07 April 2013

Bestzeitchen beim Berlin-Halbmarathon

Obwohl heute früh so ziemlich alles schief lief:


  • Trotz  Flohsamen streikte die Verdauung. Und das, wo ich mir am Vorabend in der "Seerose" eine gigantomanische Portion vom vegetarischen Buffet in den Bauch gepackt hatte, in welchem die Gemüse- und Hülsenfrüchtemischung nun weiterhin vor sich hinrumpelte und -pumpelte. Zum Frühstück noch zwei Croissants oben draufgepackt ...
  • Für den sonnigen Tag, der es wurde, war ich fast zu doll eingepackt. Bei den Eiseskälteläufen der letzten Wochen war ich dünner angezogen und hätte auch heute die Windweste weglassen sollen, die zusätzliche Unterwäsche erst recht.
  • Trotz Starts im letzten Abschnitt des D-Blocks und damit eigentlich genau dort, wo ich bei meinem Tempo hingehöre, musste ich über viele Kilometer nur überholen und mich an ganzen Wänden falsch einsortierter Langsam-cliquen vorbei slalomen. Hätte ich anders erwartet bei so breiten Straßen und so akribischer Organisation. Behaupte im Nachhinein: so behindert wurde ich noch bei keinem meiner Feld- Wald- und wiesenläufe bisher wie heute in Berlin.
  • Vor dem Brandenburger Tor - per se schon ein kleiner Engpassbereich - stockte das ganze Feld und kam ins leichte Trudeln weil viele langsamer wurden um zu gucken oder zu fotografieren.
  • Just als ich darüber maulen wollte, trudelte ich meinerseits und wäre fast wegen eines offenen Schürsenkels schnöde auf die Nase gefallen. Mußte also gleich nach dem berühmten Tor stoppen und Schuh binden. Wie nervig ist das denn!?
  • Fast kein Kilometerschild gesehen. Höchstens jedes vierte oder fünfte weil immer irgendwo im Pulk und die Augen wegen der Sonne zu Sehschlitzen verengt. Hätte auch sonstwo gelaufen sein können, hab' eh fast nix gesehen.
  • Zwischen KM 19 und 20, in der Nähe meines Hotels plötzlich ein Krankenwagen, der seitwärts mit Blaulicht reinfährt und die Meute zum Bremsen und Randlaufen zwingt. Da laufe ich auch schon vorbei an der Person, die in einem Helferpulk am Boden liegt wie eine zusammengesunkene Puppe . Ich sehe nur die Komisch und gummiartig übereinander verdrehten Beine der reglosen Person.
  • Habe in Berichten davon gelesen, dass Zeugen derartiger Zusammenbrüche heftig reagieren und hätte es aber von mir nie erwartet. Aber doch: ohne, dass vorher ein bewusster Gedanke dazu im Hirn gebildet worden wäre, reagiert mein Körper autonom und quasi aus dem Rückenmark: die Beine werden hart, ich erschrecke mich und - komplett erstaunlich für mich verspüre ich das Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen. Un d zwar "so richtig", der Flohsamen ließ grüßen. Schwindelig wird mir auch. Um mich herum werden viele Mitläufer ebenfalls plötzlich viel langsamer.
  • Obwohl ich dieses Bedürfnis gerade so noch im Zaum halten kann, komme ich nicht mehr gescheit in den Tritt. Etwas später, direkt auf  Zielgerade: noch ein Läufer sackt kurz vor mir zusammen wie ein nasser Sack. Helfer am Rand springen sofort herbei und nochmal laufe ich mit einem zweiten Schrecken reichlich verwirrt dran vorbei und über die Zielmatte.

Wäre alles perfekt gelaufen, hatte ich mutig vorgehabt, die 1:55 anzupeilen. Da ich die Schilder nie gesehen habe und eh alles wirr war, habe ich kaum auf  die Zeit achten können.  Bin mit der trotz allem zustande gekommenen neuen HM-Bestzeit von

1:58:51  - Pace 5:38 min/km


unter diesen Umständen extrem zufrieden. Glaube außerdem, bei wirklich optimalen Bedingungen auch noch ein paar weitere Minütchen rausschinden zu können. Aber das hat  Zeit.


Statistik:

gesamt:  Platz 10.488  von  29.113       -      Sieger: Kendagor, Jacob (KEN) in 00:59:36
Frauen: Platz 1.992 von 7.857              -       Siegerin Kiprop, Helah (KEN) in 01:07:54
W50: Platz 203 von 961                        -        Platz 1:  Nicolaisen, Gerda (DEN) in 01:23:00







Nachtrag: beide Läufer (25 und 28 Jahre jung) sind inzwischen gestorben.