06 Oktober 2009

rollende Räder unter südlicher Sonne, Eisenwege im Fels und die perfekte Hagebutte vom Lago di Tenno

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Eigentlich ... in diesem Jahr enthalten so ziemlich alle Ideen, Vor- und Nachbetrachtungen, Urlaubspläne und -ausführungen ein "Eigentlich". Aber wenn denn auch mal streckenweise nicht alles rund laufen will, dann nimmt frau's eben eckig und kantig und umschifft oder umrollt - dann wieder mit runden Rädern - die Tücken und Ösen.

Denn: Eigentlich wollte ich mit dem Rad zum Gardasee fahren. Hab' ich auch getan - aber nicht wie geplant schon eine Woche im Voraus ab München, sondern etwas abgespeckt nur die letzten ca. 70 km ab San Michele all’Adige im Trentino.

Hier starten die Kletterer zu ihrem ersten Klettersteig aus der etwas anspruchsvolleren Kathegorie, die ich - noch dazu in meinem immer noch nicht völlig fitten Zustand - lieber meide.





Ein kleines Straßenstück lang muss ich mir den Weg mit "normalem Straßenverkehr" teilen ...





... bevor ich auf den bestens ausgeschilderten und durchgängig komfortablen Etschtalradweg treffe. Jeder Kilometer ist einzeln ausgeschildert, die Strecke penibel markiert mit Schildern, Verlaufs-Icons ... lediglich einmal in Trient verliere ich an einer riesigen Baustelle die Spur und irre etwas verwirrt durch die engen italienischen Straßen, bis der Radweg wieder auftaucht und gewohnt luxoriös weiterverläuft.




Er schlängelt sich meist entlang des Wassers der Etsch (l'Adige), die man gelegentlich auch rauschen und plätschern hört ...




Aber eher selten - denn meist wird das Wasser übertönt vom Rauschen des Verkehrs, der auf Straßen und Schienen durch die enge Hauptader unablässig nach Italien strömt. Außerdem ist wohl kein Quadratmeter des fruchtbaren Etschtals ungenutzt. Obstplantagen (hauptsächlich Wein und Äpfel), mannigfaltige Industrien jeglicher Couleur und Bergbau (Kieshalden, Steinbrüche ...) prägen Bild und Ton im Etschtal.





Natürlich begegnen mir auch viele Läufer und Rennradler sowie Mountainbiker überholen mich. Die Italiener sind ein sportliches Völkchen und auch Urlauber und Touristen sind - trotz Nachurlaubszeit und Wochentag - reichlich unterwegs. Was mich keineswegs stört. Ich genieße das sonnige Wetter, die Bergwelt um mich, die Tatsache, dass ich auf leichter und leicht abschüssiger Strecke Richtung Gardasee radle.

Und als dieser schon auf der Etschtalstrecke gesondert angekündigt wird, bin ich guter Dinge, ihn ohne umständliches Kartenlesen, Leute fragen und durch die Lande irren auch finden werde.




Dass ich mich hier in Fahrradsportwelten bewege, zeigen auch diverse Kunstobjekte an der Strecke.

Auch von Rovereto nach Nago oberhalb Torboles am Gardasee führt ein durchgängiger Radweg. Einige Kilometer auch bergauf über einen Bergpass aber das nahe Ziel vor Augen belastet mich selbst diese kleine Anstrengung kaum.

Als ich von Nago aus auf den im abendlichen Dunstschleier vor mir liegenden Gardasee schaue, geht mir das Herz auf, die Augen über und scheinbar wabert dadurch etwas Dunst auch in die Hirnmasse ... denn: anstatt bequem die Straße runterzuradeln (der offizielle Radweg endet hier), sehe ich eine Fahrradausschilderung in grob diese Richtung bergab. Erinnere mich, flüchtig etwas von "Alternativstrecke für Mountainbiker" gelesen zu haben und denke: "Ach, das geht sicher auch" - frage nicht nach sondern finde mich kurze Zeit später irgendwo im Felshang über Torbole wieder.

Fahren für mein Tourenrad mit den schmalen Reifen komplett unmöglich. Als ich das erste Mal denke: "Ochnööö, jetzt haste schon soo viel Höhe abgebaut und das alles wieder hoch? Vieeeel zu umständlich ..." da wäre es auf jeden Fall noch bequemer gewesen, umzukehren und wieder aufzusteigen.

Aber nee - Frau Lizzy latscht natürlich weiter bergab über kantige Bruchsteine, Steilhänge, bei denen selbst das Schieben des Rades fast unmöglich ist ... und dann ändert der Weg auch noch die Richtung ... Nojo - wie gesagt: wenn's nicht rund läuft, schieben wir's eben kantig und so kostet mich der kleine Verirrer, der mich in Arco aus dem Felshang spült, ungefähr ein zusätzliches Stündchen und einige Nerven und Schweisstropfen.

Die ebenfalls schweißgetränkten Klettersteiger sind etwas vor mir im Quartier und bereits geduscht. Hunger haben jedenfalls alle und lassen den Abend gemeinsam bei Riesenpizzen und Gelati ausklingen.





Nu bin ich also in bella Italia am Gardasee, habe mich dazugeschummelt zur Gruppe der Klettersteigwilligen um Reinhold Forster, die mit ihm gemeinsam einige bisher unbekannte oder auch etwas "besondere" Klettersteige gehen wollen.

Ich wollte ja eigentlich nicht. Zu lange her die Kletterei, zu schlapp und schlaff im Moment und zu bequem ... ich wollte mich doch eigentlich eher ein bisschen erholen. Radeln, baden, urlauben und abends dann mit Volker und den anderen was essen und die Urlaubstage ausklingen lassen.

Eigentlich ... aber Volker und Reinhold meinten, ich solle doch mal ganz unverbindlich meine Klettersteigausrüstung mitnehmen und es würden ja auch einige leichte Steige auf dem Programm stehen ... und so lese ich mir im Klettersteigführer die Beschreibung zum "Via ferrata Gaetano Falcipieri" - hört sich eigentlich ganz gut an: Technisch einfach und lediglich konditionell anspruchsvoll ... werde schon wieder fit genug sein und die ca., 7 - 8 Stunden packen ... packe also die Klettersachen und schwinge mich - nach 1,5 Stunden Anfahrt - mit den anderen 9 Kletterern in den Via Ferrata, den Klettersteig (die Bildchen bitte großklicken, sonst sieht's zu popelig aus ;-)





Im Grunde stelle ich dann auch schnell fest, dass diese leichten Ausführungen von Klettersteigen mir großen Spaß machen und ich sie trotz jahrelanger Kletterabstinenz auch wieder gehen kann.





Frau Lizzy auf der Leiter - die ganz in weiß mit orangenem Rucksack - die von unten eigentlich ganz harmlos wirkt und auch beim Durchklettern nicht weiter dramatisch ist.





Den Blick zurück spare ich mir aber meist lieber - denn: ich bin absolut nicht schwindelfrei und sobald ich in große Tiefen und Abgründe sehe(n muss), fängt mein Gesichtsfeld an zu schwimmen und das Hirn wabert wie haltlos im Schädel umher. Blödes Gefühl eigentlich ... und es dauert immer einige Einheiten lang, bis es doch wieder etwas nachlässt, das Geschwindel und Gewaber ...





Aber schee isses schó!





Der Weg führt entlang spitzer und teils langgezogener Felsgrate und über 5 Gipfel.





Spiderlizzy beim Bezwingen des Felses ;-)






Die italienischen Gipfelkreuze fallen meistens deutlich bescheidener und unscheinbarer aus als die deutschen - aber Flair haben sie allemal.






Unterwegs massenhaft Edelweiße - ich bin fasziniert! Bisher kannte ich diese Blümchen nur aus Alpengärten und künstlich angepflanzt auf Alpenlehrpfaden und wusste, dass sie zu den seltenen und geschützten Pflanzen zählt.

Früher war es ein Liebeszeichen und Beweis der Tapferkeit eines jungen Mannes, wenn er seiner Auserwählten ein Edelweiß brachte - denn diese wachsen eben nur an unwegsamen Stellen im Fels, zu denen es aufzuklettern gilt. Und nun wachsen hier um mich herum reichlich wilde Edelweiße und machen mich ganz ehrfürchtig.




Diesen ziemlich weit abseits regelrecht versteckten Steig, der hauptsächlich von Einheimischen gegangen wird, hätten wir ohne ihn wohl nie gefunden: Reinhold Forster - der Leiter und Organisator der Tour.





Die Landschaft ist bezaubernd und beeindruckend. Durchgängig!





und der Abstieg führt mit Hilfe notwendiger Taschen- und Stirnlampen über die Straße der 52 Tunnel (die in gigantischer Arbeit nur für den 1. Weltkrieg in den Fels geschlagen wurden) lang und Fußsohlen-erhitzend zurück zu den Autos.





Froh und glücklich bin ich, dass ich mich dazu entschlossen habe, den Klettersteig mitzugehen.

Aber am nächsten Morgen wache ich mit derartig schmerzenden Gelenken und Muskeln auf, dass es sich anfühlt, als wäre ich in der Nacht noch einen weiteren Klettersteig entlanggeklettert. So richtig fit und konditionell in früheren Höhen bin ich noch nicht und lege mich - während die richtigen Kletterer gen "Via Ferrata Che Guevara" aufbrechen - nach dem Frühstück nochmal ins Bett, um mir anschließend mein Radl zu schnappen und mit Buch bewaffnet relativ ungeplant einfach loszuradeln.





Sonne, Palmen, Pinien, Zypressen, ein See und Berge ... isch glaub', isch bin in Italien :-D






Jetzt könnt' ich ja eigentlich gemütlich unten am Gardasee bleiben und mir ein feines Plätzchen suchen. Aber wenns mal so richtig rund ist rundum ... dann muss ich irgendwie eine Kante suchen ;-) und radele folglich los Richtung Berge und finde mich - eigentlich irgendwie ungeplant - auf einer kleinen Serpentinenstraße wieder, die zum ca. 500 Meter höher gelegenen Lago di Tenno führt.




Puh - so im zweiten Gang bergauf zu trampeln ist irgendwie doch auch ein bisschen anstrengend ...




Am smaragdgrünen See (eigentlich nur eine Pfütze vergleichsweise - darin aber, siehe Foto, massenhaft Fische) allerdings ist ziemliche Ruhe und nur wenige Menschen hat's jetzt in der Nachurlaubszeit hierher verschlagen. Dabei ist immerhin Sonntag und das Wetter prächtig.





Jetzt verlässt mich das Bedürfnis nach Kanten und Ecken - und so breite ich mein Badetuch auf den spitzen Steinen aus, baumele die Beine ein bisschen in den See, lese, esse, trinke, döse ... und breche einige Stunden später wieder auf zur Rückfahrt.





Bis ich IHN sehe! Den schönsten aller Wildrosensträucher, der mir jemals begegnet ist. Vor Berg- und Seekulisse präsentiert er über und übervoll behanten die prallsten, rotesten und makellosesten Hagebutten, die ich je gesehen habe.

Eine Stunde lang pflücke ich und pflücke und pflücke die Regenschutzhülle meines Rucksacks voll, werde mehrfach - auf italienisch, denn wer außer einer Einheimischen würde hier am Lago die Tenno Hagebutten ernten ;-) gefragt, ob ich Marmelade daraus kochen oder sie sonstwie verwerten will ... ?

Dem Strauch sieht man hinterher den Früchteraub kaum an - so voll hängt er - und für nahrungssuchende Tiere wird im Winter noch genug übrig sein. Ich bedanke mich bei ihm für die schöne Gabe, hoffe, ihn irgendwann im Frühling in voller Blüte bewundern zu können und verabschiede mich. Wissend, dass meine Wintertees mich an Italien erinnern werden in diesem Jahr.






Montag - Rückfahrtstag. Geplant von den Klettersteigern: der "via ferrata Rio Sallagoni" kurz hinter Arco und damit schon fast auf dem Weg nach Hause.

Den habe ich noch sehr gut in Erinnerung. Denn: diesen sind Volker und ich beide schon gegangen als letzten und anspruchsvollsten unseres Klettersteigkurses im Frühling 2007. Auch die anderen Teilnehmer kennen ihn fast alle schon - aber er ist relativ kurz und bietet sich daher als "Abschlussschmankerl" an.





Immerhin wusste ich: ich habe ihn damals geschafft. Aber ich wusste auch: damals wurde mir gesagt, dass ich nicht kleiner hätte sein dürfen, sonst ginge es nicht. Und gewachsen bin ich inzwischen ganz sicher nicht. Weiterhin erinnerte ich mich an schwierige Stellen, bei denen mir die Hände fast abzufallen drohten vor Anstrengung und die Knie schlackerten vor Angst.

Jo, die Stellen gab's immer noch :-) und die Knie erkannten beide kritischsten schon von weitem wieder und schlackerten ein bisschen. Aber nur ein bisschen und dann gings total flott drüber.




Und auch der "Abenteuerspielplatz im Canyon" mit Kletterseil und glitschigen Stufen machte mir diesmal einen Heidenspaß.





Gut zwei Stunden später allerdings hieß es schon wieder: Ausrüstung ausziehen, verstauen, Abstieg zu den Autos und ab zurück nach München.

Summa summarum waren die 4 Tage total rund :o)


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