01 November 2006

AllerheiligenAllerlei

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Feiertag - endlich wieder Laufzeit. Aber wohin? Sollte mal wieder ein bisschen Abwechslung sein. Wohin läuft die Mittvierzigerin, deren Phantasie momentan so brach liegt wie sämtliche abgeernteten Kartoffelfelder in der Umgebung? Sie klaut die Idee aus der Zeitung, hält sich ans Klischee und besucht einen Friedhof. Mit massenhaft Prominenten. Was ihnen aber vermutlich da unten in der Grube auch nix mehr bringt. Also - dass sie mal prominent waren, mein' ich. Vorher noch ein paar passende Motive eingesammelt, mit Tunnel und Licht am Ende und so - is klar, oder?




Dann mit Schlenker durch O-Föhring entlang der Isar zum Alten Bogenhausener Friedhof. Richtig was los ist hier. Die Promis werden sogar tot noch gerne besucht und sind der Stadt einen eigenen Ordner wert, der Fragen beantwortet und die Gräber kennt.



Schön isser ja schon, der Friedhof. Viele noble Grabbepflanzugen, viel bunt. Es dominieren die Rosen bei den Blumen und die Herzen bei den Motiven. Oft kombiniert.

Die vielen Schauspieler, die ich hier grabsteintechnisch sichte, unterschlage ich - sind zu viele. Halte ich mich an die etwas 'gehaltvolleren' - oder die, die ich dafür halte.
Erich Kästner natürlich ganz vorne. Auf dem Friedhof, hier im Blog und überhaupt.

Unten folgt dann ein Textbeispiel. Kannte ich noch gar nicht. Wollte mich gar nicht mehr von loseisen von dem Buch. Immer wieder und immer wieder neues. Erich Kästner. Bei dem hat sich's wirklich gelohnt, dass er gelebt und geschrieben hat. Finde ich.


Liesl Karlstadt. Sagt mir eigentlich nicht viel. Ist mit Karl Valentin aufgetreten und war Kabarettistin und Schauspielerin. Das ist schon fast alles, was ich von ihr weiß. Aber das Herz gefiel mir. Es läßt sich aufklappen und innen steht ihr Geburtsname .

Für Rainer Werner Fassbinder gilt fast dasselbe: seine Filme kann ich nur sehr schwer ertragen, aber das Grab ist außergewöhnlich ansprechend. Obwohl ... es ist lange her, dass ich den letzten Film von ihm gesehen habe und damals war ich jung. Vielleicht kann ich den Dingern - gereift *harhar* - inzwischen irgendwas abgewinnen. Mal gucken, ob's davon welche in der Stadtbibliothek zu leihen gibt.



Oskar Maria Graf
doch, dass der Name ein bekannter ist, hab' ich ohne fremde Hilfe gewußt. Schriftsteller - das war's mal wieder. Himmel, bin ich ungebildet *heul* eine einzige Bildungslücke. Aber die Stadtbibliothek ist hoffentlich geduldig und auch in diesem Fall gefüllt. Ist er doch ein 'Kind der Stadt', wie ich inzwischen auch weiß.


Über den Nachruhm

Den unlösbaren Knoten zu zersäbeln,
gehörte zu dem Pensum Alexanders.
Und wie hieß jener, der den Knoten knüpfte?
Den kennt kein Mensch.
Doch sicher war es jemand anders ...

Erich Kästner (1950)

Es ist wirklich merkwürdig, nicht?

Da setzt sich jemand auf die Hosen und bringt mit viel Fleiß, Gescheitheit und Geschick einen Knoten zustande, der so raffiniert geschlungen ist, daß ihn kein Mensch der Welt aufknüppern kann, und den, der das Kunststück fertigbrachte, hat uns die Geschichte nicht überliefert! Aber wer das Taschenmesser herauszog, das wissen wir natürlich! Die Historiker haben seit Jahrtausenden eine Schwäche für die starken Männer. Auf steinernen Tafeln, auf Papyrusrollen, auf Pergamenten schwärmten sie von Leuten, welche die Probleme mit Schwertstreichen zu lösen versuchten. Davon zu berichten, wie sich die Fäden des Schicksals unlösbar verschlangen, das interessiert sie viel weniger. Und darüber zu schreiben, wie seltsame Idealisten solche Schicksalsverknotungen friedlich entwirren wollten, ödete sie an. Dem Zerhacken der Knoten gilt ihr pennälerhaftes Interesse, und sie haben nicht wenig dazu beigetragen, die alten gordischen Methoden in Ansehen und am Leben zu erhalten.
Wir haben gerade wieder einmal das Vergnügen gehabt, persönlich dabei gewesen zu sein, als so ein Knoten zersäbelt, statt mühsam aufgedröselt wurde. Es war kolossal interessant. Die Haare stehen uns jetzt noch zu Berge, soweit sie uns nicht ausgegangen sind. Und während sich auf internationalen Konferenzen Abgesandte aus aller Welt abquälen, die neuen Knoten zu entwirren, die sich allenthalben bilden, sitzen, nicht zuletzt bei uns, schon wieder Anhänger der Säbeltheorie herum und knurren: "Ist ja alles Quatsch! Wozu lange knüppern? Durchhacken ist das einzig Senkrechte!"
Ich finde, man sollte wirklich langsam dazu übergehen, statt der Knoten die Leute durchzuhauen, die solche Ratschläge geben.

Erich Kästner (aus: Der tägliche Kram)

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