04 März 2018

Hurra, ich lebe noch! oder: Medaillennachtrag Hessen

Und wie singt Milva so wahr  im besagten Lied :

„... so selbstverständlich ist das nicht: wir leben noch!“

Wenn gleich fünf Ärzte, incl. Chef des Instituts für Prävention und Sportmedizin sich angesichts einer als Routine gedachten Untersuchung plötzlich um dein ultrageschalltes Herz scharen, abends darüber debattieren, dir empfehlen, auf Belastungsspitzen besser zu verzichten auch wenn - erstaunlicherweise?! - noch keinerlei Symptome die gleich mehrfachen und durch Medikamente nicht wirklich zu beeinflussenden Macken verraten. Oder vielleicht doch? "Merken Sie wirklich NICHTS? Bei Hochbelastung? Nach langen Ausdauerbelastungen?" und wenn wirklich nicht .... (Zitat Prof. Halle):
"Das, was Sie da haben, das kann auch ein Olympiasieger haben ... aber auch ein Olympiasieger  ..."

Ja liebe Ärzte! Was weiß denn ich, ob ich was anderes spüre als andere Leute mit "Normherz"?! Ich habe doch nur das eine und daher keinen Vergleich. Fühlte mich eigentlich gerade mal wieder einigermaßen fit und belastbar. Bisschen abgenommen wieder, keine Entzündungen in den Gelenken mehr, relativ hohe Laufumfänge und auch gelegentliche Tempoeinheiten auf dem Laufband.

Dachte vorher: "Wird SEHR knapp und eng werden - aber tatsächlich könnte ich mit noch etwas Training angesichts der kürzeren flotten Tempoeinheiten versuchen, den Halbmarathon in Marburg auf zwei Stunden anzugehen."

Nach dem medizinischen Chekup dann sogar erstmal Hemmungen, das Laufband im Sportverein auf ein Tempointervall so hochzudrehen, dass die Pumpe ordentlich arbeiten muss. Obwohl letztes Fazit dann eigentlich gelautet hatte: "Ach, machen Sie einfach erstmal weiter. Belastungsspitzen vielleicht vermeiden, engmaschig überwachen ... " (wobei diesbezüglich ziemlich klar wurde: die Überwachung dient ggf. maximal der Wissenschaft und keiner besseren Prognose für mich ... ) "... besser etwas weniger spitzenlastige Ausdauersportarten bevorzugen aber vermutlich ist Ausdauertraining im niedrigschwelligen Bereich sogar gut ..."

Vermutlich, niedrigschwellig, besser, vielleicht ... Zitat der die Botschaft abens per Telefon überbringenden Assistenzärztin: "Es kam, wie mein Opa immer sagt: fünf Ärzte, sechs Meinungen."

Was macht frau damit zu wissen, dass sie eine heiße Kandidatin darauf ist, beim Sport oder sonstwo dermaleinst früher oder später womöglich vorwarnungslos tot umzukippen? Erstmal jedenfalls verunsichert sein. Zum zweiten Mal (eine erste, noch mildere Diagnose hatte mich schon vor einigen Jahren kurz verunsichert) auf den Sensenmann schielen, der - wir wissen es alle - sowieso immer neben jedem steht aber bei mir nun immer mal wieder die Deckung verlässt. Und dann? auf's Sofa lümmeln? Auch blöd. Angeblich und vielleicht, womöglich, wahrscheinlich ... (s. o.) merke ich auch deshalb noch nix vom Schaden, WEIL ich ziemlich gut trainiert bin ... und wo ist die Mitte? Was ist gut und richtig, was zuviel?

Feststellen: wir werden alle sterben. Das ist sicher. Alles andere Spekulation. Nicht wirklich neu, die Erkenntnis. Wann? wer weiß das schon?! Im Büro eine Postkarte aufgestellt mit dem Text einer Bibelstelle:

"Bleibt wachsam. Ihr kennt weder den Tag noch die Stunde!"

Also: LAUFEN! Auch mal ein bisschen flotter, wenn möglich. Wenn's Spaß macht und weil's Spaß macht! Irgendwann die Erkenntnis: wenn's wirklich plötzlich kommt: besser als lange hinsiechen und letztlich ist der Zeitpunkt ja nie so richtig der Richtige. Alles geregelt: Vorsorgevollmacht etc. schon lange unter Dach und Fach und festgestellt: es vermittelt auch Freiheit und Leichtigkeit, das sichere Wissen, DASS irgendwann Ende ist -  in Kombination mit dem sicheren Nichtwissen, WANN. Möge es kommen, wie es soll und will und muss!

Dann in Marburg: Nicht mehr so kalt wie die Tage vorher. Aber nass, diesig, feuchtkalt -> Eklig!

Abends vorher mit Bruder beim Bildergucken bis in die Nacht eine Pulle Rotwein geleert (ich den größeren Teil - soll ja auch gut für's Herz sein schließlich), beim Aufwachen unrundes Gefühl, kaputt, müde, kalt ... Blutdruckpille brav eingeworfen (weil Kälte angeblich ... ich glaube, nicht mal das weiß man wirklich genau ... das Herz zusätzlich belastet und den Druck des Blutes hochtreibt und frau kann sich so wenigstens ein bisschen einbilden, vernunftgesteuert zu agieren). Damit ist an Tempo schonmal gar nicht zu denken. Merke ohnehin, dass Wetter und Allgemeinbefinden ausbremsen. Falschen, kneifenden und die Luft etwas abschnürenden Lauf-BH auch noch aus Versehen eingesteckt. Blöde Ausrede? Brauche ich eine? Auf jeden Fall ging nicht viel und lief noch weniger.

Jörg wollte doch eigentlich einen schnelleren Kilometerschnitt laufen auf seinen FÜNFZIG! *ächz* Kilometern, ließ sich aber dazu herab und es sich nicht nehmen, jede Verlangsamung meinerseits mitzu.. gehen? ... nun, ich denke: "Laufen" dürfen wir es dann doch noch nennen ;)


Danke dir nochmal, Jörg! Kann gut sein, dass ich ohne dich abgebrochen hätte aber auf jeden Fall wäre ich NOCH langsamer ins Ziel gekrochen als in den 2:17:58, die es gestern beim Halbmarathon des Lahntallaufes für mich wurden.  Ohne dich, die gemeinsame Plauderei, dein darauf-Bestehen, dass ich NICHT gehe, dein hartnäckiges neben mir her-Geschlurche ... zurückfallen lassen für Foto-, Pinkel- und vermutlich Zeittotschlagpausen und um nicht einzuschlafen neben der immer langsamer werdenden Lizzy.

Als unsere Wege sich nach knapp zwanzig Kilometern trennten, ich endlich auf meiner zusätzlichen Halbmarathon-Schleife in mich zusammensacken konnte ungestraft ;) , konnte Jörg seinerseits das Tempo nochmal ordentlich anziehen für seine weiteren 30 Kilometer. Mir hätte an dem Tag auch der Zehner gereicht eigentlich. Eingefroren nach dem Lauf, schmerzgeplagt minutenlang in der warmen Umkleidekabine auf der Sitzbank verharren, bis auch nur an Aus- und Umziehen zu denken war ...  aber als ich dann feststellte, dass ich mit nur wenigen Sekunden Abweichung das Tempo meines davor letzten Halbmarathon von vor zwei Jahren in Saarbrücken getroffen hatte, da war's dann auch wieder okay irgendwie. Damals gings mir irgendwie noch deutlich schlechter und diesmal vergleichsweise schnell wieder gut.


Es war mein zweiter Lauf im Bundesland Hessen - und nun auch mit Medaille. Und am Abend die Erkenntnis: es geht doch nicht viel über das herrliche Gefühl, kaum noch laufen zu können, mühsam und breitbeinig gebeugt mit schmerzgeplagtem Gestell durch die Botanik zu schleichen wie dermaleinst John Wayne mit Wolf, sich ächzend und stöhnend, buckelig wie Quasimodo abgestützt an allem, das sich bietet, vom Sitzen zu erheben, nicht zu wissen, was mehr weh tut: Beine, Füße, Schultern oder Popo.

Doch - hier und da ein Halbmarathon ... das möchte ich schon noch können. Mit Tempo, AK-Siegen, Pokalen und dem ganzen Kram wird's wohl endgültig vorbei sein. Da komme ich nicht mehr hin. Muss aber auch nicht sein. Hier und da eine Teilnahme, z. B. beim  Saarschleifen-Marathon, der zwei Tage vor meinem 56sten Geburtstag stattfindet. Das Gefühl, nochmal reinzuschnuppern und hübsche Medaillen nach Hause zu tragen: daran habe ich in Marburg wieder meinen Gefallen gefunden.

Und weil sich auf der Hinfahrt im Zug so angenehme menschliche Unterhaltung fand, die Rückfahrt aus Platzmangel z. T. im Gang sitzend stattfand und dann schlafend, blieb die zum mindestens dritten Mal irgendwohin mitgenommene und schon vor Jahren gekaufte Lektüre weiterhin ungelesen. Mal sehen, ob ich's schaffe, das Buch "vorher" doch noch zu lesen. Aber ich glaub's sowieso auch so ;-)