Bangen an die "Trittsicherheit und alpine Erfahrung".


Auch der vom Wetterbericht seit Tagen bis heute angekündigte uneingeschränkte Sonnenschein wollte sich nicht so strahlend einstellen wie befohlen. Es blieb bedeckt, was allerdings streckenweise willkommen war. Weniger willkommen war die schwarze Wolkenwand, die in rasender Geschwindigkeit heranzog, einen ca. 15 minütigen heftigen Regenguss genau auf uns abregnete, dann aber glücklicherweise ebenso schnell weiterzog. Es blieb jedoch wechselhaft.





An diesem Tag begegnete uns auf der ganzen restlichen Tour bis zur Hütte lediglich noch ein einzelner Wanderer in Gegenrichtung. Die Tourenbeschreibungen hatten alle eine sehr einsame und selten begangene Tour angekündigt und das stimmt ganz offensichtlich. Warum das allerdings so ist, kann ich nicht verstehen. Denn das Krottenbachtal ist von einzigartiger Schönheit und Abgeschiedenheit. Die Szenarien ändern sich, Lieblichkeit mit Dramatik, Sanftheit mit wilder Natur und immer wieder Wasser Wasser Wasser. Leider auch auf dem Weg, der irgendwann wie eine Wand steil nach oben führt. Glitschig, rutschig, schwierig. Was aber auch daran liegt, dass es wochenlang geregnet hat und hier bis vor kurzem Schnee lag.





Man fühlt sich entrückt von Welt und Alltag.




aber dummerweise sind irgendwann die Füße der beiden Beteiligten pitschnass. Es war die erste Wanderung, an der meine Trekkingstöcke sinnvollen Einsatz hatten und sich als Segen erwiesen. Schwesterlich geteilt, hatte jede von uns beiden ein "drittes Haltbein", das sehr oft noch gerade verhindern konnte, dass eine sich auf dem Hintern im Matsch rutschend abwärts verabschiedete. So bin ich tatsächlich während der ganzen Strecke nur einmal auf dem Hintern gelandet und Michaela überhaupt nicht.


Genauso abrupt, wie die scharfe Steigung begonnen hatte, endete sie auf einer grasbewachsenen Ebene mit dem Delpsee. "Wir sind ja in den Anden" stellte Michaela begeistert fest. Tatsächlich sind wir nur in Österreich angekommen. Hier verläuft die Grenze. Aber es hatte etwas von der Ruhe und Erhabenheit fremder Hochwelten. Die Murmeltiere pfiffen und wir sahen ein Rudel Tiere springen, bei denen wir allerdings nicht schlüssig feststellen konnten, ob es Gemsen oder doch "nur" Bergziegen waren.




Nach einer Rast am idyllischen See geht's weiter. Und natürlich gehört in die Anden auch Schnee. Leider ist er pampig, nass, dringt in Schuhe und Socken ... aber zumindest meine Füße sind sowieso schon seit Stunden patschnass.




Die "Tölzer Hütte" in Österreich - unser Quartier für die Nacht.

Den Gipfel des Schafreuter lassen wir für heute aus. Uns wird gesagt, dass auf dem Steig viel Schnee liegt und es noch rutschiger sein soll. Außerdem ist Zeit fürs Abendessen, die Sicht von der Hütte aus schon atemberaubend und wir möchten ins Warme.


Es wird duster im Gebirge und zugig.




nochmal der Blick zurück ins Tal, aus dem wir aufgestiegen sind.




Auf der anderen Seite - hinter dem großartigen Karwendelpanorama - präsentiert die Sonne uns einen Untergang mit nicht zu wünschenübrig lassender Romantik und Dramatik.





Es gibt Verbotschilder, die sich als komplett uneinhaltbar erweisen.


Weil der Hüttenhund "Doc" es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, Menschen zur Verbotsmissachtung zu verführen. Jeden - ausnahmslos jeden, der ihm auch nur am Rande Beachtung schenkt, fordert er mit einem nimmermüde hinterhergeschleppten Stock ziemlich hartnäckig immer wieder dazu auf, das Ding bitteschön für ihn zu werfen. Er legt ihn vor die Füße und guckt abwechselnd Stock und Mensch fixierend an. Legt den Stock neben einen auf die Bank - sogar in der Gaststuber hört er damit nicht auf. Nee - das kann ich wirklich nicht. Einem Hund, der SO guckt, seinen Wunsch immer wieder abschlagen. Natürlich hab' ich das Ding ein paarmal heimlich geworfen und Doc hat sich ein Bein ausgefreut ;-)



Die Zimmer sind klein, sauber und zweckmäßig. Bequeme Matratzen, dicke saubere Decken und nach Essen und Bier in der Gaststube hundemüde hätten wir schlafen sollen wie die Babies. Dummerweise schlug die Höhe wieder zu: beide fanden wir nur kurzen und oberflächlichen Schlaf, frühstückten um 7:00 Uhr und machten uns um 8:00 Uhr auf den Weiterweg, der großen Runde über Moosenalm und Grasköpferl zurück nach Fall.




In der Nacht hatte es geregnet und morgens verhinderte dichter Nebel jede Weitsicht. So sparten wir den Gipfel auch heute aus und gingen auf wiederum extrem rutschig-nass-glatten Wegen und Wiesen einige Stunden dahin. Wunderten uns über schwarze Molche oder Olme?, die zwar im Zeitlupentempo aber unermüdlich durch Schnee und Kälte krochen.

Außerdem suchten immer wieder leicht abirrend die von Nebel oder Schnee verschluckten Wegmarkierungen.


Wenn keine Weitsicht möglich ist, kann man immer noch den Fokus auf die Nahbereiche verlagern.

"Hey - jetzt sind wir in Irland!" Tatsächlich wechselt die Landschaft ihr Erscheinungsbild auf dieser Tour sehr oft. Eine wunderbar abwechslungsreiche Strecke voller Überraschungen.


Aber doch auch ein bisschen anstrengend. Sicher ist jedenfalls, dass es nicht das letzte Mal war, dass ich sie gegangen bin. Dieses Jahr ist die Zeit dafür sicher vorbei. Aber wenn es mal trockener ist und schneefrei, dann wird sie nochmals in Angriff genommen. Inclusive Gipfel.

* * *

Keine Kommentare: