31 Juli 2012

der Felsen des Sisyphos und Bären (aufgebunden)

Rocca Senghi

„Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache. [...] Der absurde Mensch sagt ja, und seine Anstrengung hört nicht mehr auf.
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Darüber hinaus weiß er sich als Herr seiner Tage. In diesem besonderen Augenblick, in dem der Mensch sich seinem Leben zuwendet, betrachtet Sisyphos, der zu seinem Stein zurückkehrt, die Reihe unzusammenhängender Handlungen, die sein Schicksal werden, als von ihm geschaffen  [....]   Jeder Gran dieses Steins, jedes mineralische Aufblitzen in diesem in Nacht gehüllten Berg ist eine Welt für sich. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
Der Mythos des Sisyphos: 6. Aufl., Reinbek, 2004. S. 159f.




überrollt er nur das Haus oder mich gleich mit?


oder wird es Volker sein, den er zermamlt ... oder biegt gleich Sisyphos um die Ecke und rollt Rocca Senghi  ein nächstes Mal nach oben?



den Felsen unbeschadet passiert ...


... klappt das noch viel besser heute mit den Bergbächen ...

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Denn: beide tragen wir inzwischen nur noch barfuße Füße in Trekkingsandalen.

Was drei wandernde Italiener (und es gibt sie doch!)  beim Überholvorgang (sie haben leichteres Gepäck als wir ;) zu einem mehrstimmig-tadelnden Wortschwall mir gegenüber animiert. Zeigen auf Schuhe und erzählen was von "falsch" und "Wanderschuhe", "gefährlich" und ... den Rest verstehe ich nicht. Verstehe aber die Grundaussage und ziehe - ohne mir lange den Kopf über sprachlich passende Antworten zu zerbrechen, den Rucksack vom Buckel und aus selbigem die Tasche mit meinen Wanderschuhen. Wedele damit: "na Jungs, nun regt euch mal nicht auf. Ist ja alles ordnungsgemäß vorhanden ..." vor ihnen rum. Die tadelnden Gesichter entspannen sich umgehend. Dann sei ja alles prima ... was mir wiederum unlogisch vorkommt, denn nach wie vor befinden sich an meinen naggischen Füßen Sandalen und die Wanderstiefel wandern zurück in den Rucksack. So gesehen hat sich nichts geändert an der Ausgangslage. Trotzdem: zufrieden gestellte Minen bei den Jungs.

 Mich packt die Lust, ein bisschen zu provozieren. Dazu muss dann aber doch mein Anfänger-Italienisch aus dem Sack und ich erkläre mit Bestimmtheit, dass ich die zurückgepackten Schuhe aber eigentlich sowieso nicht brauche. Schwer und nutzlos! In die fragenden Gesichter setze ich nach: "Nur ganz am Anfang benutzt. Füße kaputt. Von Susa bis hierher dann in Sandalen. Alles prima!" In den Gesichtern tauchen "Ahhhs" und "Ohhs" auf. "Von Susa bis HIERHER?" "Ja logo - von Susa bis hierher. Wir wandern ja nicht nur einen Tag. 14 Tage! Grande Traversata delle Alpi nämlich. Jawohl. In Sandalen! Durch Schnee, Felsen, vorbei am Monviso .... alles tutti! Capito?" 

Nicht, dass ich vorsätzlich hätte prahlen oder lügen wollen - der aufgebundene Bär, zunächst schlichten sprachlichen Vereinfachungstendenzen entsprungen, wuchs - einmal auf den Rücken geschnallt - in rasender Schnelle zum Riesenbär heran. 

Und weil es jetzt statt Vorwürfen mehrstimmig nur noch "Complimenti Signora" und "Brava Signora" tönte - mit staunenden Gesichtern und offensichtlich beeindruckt von den zwar ein bisschen verrückten aber immerhin zähen Deutschen, hätte ich gerne noch nachgesetzt, die Sandalen seien ohnehin nur eine kurzfristige Zwischenangelegenheiten und allgemein liefe ich barfuß. Scheiterte daran, dass mir die italienische Vokabel für "barfuß" fehlte (a piedi nudi ;) und die drei Jungs - freundlich und wohlwollend winkend - weiterzogen.


Bogen ab in andere Wanderrichtung. Letztes Winken noch: "Ciao signori! War mir ein Vergnügen!" und Volker, der wortlos wie immer so tat als verstehe er nicht das allerkleinste italienische Wörtchen, konstatierte als sie außer Hörweite waren:

Volker: "Da haste aber ganz schön auf die Kacke gehauen!"
Lizzy: "Na und. Haben die doch nach gebettelt. Hatten's nicht besser verdient."  *harhar*

Welche Lehre habe ich daraus gezogen:  Willst du mit Italienern auf Italienisch kommunizieren, ohne dass sie gucken wie auf Zitronen gebissen, dann mach' dir keinen langen Kopp über Wortwahl, Grammatik, Satzbau und den ganzen Kram. Schmeiß' einfach alle Wörter auf einem Haufen zusammen, die zur Geschichte passen könnten. Sprudele sie im Affentempo raus, gestikuliere begleitend zum Wortschwall wild mit den Armen. Jedes Wort an mindestens einer, manche auch an zwei Stellen deutlich betont, so dass der Vortrag einen hochdramatischen Anstrich bekommt. Je dramatischer alles tönt desto besser. Grammatikalische und  erst recht inhaltliche Korrektheit sind von sehr untergeordneter Bedeutung. Ich werd's mir merken ;-)



Weiter geht's zum höchsten Punkt, den wir in den zwei Wanderwochen passieren
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Colle di Bellino. So sonnig heiß und anstrengend der schattenlose Aufstieg war, so kalt war's hier droben. Arg kalt und zugig.


Von hier ein letzter Blick zurück zum Monviso, der nun aus unserem Sichtfeld wieder verschwindet.



Dann schnell wieder runter Richtung Valle Maira


und noch weiter runter - immer weiter ...


der Weg ist mal wieder ein landschaftlicher und optischer Leckerbissen. Aber er zieht sich doch arg.

Phänomen und beim Wandern einzuberechnen: die Tagesform kann ohne ersichtliche Ursachen von Tag zu Tag extrem schwanken. An einem Tag erscheinen die allersteilsten Steigungen und schwere Strecken als erbaulicher Klacks. Am nächsten Tag wird aus dem realen Klacks eine gefühlte Tour auf den Mount Everest. Und nie weißt du, was morgen dran ist.
Tendenziell wächst natürlich die Form, der Körper gewöhnt sich. Trotzdem gibt es - auch psychisch - immer wieder nicht vorausgeahnte Schwankungen im Befinden. Und weil das ja bei jedem einzelnen Wanderer und nicht unbedingt im Gleichtakt passiert, kamen wir zu dem Schluss: so eine Weitwanderung sollte mensch nicht in zu großen Gruppen unternehmen. Alleine, zu zweit, bei wirklich rundrum passender Chemie auch bis zu max. viert. Mehr könnte ich mir nicht vorstellen.


Hier isses scho schee .... hier kommen alle Wege zusammen, hier geht's für alle lang.



Auch hier fällt Wasser - und zwar ganz besonders tief. Der größte bzw. längste aller gesehenen Wasserfälle.


Campo Base am Talschluss des Valle Maira. Wir werden getadelt weil wir uns nicht angemeldet haben. Bekommen zwar trotzdem ein Bett in einem der Mehrbettzimmer. Aber tatsächlich sind  30 der 36 vorhandenen Betten belegt. Mit Wandergruppen, Bikern, Urlaubern. Nebenan ist ein Campingplatz, im Valle Maira herrscht - vergleichsweise ;-) - Hochbetrieb.

Der Rundwanderweg ("Percorsi Occitani" und von mir mit M. im letzten September teilbegangen) ist beliebt, besonders in deutschsprachigen Ländern bekannt und so wird an fast allen Tischen in Campo Base deutsch gesprochen. Uns ist es tendenziell zu voll, auch die Küche gerät zur "Massenabfertigung". Genug auf jeden Fall, auch nicht wirklich schlecht - aber Welten entfernt von den kulinarischen Genüssen, an die wir uns inzwischen fast wie selbstverständlich gewöhnt hatten.





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Etappe: Lou Saret in Chiazale - Campo Base am 11. Juli 2012

Wanderzeit: 8:00 - 15:00 Uhr - keine längere Pause. Recht anstrengend aber wunderschön.
 Höhenmeter:   1190 ↑    1240 ↓
Distanz: ca. 18,7  km
Begegnungen:   unterwegs: mehrere Wanderer und Grüppchen, eine französische 10erGruppe mit Muli auf selbem Weg.  Refugio: 30 Gäste, überwiegend deutschsprachig.
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30 Juli 2012

vom Biotop zur Feinkost-Luxusadresse im Valle Varaita





Nachdem uns im Refugio Bagnour (Essen auch wieder lecker!) die Sprache von 4 französischen und gesprächsfreudigen Rentnern gänzlich verwirrt war, so dasss keiner mehr auch nur "Bonjour" und "Bon Giorno" auseinanderhalten konnte - geschweige denn die wenigen anderen italienischen und französischen Vokabeln, die nun gänzlich verzwirbelt durchs Hirn geisterten, machten wir uns recht früh am Morgen auf dem Weg aus dem Biotop (hier gibts angeblich irgendwelche einzigartigen Krebse, die sonst nirgendwo vorkommen - außerdem Schlangen und sonstiges seltenes Getier. Gesehen haben wir allerdings nur Mücken, die vermutlich eher nicht vom Aussterben bedroht sind) ins im nächsten Tal, dem Valle Varaita, liegende Chiazale.


durchquerten Castello, ein Stadtteil von Pontechianale,  das mit seinen 187 (ständigen!) Einwohnern die größte Ortschaft ist, die wir im Laufe der 14-tägigen Wanderung zu Gesicht bekommen und durchqueren.


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Einige der Ortsteile liegen an einem kleinen Stausee, den wir zu Fuß halb umrunden




bis wir auf der anderen Seite im Ortsteil "Maddalena" auf Geschäfte, einen belebten Markt, Post, Geldautomaten und damit alles treffen, das der moderne Mensch zum Überleben braucht.


zu schade, dass im Rucksack kein Platz mehr ist und der Bauch noch voll genug vom Frühstück


der Ort ist eine Art "Zentrum" der Umgebung, es gibt einen Campingplatz, Hotels, Ferienwohnungen, Straße mit Busverbindungen ...


nochmal von oben betrachtet kein Wunder - es liegt extrem idyllisch

 

weniger idyllisch der extrem steile Aufstieg zum Colle della Battagliola. Er ist von Mountainbikern zusätzlich zur Steilheit zerfahren bis zur Grenze der Begehbarkeit. Macht jedenfalls keinen Spaß. Gut, dass wir inzwischen so fit sind bergauf mit Gepäck, dass wir ihn sogar flotter als im Buch und auf Schildern veranschlagt hinter uns bringen konnten.



Wie jetzt? Keine hohen Berge mehr? :-O


gemach, gemach ... die kommen schon wieder ...


ab der nächsten Tour, gehts in die "Dolomiten von Cuneo"



aber für heute ist in Chiazale Schluss, einem Dorf mit immerhin noch 22 Einwohnern. 



 Bei Lou Saret, einem kleinen aber extrem feinen Restaurant und Hotel (letzteres mit nur 3 urgemütlichen Zimmern bzw. 10 Betten insgesamt). Wir haben Glück: das Doppelzimmer ist noch frei (angemeldet waren wir nicht) und der Betreiber just im Moment unserer Ankunft auf dem Sprung zum Markt (vermutlich in Maddalena). 
5 Minuten später und wir hätten niemanden angetroffen und er hätte auch nicht für uns miteinkaufen können. Großes Glück. Beides: Zimmer und Essen, gehörten zu den herausragenden der Tour. Und recht günstig dazu (50 € / Person).

Erkenntnis des Tages: Um eine Dusche im Leben wirklich angemessen  und als höchstes Glücksgefühl, Gipfel aller zivilisatorischen Errungenschaften würdigen zu können, muss mensch schwitzen, stinken und kleben. 



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Etappe: Refugio Bagnour  - Lou Saret in Chiazale am 10. Juli 2012

Wanderzeit: 8:15 - 14:30 Uhr -Markt anschauen, Geld abheben in Pontechienale (Maddalena)
 Höhenmeter:   860 ↑    1170 ↓
Distanz: ca. 16 km
Begegnungen:   unterwegs: mehrere Wanderer.  Im Hotel außer uns noch eine 3er-Familie.
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28 Juli 2012

Manderl und Weiberl. Oder: soooo romantüsch


Nach so viel Sonnenaufgang, Mondanbeterei und Sternenglitzer muss es irgendwann weitergehen.


zunächst nochmal deutlich höher, ein langer Weg durch Hochebenen mit wieder friedhofsartig aufgetürmten Steinbautenmassen, vielen Seen, Schneefeldern. Bei strahlendem Wetter das total losgelöste Hochgebirgsfeeling. Es ist nicht jedermanns Sache: das karge und damit auch irgendwie lebensfeindliche Hochgebirge. Wir lieben es! Und wo Gehvarianten auftauchen, die alternativ in grünere, mildere, sanftere Gefilde führen würden, entscheiden wir uns einmütig immer für die hochgebirgigere Variante. Können uns jeweils kaum trennen. Gefühle von Losgelöstheit, Erhabensein, Freiheit ...



Oder doch noch'n bisschen was an Romantik?  Oder auch ein bisschen mehr?! ;-)

An einer exponierten Stelle am tiefblauen und kristallklaren Hochgebirgssee, mit Ausblick über die Weiten der cottischen Alpen, bauen wir: ich ein Steinweiberl (links im Bild), Volker - viel akribischer und detailgetreuer natürlich ;) sein Manderl.




Kleines Steinherzerl noch dazu ....



 ... so dürfen die beiden in Vertretung für ihre Erbauer Weite und Ausblick noch genießen wenn diese längst wieder abgestiegen sind ...


und endlich auch wieder - zumindest für ein Weilchen - barfuß unterwegs




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Etappe: Refugio Alpetto - Refugio Bagnour  am 9. Juli 2012

Wanderzeit: 8:45 - 15:15 Uhr - Steinmanderl gebaut (ca. 1 Stunde Pause), eigentlich leicht. Im Abstieg heiß und drückend - dadurch dann doch etwas anstrengend gegen Ende.
Höhenmeter:   610 ↑    860 ↓
Distanz: ca. 11 km
Begegnungen:   unterwegs: mehrere Kleingruppen, Einzelwanderer und Paare. Ca. 2 Begegnungen stündlich. Im Refugio außer uns noch eine 4erGruppe Franzosen.
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27 Juli 2012

weil's so schön war, gleich nochmal: Sonne, Mond und Sternchen















levata del sole

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Morgens um halb fünf in der Berghütte auf 2268 m Höhe wachwerden, aus dem Fenster des Zimmers den Morgenstern sehen. Darunter über weit entfernter Poebene ein roter Lichtstreif und die Ahnung haben: das könnte ein Sonnenaufgang werden


.. aus dem Bett springen, leise - damit Gatte und Hüttenbetreiber nicht geweckt werden - nach draußen schleichen, auf den nahen Hügel kraxeln, im eigenen Rücken noch Frau Mond über dem Rücken der Berge ...


... stelle ich fest, dass so ein Sonnenaufgang sich ziehen kann, barfuß in Sandalen um diese Uhrzeit im Gebirge rumzurennen keine gute Idee ist, Yoga und Meditation nachts auf Berghügeln nur begrenzt aufwärmend ...


... über  eine Stunde später der rote Streif zwar höher und heller geworden ist aber immer noch keine Sonne in Sicht ...


.. zumindest nicht für mich - der Monviso hinter mir leuchtet bereits in strahlendem Morgenrot ...





... als er gnädigerweise irgendwann auch mir erscheint: Herr Sonne - "il sole"


26 Juli 2012

sono stufo di andare a piedi! oder: In Sandalen durchs Hochgebirge



morgens hier aufzuwachen, muss auch klasse sein.



"QUI NASCE IL PO"




und es gehört zum Brauch, dort die Trinkflasche zu füllen. Wasser aus'm Po für unterwegs mitnehmen.



das wollen hier viele. Die Poquelle ist ein beliebtes Ausflugsziel. Und es ist Sonntag. Heerscharen an Menschen ergießen sich auf den Weg. Für die meisten reicht aber der 40minütige Anstieg von der Straße und sie kehren anschließend um.

Die Italiener sind alles andere als ein Wandervölkchen. Hier gibt es keine Wandertradition. Klettern schon eher - sonst gäb's vermutlich keinen italienischen Alpenverein samt Vereinshütten (Refugios). Italiener belassen es - Ausnahmen gibt's natürlich - bei moderaten Spaziergängen zu bequem erreichbaren Zielen und kehren dann um. Diejenigen, die weiter gehen und das grenzübergreifende Wegenetz um den Monviso herum etwas stärker beleben als die vorher von uns durchwanderten Gebiete des Piemont, sind größtenteils Franzosen.


Dieser unglaublich smaragdene Bergsee wird von Wasser gespeist, das an mehreren Stellen laut gluckernd unter dem Geröll entlangrauscht, über das wir wandern. Tief genug, dass es - zumindest jetzt im Juli - nicht zu sehen ist und nirgendwo an die Oberfläche tritt. Hoch genug, um laut und deutlich hörbar zu bleiben. Ein bisschen ein unheimliches Gefühl, so "übers Wasser zu gehen."



Gegenseitiges Versprechen: "Wenn einer abstürzt und es noch schafft, dann zieht er schnell die Sandalen aus und schmeißt sie weg."



"und der andere kramt, bevor die Retter anrücken, die Bergschuhe aus dem Rucksack und legt sie neben den Verunfallten, sollte es nicht mehr schaffbar sein, sie ihm anzuziehen" Für die Versicherung ;-)


Es gilt ja allgemeinhin als nicht sonderlich akzeptiert, in Sandalen im Hochgebirge rumzurennen. Bekloppte, die das tun, haben einen ... gewissen Ruf ...  Wir stellen für uns fest: In diesem Gelände taugen die Sohlen unserer Trekkingsandalen wunderbar und gut genug. Der nicht vorhandene arretierende Panzer um den Restfuß erleichtert das Wandern ungeheuer.



Neben dem Schild - uns gegenüber - die unglaublich hohen Steinmassen des Monviso. Wir wandern an einer seiner Seitenflanken entlang - und knippsen ihn nicht. Warum auch? eine über 1 Kilometer nach oben aufragende Steinwand ist beeindruckend, wenn man daneben entlangwandert und sich ameisig fühlt. Fototechnisch aber nicht wirklich ausschlachtbar an dieser Stelle. Viel Stein eben.



Plötzlich ein Krachen und scheppern und nachhallendes Rumpeln. Lang andauernd. Sprengt da jemand den Fels? Lange lange ist es nur aus großer Ferne hörbar, kommt näher und näher - ein bisschen mulmig fühlt es sich schon an - dann purzeln auch sichtbar aus der Wand gegenüber (zum Glück noch reichlich weit genug von uns entfernt) aus einer Felsrinne ein paar Steinchen. Zumindest sehen sie dabei aus wie relativ kleine harmlose Steinchen. Real sind diese "Steinchen" da drüben genauso riesige Felsen, wie sie hier überall zerbröckelt rumliegen. Und gesprengt wurde nicht von Menschen sondern von der Natur, die das hier dauerhaft tut.  Es war ein kleiner Felsabbruch bzw. Felssturz, den wir dort mitanhören und mitansehen konnten. Wir hoffen sehr, dass nicht gerade in dem Moment dort, wo wir langwandern, solche "Steinchen" von oben runterpurzeln.



Jeder der Bergseen mit eigenem Reiz


.. und anderer Farbe.



Hier haben Wanderer die flachen der Steine - eine Schieferart - so aufrecht gestellt über eine weite Strecke des Weges entlang, dass es sich anfühlt als ginge man über einen riesigen Friedhof mit Naturgrabsteinen.






Während Volker sich nach dieser wieder einen Ticken anstrengenderen Tour ein wenig hinlegt vor dem Essen, begebe ich mich auf den Weg, die Gegend zu erkunden. Natürlich gibt's auch hier Wasserfälle, Bachläufe reichlich, Seen ... aber es ist auch größtenteils bewölkt und wechselhaft - immer wieder reißen große Sonnenlöcher in die Wolken, sind aber genauso schnell wieder verdeckt.



Und es gibt - nur ein paar Schritte vom  Refugio entfernt, noch ein kleines Steinhäuschen, in dem sich laut Schild ein kleines Alpenmuseum befiindet (hier in dieser Gegend scheint nicht nur jedes Dorf mit egal wie wenigen Einwohnern, sondern auch noch jede Berghütte ihr eigenes Museum zu haben), das allerdings - wie die meisten angetroffenen Museen - geschlossen ist. Sie werden üblicherweise nur auf Wunsch geöffnet, der Schlüssel muss bei irgendwem in der Nähe angefragt und abgeholt werden (was wir unterwegs nie von uns aus taten. Kulturbanausen eben ...).

Auch hier sahen wir im Vorbeigehen: ein riesiges massives Schloss an der Tür des winzigen Steinhäuschens. Auch hier fragte keiner von uns beiden nach dem Schlüssel. Er wurde mir regelrecht aufgenötigt. Und warum? Weil ich so grottenmies Italienisch spreche, dass den Italienern alles recht ist, mich zum Schweigen zu bringen ... *pfff*

Kleiner Exkurs zu den - eher nicht vorhandenen - Sprachkenntnissen und meinen Eindrücken dazu:

Nachdem ich im letzten Jahr im Valle Maira lediglich mühsam eingeprägte Einzelworte unflektiert den einheimischen Zuhörern und Gegenübern vor die Füße spucken konnte - und das auch meistens erst nach Blättern im Miniwörterbuch oder langem Nachgrübeln - nahm ich mir für die GTA vor, bis dahin souverän italienisch sprechen zu können ;-)  Es blieb beim Vorsatz. Und zwei  gebuchten VHS-Kursen, die ich beide irgendwann mittig abbrach und feststellte: was ich in Schulzeiten schon nicht konnte: auf die "schulisch trockene Art" eine Sprache zu lernen, das kann ich heute mit fast 50 erst recht nicht. Fremdsprachen zu lernen unter Schwerpunktlage auf naggisch-losgelöstes Vokabeln lernen und Grammatikstrukturen runterbeten ... keine Chance! NICHTS bleibt hängen. Es quält mich und nützt nix.

So weit, so schlecht. Was also tun? Auf Bayern alpha gibt's eine vielfach prämierte Serie mit dem Namen "Avanti! Avanti!", die dort in vielfachster Wiederholung auch gerade lief und weiter läuft. Sie ist unglaublich toll! Nie hab' ich auf so eine lebendige und einprägsame Art eine Sprache ausserhalb des Sprachlandes vermittelt bekommen.

Und so schaute ich mir allwöchentlich die Folgen von "Avanti! Avanti!" an, zeichnete sie auch auf, wiederholte manch eine für mich mehrmals (sowas amüsantes! Ich  hätt' mich bei einigen Folgen - kaputtlachen können .. -  und nahm mir vor - das allerdings wäre im Grunde nötig, damit es hilft  - mir auch die in jeweils einer Folge vermittelten Inhalte zu erarbeiten und nachzulernen. Auch bei diesem Punkt blieb es beim Vorsatz ;-(  .. und so sah es in der Praxis aus:

Einige Phrasen, von denen ich annahm, sie häufiger zu brauchen, hatte ich mir in kompletten wohltönenden Sätzen aufgeschrieben und auch eingeprägt. Versuchte also vom ersten Tag an, mich auf - wenn auch eingschränktem - Italienisch zu artikulieren und musste vom ersten Tag an feststellen: ich schien den Italienern durchgängig Ohrenschmerzen zu bereiten. Spätestens nach meinem zweiten Satz nahmen die Minen ausdruckslose Froststarre an und der Zuhörer kramte in seinem zumeist nicht oder kaum vorhandenen englischen Wortschatz, stieg auf Englisch um (nebenbei gefragt: wird an Italiens Schulen eigentlich kein Englisch unterrichtet oder warum scheinen sogar recht junge Italiener oft kein Wort dieser Sprache zu kennen?) oder Gebärdensprache, fragte, ob ich Französisch spreche (leider nur genauso mies), rannte los, jemanden zu finden, der Englisch spricht ... sie taten alles, um meinen Italienischversuchen zu entkommen *pfff*

Ob's an meiner deutschen "Intonation" lag? Die italienische hinzubekommen - ich merkte das selber - war mir unmöglich. Ich kam nichtmal in die Nähe ...  Es müsste sich deutsches Italienisch in meinem Fall schlimmer anhören als wenn ein Inder oder Chinese mir gegenüber sein Englisch rauskramt - und das womöglich mit sächsischem Akzent ;-) Oder an den bunt und vermutlich immer wieder total falsch zusammengewürfelten Präpositionen, die ich mir durch die Bank nicht merken kann?

Wie auch immer: es hat mich schon ein bisserl frustriert. Klar - natürlich nutzten mir die Phransen, die mir aus "Avanti! Avanti!" immer wieder einfielen, im Alltag nicht wirklich. Mein Mantra für die ganze Wanderung zum Beispiel bestand aus so einer Avanti!Avanti!-Phrase und ging mir kaum mehr aus dem Kopf.

"sono stufo di andare a piedi.  voglio volare" - "ich bin es leid, zu Fuß zu gehen. Ich will fliegen!"
(aus der Folge über Leoardo da Vinci. Dessen Antwort als sein Vater ihm vorwirft, nie irgendwas fertig zu bekommen und nur Unsinn im Kopf zu haben).

Aber wem hätte ich diesen Satz - perfekt intoniert! - an den Kopf werfen sollen? So sehr er auch gelegentlich zutraf und mir nicht aus dem Kopf ging?  

"Va al inferno!" ("Geh' zur Hölle!" aus der Sendung über Dante Alighieri und seine Göttliche Kömödie) taugte auch eher nicht zur Kommunikation mit den einheimischen Gastgebern.

Hinzu kam, dass wir - die Gegend ist ziemlich einsam, der Mitleser wird es inzwischen bemerkt haben - nur abends und morgens beim Ausmachen von Quartieren und Verpflegung überhaupt in die Notwendigkeit gerieten, Sprache anzuwenden. Und abends, insbesondere nach den ersten Tagen, war ich so fertig und hirnplatt, dass mir sogar das "Buona sera" für "Guten Abend" nicht mehr einfallen wollte. Hatte sich das Hirn wieder sortiert, war's schon zu spät ... Nun gut ... wir kamen immer gut unter und wurden satt. Meine aktiven Sprachkenntnisse dümpeln nichtsdestotrotz weiterhin im kaum-vorhanden-Bereich rum (das Hörverstehen dagegen ist ziemlich zufriedenstellend, um auch mal das Positive anzumerken ;).

Zurück zum Refugio Alpetto: es wird - wie mehrere andere Berghütten auch, in denen wir übernachtet haben - von zwei relativ jungen Männern betrieben, die nachmittags versuchten, ein kleines Salatbeet am Berghang anzulegen. Ich hatte eine Frage, schlenderte hin und fragte. Bekam eine kurze Antwort, leierte mir weitere italienische Begriffe aus dem inneren Fundus und guckte wie so oft in zwei Gesichter, die in Zitronen gebissen zu haben schienen. Einer der jungen Männer fragte, ob ich denn das Museum da oben schon gesehen hätte. Ich sach: "è chiuso" ("is zu"). Der junge Mann rast los Richtung Refugio, kommt mit einem fetten Schlüssel wieder und wünscht mir: "Buon divertimento" ("viel Vergnügen") Okay, okay. Kapiert. Bin ja schon weg. *Pfff..*


Nach dem Museum schlendere ich durchs Gelände, in dem so unglaublich viele Murmeltiere leben, dass es komplett durchlöchert scheint. Einmal springt eins davon ca. 2 Meter neben mir aus der Erde. Natürlich hab' ich da den Fotoapparat NICHT in der Hand ... außerdem erschrecke ich mich fast zu Tode. Die Tiere sind RIESIG ... naja ... jedenfalls deutlich größer als sie von weitem aussehen ... Also knippse ich sie von da: von weitem nämlich und rangezoomt. Auf diese Entfernung flüchten sie nicht und lassen sich von mir bei ihrem abendlichen vor der Höhle sitzen nicht stören.




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Etappe: Pian Melzè - Rifugio Alpetto  am 8. Juli 2012

Wanderzeit: 8:45 - 15:10 Uhr
 Höhenmeter:   1000 ↑    490 ↓
Distanz: ca. 12 km
Begegnungen:   reichlich am Anfang - Tendenz: weniger werdend mit zunehmender Höhe, zuletzt einsam
Im Refugio waren wir die einzigen Übernachtungsgäste
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